Wie viel ist (d)ein Kaffee wert?

8. November 2023

Kaffee ist das beliebteste Getränk der Deutschen, noch vor Bier und Mineralwasser – Stand 2023 wird in Deutschland so viel Kaffee getrunken, wie nie zuvor. Dennoch ist den meisten wohl kaum bekannt, wie Kaffee eigentlich angebaut und bepreist wird.

Kaffeeernte

Kaffee ist ein aus Äthiopien stammender immergrüner Strauch. Sein Anbau ist langwierig und zeitaufwendig. Erst nach drei bis vier Jahren blüht die Pflanze zum ersten Mal, vorher gibt es keinen Ertrag. Weltweit im großem Stil angebaut werden Arabica- und Robusta-Pflanzen, wobei in Costa Rica ausschließlich Arabica angepflanzt werden darf.

Reif ist eine Kaffeefrucht, wenn sie dunkelrot ist. Eine Kaffeefrucht bzw. -kirsche enthält dabei zwei Kaffeebohnen. Da die Früchte nicht alle gleichzeitig reif sind, muss jeder Kaffeebusch bis zu drei, vier Mal “bepflückt” werden. Geerntet werden die Früchte – per Hand – meist von Gastarbeiter:innen, überwiegend aus Nicaragua. Für sie eine dringende Einnahmequelle. Bezahlt wird nach Kilo. Wenn man wirklich viel und schnell pflückt, kann man am Tag wohl zwischen 20 und 30€ verdienen, je nachdem wie viel die Finca pro Pflückkorb (sog. „Cachuela“) bezahlt. Ca. 180 Kilo Kaffeekirschen hat man dann geerntet. Also gilt: je mehr man pflückt, desto besser. Das hat Auswirkungen. Zum Beispiel, dass die Menschen die ganze Woche durchpflücken, auch am eigentlich freien Sonntag. Da die Pflücker:innen über mehrere Monate hier leben, müssen sie ihre Kinder mitbringen. Heißt dass Kinder, sobald sie alt genug sind, oft mitpflücken – und bei jedem Wetter 10h und mehr mit im oft sehr steilen Kaffeeberg stehen.

Kaffeeverkauf

Geerntet wird der Kaffee in der Region rund um San Andrés de León Cortes, wo auch die VISIONEERS Finca steht, von Ende Oktober bis Februar. Die Bohnen der VISIONEERS Finca werden (noch), wie die meisten anderen auch, auf dem einzigen, aber leider für die Kaffeebauer:innen im Vergleich auch unwirtschaftlichsten Weg verkauft: sie gehen als ganze Frucht an Zwischenhändler:innen (sog. “Cooperativas”). Dort werden die Bohnen mit anderen gemischt, geschält, geröstet und dann exportiert. Wo ihre Bohnen am Ende landen und verwertet werden, wissen die Bauer:innen dabei nicht. Auch die Preisfestlegung erscheint intransparent und die Kaffeebauer:innen haben wenig bis keinen Verhandlungsspielraum. Weder Kaffeebauer:innen und Pflücker:innen werden hierbei angemessen für ihren Einsatz entlohnt, obwohl sie diejenigen sind, die mit Anbau und Ernte die meiste Arbeit haben.

Wir sprechen mit Ronald, einem erfahrenen befreundeten Kaffeebauern aus San Andrés. Er baut auf ca. 42.000m2 Kaffee an und ist damit einer der Größeren hier in der Gegend. Die Gegend ist sehr landwirtschaftlich geprägt, so hängt über 90% der Bevölkerung vom Kaffeeanbau ab. Überwiegend sind es kleinbäuerliche Betriebe.

Letztes Jahr hat Ronald etwa 36.000 kg Kaffee geerntet und damit umgerechnet ca. 27.000€ verdient. Das sind 0,75€ pro Kilo Kaffee. Umsatz, kein Gewinn – ein schlechtes Jahr. Davon müssen die Pflücker:innen bezahlt und alle weiteren Kosten gedeckt werden, die rund um die Finca über das gesamte Jahr anfallen. Im Vorjahr fiel noch etwa 10.000€ mehr Umsatz ab. Verständlich, dass Ronald auch auf den Verkauf von Avocados angewiesen ist, die teilweise als Schattenbäume zwischen den Kaffeepflanzen wachsen. Wie hoch der Kaffeepreis für die aktuelle Ernte ausfallen wird, weiß er noch nicht.

Kaffeepreisentwicklung

Kaffee ist ein börsennotiertes Handelsgut, dessen Preis teils extremen Schwankungen unterliegt. Der Preis, den die Endverbraucher zahlen, hängt neben Angebot und Nachfrage von vielen weiteren Faktoren ab: Ernteerträge, zunehmende Klimaeinflüsse, politische Stabilität in den Anbauländern, Vertriebskosten etc. Die mit Abstand weltweit größten Kaffeeproduzent:innen sind Brasilien, Vietnam und Kolumbien. Je nachdem, wie viel Kaffee in diesen Ländern produziert wird, beeinflusst das auch die Bauer:innen hier in Costa Rica.

