Mittlerweile ist zwar der Oktober schon lange vorbei, aber dennoch möchte ich etwas über diesen Monat schreiben. Dazu gibt es vor allem zwei Dinge zu sagen:
Zum Einen ist er dafür bekannt, dass es verhäuft zu Regenstürmen kommt. Wenn es einmal anfängt zu regnen, kommt man nicht trocken nach Hause – egal wie weit man laufen muss. Die Straßen verwandeln sich in Flüsse und von den Häusern schießt das Wasser runter. Es ist also garantiert, dass man komplett nass wird und die Schuhe, wenn sie nicht richtig trocknen, schön anfangen zu stinken. Deshalb veranlasst der Regen teilweise zu drastischen Maßnahmen. Zum Beispiel kommt es dann öfter vor, dass man zu 7. oder 8. in einem 5-Sitzer unterkommt. Ansonsten sorgt der Regen auch dafür, dass Stromleitungen kaputt gehen und es für ein paar Stunden keinen Strom gibt. Aber das Licht in meinem Zimmer funktioniert auch ohne Regen nur wahlweise. Oder, dass beispielsweise die Schule meiner Gastschwester unter Wasser steht. In unserem Bad gibt es keine Fenster, das heißt, wenn Strom und warmes Wasser ausfallen, dass ich von einer Sekunde auf die andere im stockdunklen Bad unter einer eiskalten Dusche stehe.
Zum Anderen steht der Oktober unter dem Motto der „Maskeraden“. Das bedeutet, dass am Wochenende immer große Paraden stattfinden, die sowohl aus Trommlern, als auch eben aus „Maskeraden“ bestehen. Alle paar Stunden findet dann ein Rennen statt, bei dem die „Maskeraden“ den ganzen Jugendlichen hinterher rennen und versuchen sie mit ihren Köpfen zu schlagen.
Der Guard vorne an dem Tor von unserer „Gated Community“ kennt mich inzwischen auch schon. Ich habe nie großartig mit ihm geredet, aber er ist wohl zum Schluss gekommen, dass ich als Deutsche hier wahrscheinlich am besten Englisch kann, weshalb er mich seit Neustem, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, immer nach der Aussprache von irgendwelchen englischen Wörtern fragt, die ich in meinem Leben noch nie gehört habe.
Ich war mit meiner Familie letztens zum ersten Mal einkaufen. Was hier ein normaler Supermarkt ist, ist bei uns in Berlin die Metro. So groß wie dieser Supermarkt ist, so groß sind auch alle Verpackungen, die man dort kaufen kann. Nächstes Mal dann wieder in zwei Wochen.
Auf dem Weg zur Arbeit lauern jetzt nicht mehr nur die Hunde hinter den Zäunen, sondern mittlerweile fährt ab und zu ein riesiger roter Laster morgens an mir vorbei, der eine Hupe hat, die man durch die ganze Nachbarschaft hört. Und der Fahrer ziert sich nicht, diese jedesmal wenn er mich sieht beherzt zu bedienen, was bedeutet, dass ich mich unglaublich erschrecke, wenn die Hupe auf einmal neben mir ertönt und er sich doppelt amüsiert.
Meine Arbeit im Projekt hat sich nach den ersten Wochen etwas verändert. Auf einmal sollte ich jeden Tag im Garten arbeiten, was, wenn man Stunden bei praller Sonne arbeiten muss, echt anstrengend sein kann. Irgendwann war ich dann sogar froh, wenn es ab mittags wieder geregnet hat. Eine Alternative, um sich zu erfrischen, waren auch Wasserschlachten, die ein oder zweimal im Garten stattfanden. Als es an einem Nachmittag geregnet hat und es nichts anderes zu tun gab, sind Laura und ich zu den Malern gegangen. Dort durften wir dann einen Baum bemalen, bis der eine Maler entschieden hat, dass wir jetzt den Boden putzen sollen. Da war dann die Arbeit bei den Malern auch nicht mehr so attraktiv. Mittlerweile ist meine Woche so eingeteilt, dass ich jeden Tag jemand anderem helfen soll, wodurch ich einen Tag habe wo ich zu den Kindern in die Klassen darf. Mal sehen ob sich das aber tatsächlich ermöglichen lässt, da ich keinen Tag habe, wo kein Sport- Englisch- oder Deutschunterricht stattfindet. Es ist nun mal ungünstig immer mal wieder für nur eine halbe Stunde in die Klassen zu schauen.
Mit dem Ende des Oktobers hat hier die Weihnachtszeit angefangen. Jetzt stehen hier zwischen Palmen in der Sonne prall geschmückte Tannenbäume und überall im Projekt hängen Lichterketten, Schneeflocken wurden an die Fenster gemalt und an jeder Ecke läuft Weihnachtsmusik.
