Kapstadt, Südafrika, Samstag, 05.10.2019
Zweiter Monat hier.
Es ist Samstag Abend, die Sonne ist gerade hinter dem Tafelberg verschwunden. Ich liege auf meinem Bett und beobachte die tausend flackernden Lichter, die vom Fuß des Berges bis zu mir leuchten. Ein paar Sterne sind schon zu sehen, und der Mond, der, von hier aus betrachtet, ganz anders aussieht, als von Deutschland aus. Irgendwie umgedreht.
Seit einem Monat lebe ich nun in Kapstadt, Südafrika. Was sich in den ersten zwei Wochen angefühlt hat wie ein längerer Urlaub, ist nun mein Leben geworden. Es ist unglaublich, wie schnell man sich an etwas gewöhnen kann! Was am Anfang so fremd und ungewohnt war, ist jetzt mein Alltag.
Ich lebe in Tijgerhof, Milnerton, was so ungefähr 20 Minuten Autofahrt vom Kapstadt- Zentrum entfernt liegt. Man kann sich Kapstadt ein bisschen vorstellen wie ein riesiges Hamburg. Naja, nur ein bisschen. Das wäre der einzige Vergleich, den ich bis jetzt ziehen konnte. Kapstadt ist so vielfältig, dass mir keine andere Stadt einfällt, die so atmet wie Kapstadt.
Aufregende Eingewöhnung
Manche Reiseführer sagen, erst hinter dem Tafelberg, erst hinter Kapstadt beginne das „richtige Afrika“. Ich kann sagen, ja Kapstadt ist schon sehr europäisch. Der bekannte Kulturschock am Anfang blieb bei mir erst mal aus. Als ich aus dem Flugzeug stieg, war es regnerisch und kalt, Winter eben. Das war komisch, weil, als ich in Berlin ins Flugzeug einstieg, Sommer war. Somit waren meine ersten Tage hier ziemlich kalt für mich, ich habe nämlich keine Wintersachen eingepackt, weil ich dachte, es wird ja eh bald Sommer. Und so kalt kann der Winter in Südafrika ja nicht sein. Falsch gedacht. Zum Glück habe ich eine sehr liebe Gastfamilie, die mir tatsächlich eine Heizung ins Zimmer gestellt hat!
Ich kann mich noch genau an den Moment erinnern, in dem ich mein neues Zuhause betreten habe und dachte Wow, hier wohne ich jetzt ein halbes Jahr. Das war ein positives Wow, denn mein Zimmer ist wirklich gemütlich. Wie gesagt, man kann den Tafelberg vom Bett aus sehen!
Ich bin sehr dankbar, dass meine Gastmutter Liz mich gleich unter ihre Fittiche genommen hat und mir alles gezeigt hat, was ich brauche! Den Weg zum Meer, die Busroute zum Hafen und wo ich überhaupt risikofrei hingehen kann. Das Wetter ist nämlich nicht das Einzige, was ich unterschätzt habe. Kapstadt zählt zu den gefährlichsten Städten der Welt. Das habe ich mittlerweile auch schon zu sehen bekommen.
Wenn man aus dem familienfreundlichen Schöneberg – Kiez in Berlin kommt, kann man sich das einfach nicht vorstellen. Ich darf hier nachts die Fenster nicht aufmachen, weil jemand von außen an der Fassade hochklettern könnte und durchs Fenster direkt in mein Zimmer gelangen würde. Ist hier alles schon passiert. Und Tijgerhof, Milnerton gehört schon zu den sicheren Gegenden hier! Trotzdem haben alle Zäune Stacheldraht, die Fenster im Erdgeschoss sind vergittert, und die Türen haben ein extra Schiebegitter. Es wird auch rund um die Uhr alles abgeschlossen. Gärten gibt es wenig hier. Das hat mich ziemlich schockiert am Anfang, dass ich jetzt so in meiner Freiheit eingeschränkt bin. Raus gehen wann man will? In Berlin kein Problem. In Kapstadt geht man sobald es dunkel wird niemals allein vor die Tür. Hingehen wo man will? In Berlin möglich, auch wenn man im Grunewald vielleicht mal kritisch gemustert wird oder in Prenzlauer Berg in der Masse verschwindet. In Kapstadt könnte man niemals überall hingehen. Es gibt sogenannte Townships hier, die damals von der Regierung errichtet wurden, um die Bevölkerung zu unterteilen. So gibt es jetzt noch immer „Black“ und „coloured“ Townships. Die Menschen wurden hier in white, coloured und black unterteilt und diese Unterteilung spürt man immer noch.
