Einleben in Costa Rica? – ¡dale, mae!

27. Oktober 2021

Wir, ich und ein paar Freunde, saßen in der Nacht vor meiner Abreise auf der Bottmühle, einer ehemaligen Wind- und Getreidemühle in der Kölner Altstadt-Süd, die seit einigen Jahrzehnten den Falken gehört und als politische Jugendeinrichtung verwendet wird. Die Höhe und geographische Lage des Turms bietet einen wunderbaren Ausblick und ein schönes Ausklingen meines letzten Tages in Köln. Durch die kühle Nachtluft und leeren Straßen Kölns, an einem sehr frühen Dienstag Morgen, ging es ausnahmsweise mit dem E-Roller nach Hause, um die letzten Stunden Schlaf noch zu bekommen. Woraus dann im Endeffekt, durch ein komisches Gespräch um 3 Uhr morgens mit einem Bankmitarbeiter der Comdirect, zweiundhalb Stunden wurden.Trotz übermüdeter Laune und zweimal Umsteigen in Amsterdam und Panama City, war die Reise von Düsseldorfer Flughafen, vermutlich durch die Aufregung und Spannung, gut auszuhalten.


Atlantischer Ozean-Nord, 14/09/21

Es gab ein paar Komplikationen an der Migration mit dem Gesundheitspass, da wir etwas falsch ausgefüllt hatten, uns die Mitarbeiter aber auch nicht so recht sagen konnten was. Überwältigt von einer Feuchtigkeitswelle, galt es erstmal die Ankunft zu verarbeiten. Abgeholt wurden wir mit dem Auto von Don Carlos, einem Mentor und Koordinator von unserer Organisation Visioneers in Costa Rica. Also Koffer auf den Schoß und ab ging es zum Hostel nach Heredia, das nördlich der Hauptstadt San José liegt.

Dort konnten wir fünf schonmal für die ersten zwei/drei Tage die Gegend unsicher machen, bevor die nächsten Freiwilligen Donnerstag und Freitag aus Berlin, München und Frankfurt kamen. Uns schonmal ein bisschen einleben, den Bus in die Stadt, zum Basketballplatz und zum Nationalpark fahren.


Heredia, 17/09/21

Einige Sachen praktisch ausprobieren, die wir in den Seminaren zuvor in Deutschland besprochen hatten. Kommunikation und Austausch ist enorm wichtig, wenn man keinen Plan hat, Hilfe und am besten direkt eine Antwort braucht. Da es also kein visualisiertes Busnetz mit Abfahrtsplänen gibt und Bushaltestellen im Durcheinander der Stadt so gut wie nicht zu sehen sind, fragt man am besten direkt die Busfahrer. Nun ist es so, dass jeder Busfahrer in irgendeine Richtung zeigt, dich sofort abwingt und bittet aus dem Bus zu steigen. Das unsympathische Abwinken bekommt man tatsächlich, weil jeder Bus eine Schranke enthält, die die Personen zählt und das Geld mit den Passagieren am Ende des Tages vom Arbeitgeber abgeglichen wird.Unsere Gruppe, als zweiter, kleinerer Teil, hatte vier Tagen Seminar mit Krissia, die für Visioneers und die Freiwilligen mit Don Carlos quasi alles organisiert, was die Freiwilligeneinsätze angeht. Es ging um Stereotypen der costa ricanischen und deutschen Kultur, Do´s und Don´ts im Land und unsere Erwartungen an das Jahr. Woran mir gefallen hat, dass wir unsere Erwartungen jeweils leise schriftlich, als auch visuell zu Blatt gebracht haben und dadurch unsere Gedanken und Launen einfach laufen lassen konnten.

Ich habe öfter beim Schreiben meinen Aufenthalt in 2016 als Urlaub mit meinem jetzigen Aufenthalt für ein Jahr verglichen. Damit kann man sich ganz gut visualisieren, was anders sein wird und wie man sich das Jahr vorstellt. Natürlich ist es was ganz anderes, trotzdem spielt der Besuch meiner Familie eine Rolle und das Erkunden dieses sc

hönen Stücks Erde. Unzählige Tierarten behausen die costa ricanischen Wälder, die 5% der weltweiten Vegetation ausmachen, wobei Costa Rica mit seiner Fläche insgesamt nur 0,03% der Erde bedeckt. Also ganz schön viel zu sehen und zu erleben. Wozu aber vor allem dieses mal die Menschen und die Kultur beitragen, von der ich mir erhoffe zu lernen und zu erfahren. Es gibt so viele Leute, Kinder mit dem Interesse andere Menschen zu sehen, sie kennenzulernen, sich auszutauschen, zu erzählen. Mal schauen, vielleicht verguckt man sich in einen beruflichen Zweig, den man nachgehen kann.


