Homeschooling ist das Schlüsselwort in der aktuellen Debatte um die Schulschließungen. Während seit Monaten viel diskutiert wird, wie Homeschooling in Familien gestaltet werden kann und welche Notbetreuung Eltern zur Verfügung steht, werden Wohngruppen in der öffentlichen Debatte größtenteils außen vor gelassen – obwohl hier der Bedarf besonders hoch ist. Kinder und Jugendliche, die aus schwierigen Lebensverhältnissen kommen und bereits einen schweren Start ins Leben hatten, droht eine zunehmende Bildungslücke. VISIONEERS e. V. beteiligt sich am Projekt „Mobile Jugendlernhilfe- jetzt!“ , im Zuge dessen Träger der Kinder- und Jugendhilfe in Berlin von der DKJS eine Förderung erhalten, um Unterstützungsteam in Wohngruppen zu schicken. Gefördert wird das Programm durch die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie des Landes Berlin, Abteilung Jugend und Kinderschutz.
In 10 Wohngruppen sind bei VISIONEERS Lernunterstützer:innen im Einsatz im gesamten Berliner Stadtgebiet.
Hier arbeiten Erzieher:innen an der Belastungsgrenze. Die Gruppen sind oft altersgemischt, in den Morgen- und Vormittagsstunden müssen parallel mehrere Kinder bei der Erledigung ihrer Schulaufgaben betreut werden während der normale Alltag in den Wohngruppen weitergeht. Häufig stehen nur wenige Laptops und Tablets für den Online-Unterricht zur Verfügung. Da die klare Struktur des Unterrichts aufgelöst ist und die Bewegung eingeschränkt ist, staut sich viel Frustration an, die sich entlädt beim Erledigen ungeliebter Aufgaben, was wiederum durch das pädagogische Fachpersonal aufgefangen werden muss.
Die Herausforderung beim Anleiten für das Homeschooling liegt vor allem dabei, Wege zu finden, wie sich Kinder und Jugendliche motivieren lassen, sich konzentriert ihren Schulaufgaben zu widmen. VISIONEERS Nachhilfelehrer:innen berichten von ihrem Einsatz:
Lisa:
„Die Anleitung mehrerer Kinder aus unterschiedlichen Klassenniveaus parallel ist herausfordernd. Ich sitze mit 1-3 Kindern im Aufenthaltsraum mit großem Tisch und unterstütze bei dem Erledigen von Schulaufgaben. Da ist ziemlich viel Bewegung und Ablenkung mit im Spiel, da nicht jeder den gleichen Rhythmus hat, Kinder und Jugendliche teils wieder in die Schule gehen. Wir lernen also zusammen, während sich ein Jugendlicher aus der Gruppe sein Schulbrot schmiert und ein anderer gerade aus der Online-Konferenz kommt und uns lautstark davon erzählt. Bei vielen Kindern merkt man, dass der Rhythmus fehlt und die Motivation auf „Schule“ abnimmt. Gut klappt es, wenn ich ermuntere, Deals aushandle, sprich „eine ungeliebte Aufgabe“ gegen etwas, was der/demjenigen mehr Spaß macht und versuche den Bezug der Aufgaben zum Alltag der Kinder/Jugendlichen herzustellen, das klappt mal mehr mal weniger gut, tagesformabhängig. Gespräche mit den Erzieher:innen helfen, um zu verstehen, was bei den einzelnen Kindern los ist.“
Anna:
Ich bin immer am Anfang der Woche in einer Wohngruppe, zu dieser Zeit haben die Schüler:innen immer noch etwas mehr Freiraum, um sich die Aufgaben ihrer Lieblingsfächer auszusuchen, mit denen sie die Woche beginnen wollen. Unliebsame Fächer werden da eher nach hinten verschoben. Vor allem das selbst strukturieren fällt vielen schwer. Wenn mehrere Jugendliche in einem Raum zusammen ihre Aufgaben erledigen sollen, lenken sie sich oft gegenseitig ab, weil gemeinsames Quatschen und sich gegenseitig Ärgern meistens mehr Spaß macht als Schule. Es geht auch viel darum die Motivation, die mit jeder Woche Homeschooling bei den Jugendlichen ein bisschen mehr abnimmt, wieder anzukurbeln. Da hilft es, sich neben die Schüler:innen zu setzen und aktiv mit ihnen die Aufgaben zu besprechen, sodass sie merken, dass ich sie und ihre Aufgaben ernst nehme und mitüberlege.