Ich kriege das beides mit, meine Gastfamilie ist nämlich „coloured„ und spricht neben Englisch auch Afrikaans, was ein bisschen wie eine Mischung aus Niederländisch und Deutsch klingt. Ich arbeite im Township Langa, wo „Black People“ leben, die neben Englisch auch Xhosa sprechen. Das ist eine Art Klick- Sprache, und man muss viel mit der Zunge schnalzen, um das zu sprechen. Ich kann bis jetzt nur ein paar Wörter. Es ist unglaublich schwer, Xhosa zu verstehen, weil man es irgendwie mit keiner anderen Sprache vergleichen kann. Da ist Afrikaans leichter zu verstehen!
Meine Arbeit:
Wie gesagt arbeite ich in Langa, bei der Organisation ,,Just Grace“, die den Schülern in Langa hilft, gute Abschlüsse zu machen und sich zu engagieren. Wir sitzen auf dem Gelände der Langa Highschool, es gibt aber noch andere Schulen in Langa. Alle Schüler die in Langa leben oder dort zur Schule gehen, können sich bei ,,Just Grace“ bewerben und dann das Programm nutzen. Wir arbeiten im Büro und wenn die Schüler Schulschluss haben, kommen sie zu unseren verschiedenen Sessions. Da gibt es den Buchclub, das Computertraining, die Hilfe beim Bewerbungen schreiben und Hilfe beim Lernen und Hausaufgaben machen. Außerdem finden viele verschiedene Workshops und Projekttage statt und zweimal die Woche wird für alle gekocht. Wir haben Schüler von der 9. bis zur 12. Klasse bei uns im Programm. Ich leite momentan den Buchclub und helfe bei verschiedenen Sessions und habe schon einen Kunst-Workshop gegeben! Man kann eigentlich alles anbieten, was einen interessiert oder worin man gut ist, und dann gemeinsam mit den Schülern ausprobieren.
Ich arbeite Montag bis Freitag und habe einen Fahrer, der mich jeden Tag zu ,,Just Grace“ bringt und wieder abholt. Mit dem Bus nach Langa zu fahren wäre für mich leider zu gefährlich.
An den Wochenenden habe ich bis jetzt immer viel mit meiner Gastfamilie unternommen. Ich habe schon viel gesehen aber noch lange nicht alles! Kapstadt ist so vielseitig, die Natur, die Menschen und auch das Wetter. Manchmal sind an einem Tag alle vier Jahreszeiten!
Ich lerne und erlebe jeden Tag etwas Neues und das liebe ich so! Mein zweiter Monat hier hat gerade angefangen und der Frühling ebenfalls! Es wird immer wärmer und bald wird hier alles anfangen zu blühen. Es gibt hier sogar wilde Feigen, die einfach so am Straßenrand wachsen. Und Palmen natürlich auch! Ich bin wirklich gespannt wie es hier weitergeht. Ich möchte unbedingt einen weißen Hai sehen, es gibt hier Gebiete wo das möglich ist. Robben sieht man hier im Atlantik öfter und ich habe tatsächlich auch schon einen Wal gesehen, ganz am Anfang meiner Reise.
Wir werden sehen wie es weitergeht, ich schreibe alles in mein Notizbuch und berichte so oft es geht auf diesem Blog! Ich weiß, das war ein ziemlich langer Eintrag, aber es ist schwer, einen Monat zusammenzufassen. Einen Monat, an dem man jeden Tag, jede Sekunde etwas Neues sieht und erlebt.

Wer auch immer das alles gelesen hat, jetzt hast du einen kleinen Einblick in mein Leben hier und was dieser eine Monat schon mit mir gemacht hat.