San José, 23/09/21

Nach einer Woche trennten sich die Freiwilligen in zwei Sprachkurse nach Turrialba und nach Jacó. Einige sind sofort in die Projekte. Ein Freiwilliger und ich hatten die Möglichkeit, meine Großeltern in San José zu besuchen. Es hat meine Großeltern und mich sehr gefreut, uns wieder zu sehen. Was uns dann alles um einiges erleichtert hat war, dass sie uns 4 Stunden zu unserer Wohnung nach Santa Cruz in der Provinz Guanacaste gefahren haben. Noch einmal mit dem Auto fett eingekauft, das erste mal eine dreiviertel Stunde zum nächsten Strand getuckert und dann waren wir auf uns allein gestellt.


Santa Cruz, 01/10/21

Ich bin ehrlich, die Wohnung kam und kommt mir schon sehr einfach und eng vor, auch wenn wir anfangs nur zu zweit waren. Dadurch, dass ich immer unterbewusste und automatisch leichte Erwartungen habe, wurden sie tatsächlich auch etwas gebrochen. An sich ist unsere Unterkunft aber ganz schön und süß und ich bin glücklich, dass wir hier unsere Residenz haben.

Ich mag das Alleinsein, aber ich fühle auch sehr oft, dass Gesellschaft für mehr Geborgenheit und Sicherheit sorgt. Wenn man nicht in einer Gastfamilie lebt, was auch ok ist, brauche ich zumindest für ein paar Stunden am Tag jemanden, mit dem man sich unterhalten und die Gegend unsicher machen kann. Apropos, die Fahrräder, die wir von unseren Vermietern zu Verfügung gestellt bekommen haben, sind bei jedem Ausritt in Gebrauch. Vor allem für die gute 3 km in die Stadt zum Projekt, ins Fitnessstudio, zur Busstation, in den Supermarkt oder wenn dir einfach mal bellende Hunde 30 Meter hinterher rennen und dein Herz dir kurz in die Hose rutscht, macht es sich sehr gut.

Dadurch das mein compañero, mit dem ich wohne, und ich beide mit Spanisch zweisprachig aufgewachsen sind, haben wir es wirklich sehr viel einfacher uns zu integrieren und anzukommen. Wenn man mal, abseits von einfach mit Einheimischen Spanisch zu reden, darüber nachdenkt, wie wichtig und hilfreich in vielen Weisen die Sprache ist, wertschätzt man es wirklich. Abgesehen von der Sprache merkt man aber wirklich wie offen, hilfsbereit und spontan viele Leute hier sind. Da ich hier neu bin, alles neu ist und die ganzen Veränderungen genieße, gefällt mir das sehr, mit vielen Leuten zu sprechen. Zu fragen, wo es Töpfe oder Kühlpacks gibt. Gesprächsfreudige Kinder in einem Vorgarten zu fragen, ob ihre Eltern ein Taxi rufen können. Oder in ein Fitnessstudio zu spazieren, in dem die Geräte noch vom letzten Jahrhundert da stehen und der Besitzer in einer Ecke des Studio auf einem Röhrenfernseher Fußball guckt und zu einem hingeht und erzählt, wie viel er mal bei dieser Übung gedrückt hätte. Herrlich.


