SAYÛ – oder auch: helfen
„Sayû“ bedeutet in der indigenen costa-ricanischen Sprache Boruca „helfen“ und „unterstützen“ und genau das spiegelt unser Projekt auch wider.
Vorstellung
Buenos días, wir sind Aline und Clara. Seit nun zwei Monaten sind wir Freiwillige der „Fundación SAYÛ“ in Quepos. SAYÛ ist eine junge Organisation, die 2020 mit dem Ziel gegründet wurde, die zentralpazifische Region um Quepos ganzheitlich zu unterstützen.
Unsere Arbeit
Unsere Aufgabe in der Organisation ist es, die sprachliche und musikalische Bildung zu fördern. Der Unterricht findet in dem Kulturhaus von Quepos statt und ist für jede Altersgruppe kostenlos zugänglich.
Zum einen unterrichten wir Englisch für Gruppen, die derzeit aus Schüler:innen im Alter von 10 bis 65 Jahren bestehen. Zum anderen geben wir Musikunterricht für eine Gruppe von Anfänger:innen, denen wir versuchen, die musikalischen Grundlagen wie Notenwerte, -namen und Taktarten, spielerisch zu vermitteln sowie einer Gruppe von Fortgeschrittenen. Zwei Klarinetten, zwei Saxophone, zwei Posaunen und eine Querflöte bilden dabei momentan die Gruppe an Blasinstrumenten. Das Ziel des Musikunterrichts ist es, eine Marching Band aufzubauen, an der jede:r, unabhängig von der finanziellen Situation, teilhaben kann. Marching Bands sind in Costa Rica ein großer Teil der Kultur und treten bei nationalen Feiertagen, wie dem Unabhängigkeitstag am 15. September, in Paraden auf.
Die ersten Eindrücke
An unseren ersten Tagen in Quepos wurde das Kulturhaus wiedereröffnet, wo wir Zury und Christian, unsere Chefs sowie einige weitere Leute aus Quepos kennenlernten. Wir wurden herzlich empfangen und haben die Organisation SAYÛ als engagiert und motiviert wahrgenommen.
Die erste Arbeitswoche bei SAYÛ haben wir damit verbracht, Ideen zu sammeln und unseren Stundenplan zu gestalten. Da wir die ersten Freiwilligen in diesem Projekt sind, die in dem Bereich der musikalischen und sprachlichen Bildung arbeiten, wussten wir anfangs nicht, was uns erwarten wird und welches Niveau die Schüler:innen haben werden. Die Unterrichtsvorbereitung war deshalb gar nicht so einfach. Insgesamt haben sich 70 Schüler:innen angemeldet, die wir je nach Verfügbarkeit in Gruppen auf die Tage Mittwoch, Freitag, Samstag und Sonntag aufgeteilt haben. Am Freitagabend trat die Folklore-Tanzgruppe von SAYÛ anlässlich des Unabhängigkeitstages, im Hafen von Quepos, auf. So lernten wir an diesem Abend nicht nur den traditionellen costa-ricanischen Tanz, sondern auch weitere Mitglieder:innen der Organisation kennen. Im Anschluss waren wir noch gemeinsam Abendessen, wodurch wir uns direkt integriert fühlten.
Der Start ins Projekt
In der zweiten Woche sollte dann auch schon der Unterricht starten. Vor unserer ersten Unterrichtsstunde waren wir zwar nervös, aber auch gespannt auf die Zusammenarbeit mit den Schüler:innen. Die ersten Stunden waren geprägt von Spontanität und Kreativität, da das Niveau in der Realität niedriger war als bei der Anmeldung angegeben. Weiterhin wurden wir sprachlich, vor allem im Musikunterricht, herausgefordert und mussten uns das musikalische Vokabular erst einmal aneignen.
Schließlich stellte sich am Ende der Woche heraus, dass statt der 70 angemeldeten Leute nur etwa die Hälfte tatsächlich zum Unterricht kommt. Unseren Chef Christian hat dies nicht sonderlich überrascht. Er sagt, dass sich die meisten Ticos, wie man die Costa Ricaner hier nennt, Freizeitaktivitäten gegenüber nicht verpflichtet fühlen.
