Peru- Meine ersten Eindrücke

3. November 2022   |   Fenja Beckord

Peru- Meine ersten Eindrücke

Es ist nun schon sechs Wochen her, seit ich frühmorgens, nach knapp 17 Stunden Flug in Lima, Peru gelandet bin. Trotz einer etwa neunmonatigen Vorbereitung auf meinen Freiwilligendienst, wusste ich doch nicht so recht, was mich erwarten wird.

Ich hatte also nur zwei Gedanken. Ich hoffte inständig, dass mein Gepäck da sein und dass mich jemand abholen würde. Und tatsächlich konnte ich sowohl meinen unversehrten Rucksack vom Gepäckband nehmen und wurde bereits von Maribel erwartet, die vor dem Flughafen stand, um mich abzuholen. Ich war also zunächst erleichtert. Doch dann sind wir mit einem Taxi in Richtung des Hotels gefahren und das war definitiv nichts für schwache Nerven. In Lima wird wild gehupt, rote Ampeln werden ignoriert und geordnete Fahrbahnspuren lassen sich höchstens erahnen. Allerdings siegte meine Neugier über meine Angst, sodass ich fasziniert aus dem Fenster schaute und alle neuen Eindrücke in mich aufsaugte.

Es folgten drei Tage, in denen ich das peruanische Großstadtleben etwas näher kennenlernen konnte. Neben der unerwarteten Feststellung, dass es im peruanischen Winter verdammt kalt sein kann, habe ich zum ersten Mal den Pazifik gesehen und „Chifa“ gegessen, ein an die chinesische Küche angelehntes Gericht. Ein wenig Kulturprogramm war auch dabei. Ich besichtigte die ‚Huaca Pucllana‘, eine der alten Ruinen, die noch den Anfängen der Lima-Kultur zuzuordnen ist. Daneben musste ich allerdings schnell feststellen, dass hier in Peru öfter mal alles ein wenig chaotisch und ungeplant ist. Ich weiß nicht, wie viele Stunden ich allein innerhalb der ersten drei Tage mit Warten verbracht habe. Nicht einmal meine Verabredungen sind pünktlich gekommen. Dabei handelt es sich nicht nur um ein paar Minuten Verspätung, sondern bis zu zwei Stunden. Ich kann jetzt schon sagen, dass das etwas ist, woran ich mich gewöhnen muss, was mir aber bei meiner pünktlichen Art manchmal noch schwerfällt.

Neues Zuhause

Nach den drei Tagen fuhr ich am Samstagabend weitere zehn Stunden mit einem erstaunlich komfortablen Nachtbus an mein eigentliches Ziel, der Villa Rica. Das ist ein Städtchen in der Selva, der Regenwaldregion Perus, bestehend aus drei betonierten Hauptstraßen, von denen zahlreiche Nebenstraßen aus Schotter und Staub ausgehen.

Hier sind mir vor allem die einfach gebauten Häuser aufgefallen, die oft aus Blech bestehen. Zudem verfügt hier nicht jede:r über einen Wasseranschluss und warmes Wasser ist eine Seltenheit. An vielen Straßenrändern sammelt sich der Müll und Hygienemaßnahmen sind oft nur schwer umsetzbar. Je weiter man sich vom Zentrum entfernt, desto auffälliger wird die Armut. Das war im ersten Moment doch recht bedrückend für mich. Mir wurde bewusst, dass meine tägliche heiße Dusche und meine Heizung, die ich wie selbstverständlich nachts aufdrehen kann, wenn mir kalt sein sollte, alles andere als selbstverständlich sind. Seitdem ich darauf verzichten muss, lerne ich diese Privilegien, die ich habe, sehr zu schätzen.

Ich will hier aber natürlich auch die schönen Seiten hervorheben, denn Villa Rica ist mir echt sympathisch. Wenn man etwas braucht, muss man nur eine der drei Hauptstraßen entlanggehen und in einem der unzähligen kleinen Läden findet man schon etwas Passendes. Am Marktplatz gibt es auch einige kleine Cafés, in denen man den Kaffee aus Villa Rica oder einen frisch gepressten Fruchtsaft genießen kann. Die Highlights sind für mich die „Mirador La Cumbre“, eine Anhöhe von der aus man ganz Villa Rica sehen kann, und der „Laguna El Oconal“, ein See, den man mit kleinen Booten befahren kann. Sie sind auf jeden Fall einen Besuch wert. Die Menschen in Villa Rica sind nett und freundlich und auch das Team, mit dem ich hier zusammenarbeite, hat es mir sehr einfach gemacht, mich zurechtzufinden und in der ‚Familia Atiycuy‘ anzukommen. Die Organisation „Atiycuy Perú“, bei der ich ein Jahr arbeiten werde, hat ein eigenes Grundstück mit zwei Gebäuden für Büros und Unterkunft. Ich war positiv überrascht davon, wie schön die Anlage mit ihrem großen Garten und den unzähligen Pflanzen ist. Neben uns vier Freiwilligen, den beiden Hunden und der Schildkröte, schlafen auch einige Mitarbeiter:innen unter der Woche auf dem Gelände. Es ist also immer etwas los.