(Shirley, Hannes und Laura – wie wir den künstlichen Tannenbaum aufstellen)
Hier mussten wir jeden Zweig einzeln so zurechtbiegen, dass er gut aussah. Shirley hat die einzelnen Zweige an einem Ast aber immer so angeordnet, dass sie wie ein Stern in alle möglichen Himmelsrichtungen abstanden und nicht annähernd echt aussahen. Da habe ich mich ernsthaft gefragt, ob sie sich eigentlich mal einen Tannenbaum genauer angeschaut hat.
Auch meine Familie hier hat letztes Wochenende endlich den Tannenbaum aufgestellt und mit 7 Lichterketten versehen. Da es hier so etwas wie einen Adventskalender nicht gibt, dachte ich mir, bringe ich mal etwas gute deutsche Kultur hierher und bastle meinen Gastgeschwistern einen. Ich mag es eigentlich, dass man sich hier so viel Zeit für Weihnachten nimmt und das so auslebt, ich bin aber leider selber noch nicht richtig in Weihnachtsstimmung. Das kommt dann hoffentlich im Dezember.
Die Wochenenden habe ich bisher unterschiedlich verbracht. Einmal war ich in La Fortuna beim Vulkan Arenal, einem Wasserfall und einem Fluss, der durch oder an dem Vulkan vorbei geht, und somit natürlich warm ist. Hier hatten wir eine Führung mit einem Guide, der im Dschungel als Kind gewohnt hat und uns diesen als seinen Garten vorgestellt hat. Er hatte auch ein sehr gutes Auge für Tiere, die man so ohne weiteres nicht einfach gesehen hätte. So habe ich an diesem Wochenende zum ersten Mal Affen in freier Wildbahn gesehen.
Ein anderes Mal war ich in Atenas bei Sophie, wo angeblich das beste Wetter der Welt sein soll. War auch tatsächlich ganz angenehm da. Als ich zu Sophie gefahren bin, war es das erste Mal, dass ich hier komplett alleine unterwegs war. Ich muss sagen es ist machbar, aber ich war fast die ganz Zeit angespannt, vor allem, als der Busfahrer spontan entschieden hat, eine andere Route einzulegen. Man kann sich hier kaum auf die Pläne verlassen, zumal es auch sein kann, dass es eben 3 verschiedene Fahrpläne gibt.
(Atenas ist ein Dorf in Alajuela, westlich von San José. Hier lebt Sophie zusammen mit riesen Hühnern.)
In den letzten Monaten ist mir aufgefallen, wie viele junge Mütter es hier gibt. Vor etwa einem Monat habe ich noch erzählt, wie Sofia, die Gastschwester (18 Jahre) von Laura, diverse Freunde hat, die eine Baby Shower schmeißen, oder sogar schon Kinder haben. (Für alle, die es nicht wissen: Eine Baby Shower ist eine Feier, die die schwangere Mutter veranstaltet und dort dann Geschenke für ihr Baby bekommt.) Diese besagte Gastschwester, wer hätte es gedacht, weiß seit einer Woche nun auch, dass sie schwanger ist – zur Trauer ihrer Mutter und Tante. Zu Laura, die etwas überfordert mit dieser Nachricht gefragt hat, ob sie denn glücklich damit sei, antwortete Sofia: „Aber Laura, hast du dir denn nie ein Baby gewünscht?“
Ansonsten habe ich noch nicht viel von Costa Rica gesehen, aber mich hat beeindruckt, dass neben Palmen Nadelbäume stehen. Und, dass man neben dem Strand direkt einen Vulkan hat und daneben Dschungel. Costa Rica ist einfach so vielfältig – leider aber auch echt teuer. Dafür, dass der Lebensstandard so niedrig ist, sind die Lebenshaltungskosten echt hoch.
Freunde habe ich bisher eigentlich nur aus dem Projekt. Sie sind entweder über 21 oder 15 Jahre alt. Es ist aber auch nach wie vor schwierig mit Gruppen unterwegs zu sein, weil ich die Unterhaltungen in Gruppen schlecht verstehe. Einer, Christian, geht übrigens davon aus, dass ich gar nichts verstehe und redet dann immer mit Laura und fragt sie Dinge über mich. Da muss ich noch ein bisschen an meinem Image arbeiten. Ansonsten läuft’s aber gut.
Was für mich noch etwas gewöhnungsbedürftig ist, ist dass man ständig von diversen Menschen gewarnt wird, alleine raus zugehen, vor allem im Dunkeln. Und, dass man des Öfteren von Schießereien erzählt bekommt, die an der Bushaltestelle, in der Mall oder unter der Brücke, Orte an denen ich mich durchaus aufhalte, stattgefunden haben. Beruhigt wird man aber immer damit, dass das alles Personen aus dem, hier unterschwellig herrschenden, Narcos-Krieg sind und ich deshalb davon nicht betroffen sein werde.
(Hannes’ Baby-Katze „Lucky“ – Laura und (Meine Gastmutter Natalia und ich
ich fanden den Namen Mathio besser) auf dem Weg zur „Isla Tortuga“)
Naja, Lieben Gruß!