Am Wochenende haben wir außerdem unsere Blasinstrumentengruppe kennengelernt. Die Schüler:innen erhalten seit einem Jahr Instrumentalunterricht, welchen wir jetzt weiterführen. Besonders hervorheben sollte man, dass keiner der Schüler:innen Unterricht von Lehrer:innen erhalten hat, die selbst auch das jeweilige Instrument spielen. Wie oben bereits erwähnt, ist der Musikunterricht kostenlos, die Instrumente werden von SAYÛ gestellt und die Mitwirkenden arbeiten ehrenamtlich. Finanziell ist es daher nicht möglich, professionelle Instrumentallehrer:innen einzustellen. Die Schüler:innen lernten mit Musikheften und YouTube-Videos die Grundlagen (Griffe und Notenwerte). Es ist sehr beeindruckend, wie motiviert die Musikschüler:innen nach einem Jahr des zähen und schleppenden Lernens geblieben sind.
Persönlicher Bezug zur Musik
Da wir beide seit mehr als zehn Jahren Klarinette lernen und in Orchestern aktiv sind, macht uns der Unterricht mit den Klarinetten am meisten Spaß. Hier können wir unser Wissen am besten einbringen und weitergeben. Trotzdem mussten wir uns dafür aber erst einmal das System der Böhm-Klarinette, welches weltweit, außer im deutschsprachigen Raum, verwendet wird, aneignen. Im Unterricht und bei den Proben können wir die neuen Griffe noch festigen. Neben unserem Spanisch stärken wir somit auch das neu gelernte Klarinettensystem.
Im Gegensatz dazu gestaltet sich der Unterricht mit den anderen Blasinstrumenten schwieriger, weil wir die Instrumente nicht selber spielen. Dass wir als Klarinettistinnen überhaupt andere Instrumente unterrichten würden, war uns vorher nicht bewusst. Um ehrlich zu sein, waren wir im ersten Moment auch ein wenig darüber schockiert, als wir dies erfahren haben. Da wir in Deutschland eine andere musikalische Bildung erhalten haben, war es für uns nur schwer vorstellbar, dass dieses Konzept umsetzbar ist. Das Lernen hier funktioniert anders als wir es kennen, aber wir konnten bis jetzt schon einige Fortschritte bei den Schüler:innen wahrnehmen.
Bei den Proben mit allen Instrumenten zusammen werden wir von Yoxan, dem vorherigen Musiklehrer, weiterhin unterstützt. Er hat sich das Klavier-, Gitarre- und Trompetenspielen selbst beigebracht, obwohl er, wie viele Musiker:innen in Costa Rica, auch keine theoretische Musikbildung erhalten hat. Yoxan freut sich daher, wenn wir ihm in der Musiktheorie Tipps geben können, wohingegen wir sehr erleichtert über seine Erfahrung im Unterrichten sind. Der gegenseitige Austausch ist nicht nur lehrreich, sondern macht auch viel Spaß. So vergingen unsere ersten Wochen ziemlich schnell und keine Woche war wie die vorherige.
Der geplante Auftritt
Anfang Oktober haben wir erfahren, dass wir als Marching Band an der Parade zum „Cantonato“, dem Jahrestag von Quepos, teilnehmen werden. Das hat uns sehr gefreut, da wir nun ein Ziel hatten, auf das wir mit der Gruppe hinarbeiten konnten. Als wir im nächsten Moment dann aber das Datum erfuhren, waren wir erneut ein wenig schockiert. Das Cantonato war bereits am 30. Oktober, was bedeutete, dass uns noch etwa vier Wochen zur Vorbereitung zur Verfügung standen. Der Optimismus der Ticos und Ticas ist wirklich sehr beeindruckend, denn eine Marching Band existierte zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Zum einen glaubten wir, dass unsere Schüler:innen noch nicht so weit sind, zum anderen bestand die Gruppe aus nur sieben Blasinstrumenten, die zuvor noch nie gemeinsam als Gruppe musiziert hatten. Trotzdem waren wir beide die Einzigen, die diesem Ziel eher kritisch gegenüberstanden und an der Umsetzbarkeit innerhalb eines Monats zweifelten.
