Ein zweites Zuhause
Vor ungefähr zwei Wochen bin ich noch in Costa Rica mit einem Surfbrett unterm Arm zum Strand geradelt, habe den Leuten aus dem Dorf zugewunken und später einen riesigen Berg Ananas, Mamones und Mango gefrühstückt. Ich habe mich ein letztes Mal von unserem Lieblingsnachbarn verabschiedet und bin dann mit dem Bus, der sich um zwei Stunden verspätet hatte, in Richtung Flughafen gefahren.
Jetzt, etwa 30 Stunden später, stehe ich vor unserer Haustür in Deutschland. Das Erste, das ich frage als ich die Wohnung betrete ist, ob es hier schon immer so groß und sauber gewesen ist und ob die Wände auch früher so weiß gewesen sind. Denn in dem Dorf, in dem ich das letzte Jahr gelebt habe, gab es vor allem Wände in dunklen oder kräftig bunten Farben, dunkle Fliesen und sehr viel Sand und Staub, der direkt nach dem Putzen wieder seinen Weg ins Haus zurückfand. Ich freue mich darüber, meine Eltern wiederzusehen und über die weiche dicke Bettdecke, dank welcher ich bald nach meiner Ankunft einschlafen kann und dank meines Jetlags auch erst am nächsten Nachmittag wieder aufwache.
Ein erster Blick aus dem Fenster sagt mir, dass ich wieder in Deutschland bin. Die nahe beieinanderstehenden Häuser mit mindestens zwei Stockwerken, die hohen Hecken, die die Gärten abschirmen und nur die Fahrräder und eine Klingel von dem Haus preisgeben, sagen mir, dass ich Costa Rica hinter mir gelassen habe. Unser Häuschen dort hätte in manch eines dieser Häuser vielleicht vier- oder fünfmal hineingepasst. Kein Wunder, dass bei dieser Anonymität nicht jeder aus dem Haus heraus grüßt, wenn man durch die Nachbarschaft läuft. Das Nächste, das mich beschäftigt, sind die Knöpfe und Einstellungen der Kaffeemaschine. Warum ist es hier nur so kompliziert, wenn in Costa Rica der Beweis dafür steht, dass es auch einfacher geht? Aber für den guten Espresso lohnt es sich dann doch.
Das nächste Unverständnis wartet dann bei dm auf mich. Die Auswahl an Shampoos, die sich über ein ganzes Regal erstrecken, ist einfach zu viel für mich. Ein Phänomen, das mir einen Tag später in der Stadt nochmal begegnet. Hunderte Marktstände mit dem gleichen Gemüse zu ähnlichen Preisen. Hunderte Läden mit wiederum tausenden von Kleidern derselben Marken und in fünfzigfacher Ausführung. Dabei gibt es nicht einmal so viele Menschen für all diese Produkte. Manchmal dachte ich in Costa Rica, es wäre leichter, bestimmte Dinge in Deutschland in der Innenstadt zu finden. Denn das große Angebot ermöglicht es einem, nahezu alles zu kaufen, was man gerade braucht. Aber zurück in Deutschland vermisse ich die kleinen Läden, in denen ich alles finden konnte, was ich brauchte. Oder den einen Gemüsestand, bei dem wir immer alles Notwendige bekommen haben. Warum also setzen wir nicht auf weniger Läden und Produkte, die aber eine bessere Qualität haben und nachhaltiger sind?
Jetzt sind schon fast zwei Wochen vergangen, seit ich wieder in Deutschland bin und dennoch fallen mir immer wieder neue Sachen auf, die hier anders sind als in Playa Bandera in Costa Rica. Dinge, die ich teilweise vor diesem Jahr nie bemerkt hätte. Der Abschied von den Kindern und Freunden aus Costa Rica tut immer noch weh und zugleich freue ich mich immer wieder, alte Freunde und Teile der Familie in Deutschland wiederzusehen. Ich bin begeistert von dem Olivenöl, Feta und Pinienkernen. Zugleich vermisse ich den täglichen tropischen Obstteller. Ich merke jeden Tag, wie toll es war, einen Strand vor der Haustür zu haben und gleichzeitig genieße ich den Anblick der alten Stadthäuser und das Stadtleben.
Die letzten Wochen hier waren ein freudiges Wiedersehen. Sie zeigten mir aber auch, dass wir in Costa Rica in unserer kleinen WG, unserer “familia tica” und all unseren anderen Freunden gleich nebenan, ein zweites Zuhause gefunden haben.
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