Centro Cívico Por la Paz Santa Cruz, 06/10/21

Mein Projekt, das Centro Cívico Por la Paz Santa Cruz, das Bürgerzentrum für den Frieden in Santa Cruz also, steht für Diversität, Inklusion, Multikulturalität, Gleichheit, Transformation und Co-Creation. Es ist ein sehr großes Grundstück, mit einem Hauptgebäude, das mit mehreren Räumen und Sälen unter anderem Platz für Kunst, Theater, Musik, Literatur bietet. Es finden Workshops statt, es wird unterrichtet. Es wird darauf Wert gelegt, dass jeder mithilft und mit eigenen Workshops seine Talente und sein Wissen anderen übermittelt.Am ersten Tag meines Projektes, nach dem mir meine Leiterin die Einrichtung gezeigt hat, habe ich zum Beispiel einen Einblick erhalten, wie man traditionelle costa ricanische Masken macht und habe dort für eine Woche mitgemacht. Die sogenannte mascarada tradicional costarricense hat ihren Ursprung in der Kolonialzeit und wird in verschiedenen Größen (auch in mehreren Metern hoch) auf Festumzügen benutzt und repräsentieren karikaturisch bekannte Urbilder oder historische Figuren. Heutzutage in Costa Rica sind das eher humoristische, fiktive Gesichter.Richtig loslegen und mithelfen konnte ich aber zuerst nicht. Wir haben direkt geschaut, was ich denn anbieten könnte und haben schonmal einen Deutsch- und Skatekurs anvisiert. Die ersten zwei Wochen bestanden also, bis ich nach vier Tagen umgeknickt bin, aus Skaten und Vorbereiten meines Arbeitsplans und Deutschkurses. Zumal meine Chefin auch vier Tage von den ersten anderthalb Wochen nicht da war, war ich auf mich alleine gestellt und da schien mir die Vorbereitung noch etwas leerer. Ich nahm mir die Zeit, um diesen Text zu schreiben. Erwartet hatte ich aktivere erste zwei Wochen, mit mehr Kontakt zu den Kindern und ein familiäreres Zusammenkommen. Der erste Eindruck war tatsächlich eher, dass die Kinder und teilweise auch Erwachsene zu vorangemeldeten Kursen gehen und auch ausschließlich für diesen einen Kurs am Tag in die Einrichtung kommen. Was nicht die Freundlichkeit von den Leuten abschreibt. Zu Gesprächen und Austausch kam es aber anfangs nur mit Mitarbeitern, mehr als mit Kindern und Jugendlichen.


Playa Carillo, 14/10/21

Nach Ankunft von zwei weiteren Freiwilligen bei uns in der WG, von denen einer mit mir im Projekt ist, haben wir uns zusammen etwas intensiver mit unserem Arbeitsplan und den Vorbereitungen unseres Deutschkurses auseinandergesetzt. Zu zweit hat man mehr Ideen, man kommt schneller voran und beide Beteiligte sind up to date was die Vorbereitungen angehen. Viel los war in der Einrichtung, neben Security und Putzkräften, vor allem vormittags nicht. Uns war klar, dass wir unsere Arbeit selbst organisieren und vorbereiten mussten. Im Centro Cívico, als eine Einrichtung mit freiwilliger Teilnahme, gilt es, Teilnehmende anzuwerben und sie zu überzeugen, mit dabei zu sein.Deutlich mehr Sicherheit und Vorstellung unserer Arbeit gab uns nochmal ein Gespräch mit unserer „Chefin“. Sie ist Koordinatorin für das ganze Programm der Jugendeinrichtung und eine aufgeweckte und lustige Frau, die wie oft – wie in Lateinamerika üblich – Späße über andere macht. Dieses Gespräch klärte jedenfalls die Zeiten für unseren Deutsch- und Englischkurs und die Unwissenheit über weitere mögliche Aktivitäten für uns. Die Tage zuvor, an denen unserer Leiterin nicht vor Ort war, schienen wir ein wenig bedenklich, ob das Projekt doch etwas sein wird. Das Centro Cívico Por la Paz, was immer noch als Projekt gilt, von dem ich was anderes erwartet hatte, scheint nun aber etwas vertrauter. Der häufige Kontakt mit den Kindern, den ich mir erhofft habe, wird wahrscheinlich nicht zustande kommen. Aber mit Sicherheit viel Erfahrung, was vor allem Selbstinitiative, Eigenengagement und Lehren anbelangt.Im Allgemeinen bin ich natürlich unglaublich dankbar und glücklich, dass die ganze Reise und das Sammeln von so viel Erfahrung möglich ist und freue mich sehr auf die kommende Zeit.

Auf bald und hasta luego, mae!