Eine Musiklehrerin aus Parrita, die bereits mit einer bestehenden Percussion-Gruppe (Percussion = Schlagwerk) übte, sollte uns bei dem Vorhaben unterstützen und die Leitung für die Marching Band mit unseren Blasinstrumenten übernehmen. Sie war sehr zuversichtlich, konnte uns aber nicht alle unsere Zweifel und Vorbehalte nehmen.
Proben über Proben
So strukturierten wir unseren Stundenplan um, damit wir die zeitaufwendigen Proben schnellstmöglich umsetzen konnten. Die Gruppe musste sich nun auf mehrere Stunden pro Woche gefasst machen, in denen sie mit Yoxan und uns beiden für die immer näher rückende Parade üben musste.
Bereits nach zwei Proben mit den Blasinstrumenten fand die erste Gesamtprobe mit der Percussion-Gruppe aus dem Nachbarort Parrita statt, welche aus etwa 30 Musiker:innen besteht. Neben dem Marschieren in einer großen Gruppe und dem gleichzeitigen Spielen der Blasinstrumente, mussten wir auch das erste Stück schnellstmöglich auswendig lernen. Dass wir die Stücke auswendig spielen sollten, erfuhren wir wieder einmal eher kurzfristig. Unsere Schüler:innen waren sehr beeindruckt von den vielen neuen Eindrücken und Möglichkeiten, die sich durch eine große Musikgruppe ergeben. Die vierstündige Gesamtprobe war unserer Meinung nach erfolgreich, jedoch auch sehr anstrengend.
Auch die nächste Woche war gefüllt mit vielen Proben und der anschließenden Gesamtprobe am Sonntag. Zu dieser sollten wir insgesamt drei Stücke vorbereiten und auswendig spielen können, was für eine Anfänger:innengruppe in so kurzer Zeit nur schwer möglich war. Dementsprechend konnte die Marching Band das gewünschte Ziel der Leiterin in dieser zweiten Gesamtprobe noch nicht erreichen. In unserer dritten Probenwoche erfuhren wir, dass die Leiterin deshalb das Projekt abbrach. Somit gab es für die Band keine Leitung mehr, weshalb unser erster Auftritt nicht mehr möglich war. Enttäuschung und Verständnislosigkeit machten sich in der Gruppe breit.
Der nächste Versuch
Wir lassen uns davon jedoch nicht unterkriegen, sondern sehen das Positive in der Situation. Wir haben in den zwei Wochen alle super viel gelernt und das gemeinsame Musizieren genossen. Somit haben wir nun neue Motivation und bereiten uns mit mehr Vorbereitungszeit auf unseren Auftritt an Weihnachten vor. Wer von euch am 17. Dezember zufälligerweise in Quepos ist, ist herzlich dazu eingeladen 🙂
Mit Blick auf das nächste Jahr
Das Projekt SAYÛ nahm trotzdem an der Parade zum „Cantonato“ mit der Folklore-Tanzgruppe teil. Unsere Aufgabe war es, an diesem Tag Fotos zu machen. Außerdem konnten wir die verschiedenen Marching Bands bewundern und freuen uns jetzt, unsere Schüler:innen im nächsten Jahr dort zu sehen.
Insgesamt waren unsere ersten Monate in Quepos sehr spannend und abwechslungsreich, wenn auch oft chaotisch. Anfangs waren die Arbeit und das Leben hier geprägt von vielen neuen Eindrücken und Aufgaben, trotzdem sind wir glücklich, dass sich langsam ein Alltag einspielt. Wir sind gespannt auf die kommende Zeit im Projekt SAYÛ und freuen uns auf die bevorstehenden Aktivitäten.
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