Das Projekt

Ich möchte hier kurz erklären, was Atiycuy Perú überhaupt macht und mit welchem Ziel. Die Arbeit der NGO fokussiert sich auf die nachhaltige Entwicklung des Regenwaldes. Der Hauptteil besteht dabei aus der Zusammenarbeit mit den Yanesha-Gemeinschaften (den Comunidades). Das Projekt ist in Peru einmalig, denn es umfasst die Bereiche Armutsbekämpfung, Menschenrechte, Identität und Kultur genauso wie den Natur- und Umweltschutz. Umgesetzt wird das Ganze in fünf Programmen: Das Kinderprogramm ANNA (Acompañamiento de niños, niñas y adolescentes), das Naturschutzprogramm COBIO (Conservación y Biodiversidad), das Umweltbildungsprogramm GEA (Gestión Educación Ambiental), das Kulturerhaltungsprogramm REYA (Rescate Yanesha) und CC.NN (Comunidades Nativas) zur Stärkung der Gemeinschaften. Atiycuy arbeitet also auf vielfältige Art und Weise mit den Menschen und der Natur, um zu einer nachhaltigen Entwicklung des Regenwaldes beizutragen.

Ich arbeite in dem Programm Comunidades Nativas. Das Programm hat das Ziel, die indigenen Gemeinschaften in ihrer Selbstverwaltung und Dorfentwicklung zu stärken. Dafür erarbeiten die Comunidades in Begleitung unseres Teams eine eigene Dorfverfassung, um ihre Rechte verteidigen zu können.

Ein typischer Tag in meinem Projekt

Jeder Tag verläuft hier ein wenig anders, trotzdem beschreibe ich einmal meinen Tagesablauf. Prinzipiell wird den ganzen Tag gearbeitet, von 8:30 Uhr – 13:00 Uhr und nach der Mittagspause von 14:30 Uhr – 18:30 Uhr. Mein Tag beginnt etwa um 8:00 Uhr. Wir frühstücken gemeinsam mit allen, die gerade im Haus wohnen, bevor es dann um halb neun (meistens eher um neun) an die Arbeit geht. Im Büro stehen verschiedenste administrative Aufgaben auf dem Plan. Alle Aktivitäten müssen geplant und dokumentiert, Listen und Protokolle aktualisiert und digitalisiert und Berichte rechtzeitig eingereicht werden. Um 19:00 Uhr gibt es Abendessen und danach ist Zeit für Freizeitaktivitäten. Mal mache ich Sport im Fitnessstudio nebenan, mal gehen wir noch mit denen, die Lust haben, ein bisschen raus oder wir sind alle so fertig und müde, dass wir früh schlafen gehen.

Meine Arbeit in den Comunidades

Normalerweise sind wir aber an mehreren Tagen der Woche in den Comunidades unterwegs. Das bedeutet, dass ich mich zwischen 4:00 Uhr und 6:00 Uhr am Morgen auf den Weg machen muss, da die Fahrt, je nachdem wo es hingeht, ca. zwei bis vier Stunden dauert. In manche Dörfer führt auch keine Straße, also wandert man noch einige Kilometer in Gummistiefeln durch den Regenwald bis zum Ziel. Dabei sieht man viel von der wunderschönen Landschaft, durchquert Flüsse und lernt etwas über die verschiedensten exotischen Pflanzen und Tiere. Wir verbringen dann den Tag im Dorf, arbeiten mit den Bewohner:innen an der Verfassung oder diskutieren akute Probleme und die nächsten Lösungsschritte, die anstehen. Das variiert allerdings immer, da jede Comunidad mit anderen Hindernissen zu kämpfen hat. Meist machen wir uns dann im Laufe des Tages wieder auf den Rückweg und kommen abends in Villa Rica an. Ab und zu bleiben wir aber auch ein oder zwei Nächte im Dorf.

So zum Beispiel auch bei unserer Expedition in die Comunidad San Francisco de Azupizú, welche nur über einen siebenstündigen Wanderweg durch den Urwald erreichbar ist. Das war ein echtes Abenteuer, denn die Anstiege sind durchaus anspruchsvoll und da die Regenzeit bereits begonnen hat, waren die Wege schlammig und wir die meiste Zeit klitschnass. Als sich dann aber mittags endlich die Sonne gezeigt hat und es immer schwüler wurde, haben wir uns den Regen ganz schnell zurückgewünscht. Trotz der Anstrengung war es wunderschön durch den Primärwald, der also fast gänzlich von menschlichem Einfluss unberührt ist, zu wandern.

Meine Aufgabe in den Gemeinschaften besteht darin, alles in Form von Fotos festzuhalten, alle Materialien vorzubereiten und die Teilnehmerlisten zu führen. Dabei habe ich die Möglichkeit, viel mit den Menschen in Kontakt zu treten und ihr Leben und die Kultur kennenzulernen. Da sich die Yanesha darüber freuen, wenn man ein paar Worte in ihrer Sprache sagen kann, haben wir jeden Montag Yeñoño-Unterricht bei Maestro Jeronimo, der extra aus seinem Dorf bis nach Villa Rica kommt und versucht, uns einige Worte und Sätze dieser komplizierten Sprache beizubringen. Das klappt mal mehr, mal weniger erfolgreich, aber wir geben unser Bestes 🙂

Ich freue mich auf die weitere Zeit in Peru und bin auf all das gespannt, was mich noch erwartet.

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