Diese Preisschwankungen wirken sich natürlich stark auf die Einnahmen der Kaffeebauer:innen aus, sind gefährlich und können ganze Regionen in den Ruin treiben, während sich der Endkunde in Europa vielleicht – unwissend ob der dramatischen Lage in den Anbauländern – über günstigere Preise freut. Wie oben schon erwähnt bestimmen im Kaffeehandel nicht die Kaffeebauer:innen selbst die Preise, sondern die Händler:innen. Etwa 85% des Kaffeehandels wird von wenigen Großkonzernen dominiert. Sie kaufen große Mengen an Kaffeebohnen auf und lagern diese ein, haben damit große Verhandlungsmacht.

Dennoch befindet sich der Kaffee Weltmarktpreis – global gesehen – seit einigen Jahren eigentlich auf einem Höchststand, trotz Schwankungen. Das liegt aber nicht an höheren Margen der Kaffeebauern, sondern an der Verknappung von Kaffeebohnen, z.B. aufgrund schlechterer Ernten durch Extremwetter. Und es liegt an der steigenden Nachfrage, denn der weltweite Kaffee-Konsum wächst – siehe Deutschland. Dass die Bauer:innen in San Andrés trotzdem weniger verdienen, mag mit den oben genannten Abhängigkeiten zu den großen Kaffeeanbaugebieten zusammenhängen. Es ist ein komplexes System, und genau weiß es Ronald auch nicht.

Lösungswege

Solche Probleme gibt es wohl fast überall, wo Kaffee angebaut wird. Es gibt weltweit Projekte, die dem entgegenwirkten wollen, indem sie die Kleinbauer:innen z.B. dabei unterstützen, die Kaffeeverarbeitungsschritte (waschen, schälen, trocknen, rösten) selbst durchzuführen und dann unabhängig von Zwischenhändler:innen den Kaffee selbst zu verkaufen. Auch die Vision der VISIONEERS Finca ist es, hier bald einen alternativen Ausweg anzubieten.

Auch darüber sprechen wir mit Ronald. Auch seiner Meinung nach könnte es ein Ausweg sein, wenn sich mehrere Fincas in San Andrés zusammentun würden, um selbständig Kaffee zu verkaufen. Das würde allerdings viel Aufwand, Zeit und Mühe nach sich ziehen, die man erst einmal haben muss: hohe initiale Kosten für die Anschaffung von Maschinen, Aufbau einer eigenen Kaffee-Marke mit entsprechendem Design (und Fachpersonal), längere und aufwendigere Verarbeitung, Aufbau eigener Marketing- und Vertriebswege etc. Geerntet werden dürfte nur die allerbeste Qualität an Bohnen, was einen höheren Ernteaufwand und höhere Bezahlung für die Pflücker:innen bedeuten würde. Und: die Kaffeeverarbeitung ist ein hochsensibler Prozess, bei dem jeder Verarbeitungsschritt Auswirkungen auf den Geschmack haben kann. Hier muss viel ausprobiert, Erfahrungen gesammelt und der Prozess stetig weiterentwickelt werden. Das dauert Jahre.

Dabei gibt es hier in der Kaffee-Region los Santos schon erfolgreiche Projekte in die Richtung. Zum Beispiel das Haug Cafe, ein Familienunternehmen das sich für eine nachhaltige Kaffeeproduktion einsetzt. Das Haug Cafe verarbeitet nicht nur seinen eigenen Kaffee von der Pflanze bis zur Tasse selbst, sondern bietet auch Kleinbauer:innen die Möglichkeit, ihren Kaffee rösten zu lassen. Um eben genau der oben beschriebenen Abhängigkeit von den großen Kaffeekonzernen entgegenzuwirken. Auch die hier ansässige Cooperativa Dota oder ”Coopedota”, ein Zusammenschluss aus vielen Kleinbauer:innen, achtet auf nachhaltigen Kaffeeanbau und möchte ihren Kaffee national und international selbst vermarkten. Die Frage, warum die Bauer:innen in San Andrés dort nicht partizipieren, konnten wir für uns noch nicht abschließend beantworten.

Quellen, neben Interviewpartner Ronald:

  • https://www.happycoffee.org/blogs/kaffeemarkt/fairer-handel
  • https://www.happycoffee.org/blogs/kaffeemarkt/kaffee-weltmarktpreis-fairtrade/
  • https://joliente.com/der-kaffeepreis-hintergrunde-erklarungen-und-eine-prognos
  • https://www.ibisworld.com/de/bed/weltmarktpreis-fuer-kaffee/430/
  • https://www.roastmarket.de/magazin/kaffeepreise-die-entstehung-und-entwicklung/
  • https://www.finanzen.net/rohstoffe/kaffeepreis
  • http://www.ico.org/new_historical.asp