Auf bald, und Küsschen aus Kapstadt,
Leonie Rehnus
Habitat for Humanity hat es 2017 auf Platz #6 der Forbes Liste der größten Hilfsorganisationen in den USA geschafft. Mit Fokus auf Obdach und Wohnen ist die NGO in Sachen Katastrophenhilfe und Entwicklungszusammenarbeit in mehr als 70 Läändern aktiv. Das Prinzip: Hilfe zur Selbsthilfe.
Seit nunmehr drei Monaten bin ich als weltwärts Freiwillige in Costa Rica im Regionalbüro tätig. Hier überschauen wir Habitat’s Mission in ganz Lateinamerika und der Karibik. Doch wie ist es so als Freiwillige inmitten der Strukturen einer international agierenden NGO?
Was kann man sich unter Entwicklungszusammenarbeit vorstellen? Und was solltet ihr mitbringen, falls ihr 2019 Freiwillige*r bei Habitat werden wollt? In diesem Blogpost findet ihr die Antworten auf diese Fragen sowie ein paar Eindrücke aus
San José.
Als weltwärts Freiwillige*r in einer internationalen NGO
Zu Beginn ein paar generelle Infos zu meinem aktuellen Arbeitsplatz, denn dieser unterscheidet sich durchaus ein wenig von den anderen Platzierungen, die Visioneers euch anbietet. Anders als bei den eher sozialpraktisch orientierten Projekten halte ich mich vermehrt im Büro auf.
Das liegt vor allem daran, dass das Regionalbüro eine Art Mini-Headquarter für Lateinamerika und die Karibik darstellt und in Costa Rica selbst seit einiger Zeit keine praktischen Projekte (im Sinne von Hausbau, Workshops und Co) durchgeführt werden, bei denen man anderweitig aushelfen kann.
Wenn der Büroalltag überhaupt gar nichts für euch ist, ist dieses vielleicht nicht das perfekte Projekt für euch.
Andererseits bietet dies natürlich auch einige Vorteile: Geregelte Arbeitszeiten, klare Ansprechpartner*innen, kurzer Weg zum Büro, eigener Arbeitsplatz und rundherum eine gut durchorganisierte Arbeitsatmosphäre.
Ich erwähne das an dieser Stelle nur so genau (und als klaren Pluspunkt), weil ihr euch sicher vorstellen könnt, dass die Arbeit in einem internationalen Team manchmal etwas herausfordernd sein kann. Da hilft es, wenn die Gastgeberorganisation selbst international aufgestellt ist und das Team Erfahrungen mit transkultureller Kommunikation hat.
Mit knapp 40 MitarbeiterInnen (überwiegend aus Lateinamerika, ein paar wenige aus den USA) ist das Team familiär und die Aufgabenbereiche sind divers.
Gleich zu Anfang hat man sich mit mir hingesetzt und gemeinsam anhand meines Lebenslaufes und meiner Vorlieben definiert, welchem Team ich zuarbeite – und so helfe ich jetzt, eine Strategie zu definieren, um Projekte in Lateinamerika gezielt auf Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zu zu schneiden. Das ermöglicht mir einen Einblick in viele verschiedene Habitat Initiativen und mit Arbeitskolleg*innen in der ganzen Welt zu kommunizieren/ kollaborieren. Amtssprache ist dabei meistens Spanglish, mein aktueller Schwerpunkt jedoch liegt derzeit auf einem Projekt in Jamaika.
Entwicklungszusammenarbeit à la Habitat?
Habitat for Humanity hat es sich zur Mission gemacht allen Menschen die Möglichkeit auf ein sicheres und bezahlbares Zuhause zu geben. Eine der Leitideen ist, dass ein Zuhause ein wichtiger Schritt aus dem Armutskreislauf heraus ist.
Zu diesem Zwecke werden zum einen Häuser gebaut oder Strukturen verbessert, zum anderen Mikrokredite zur Verfügung gestellt, Workshops und Seminare zu Haushaltsführung und den unterschiedlichsten anderen Skills gegeben, über die Folgen von Naturkatastrophen aufgeklärt sowie bei der Ergreifung von resilienzstärkender Maßnahmen unterstützt.
Dabei wird auf Augenhöhe mit Communities, Partnerorganisationen und Regierungen zusammengearbeitet.
Ein Beispiel: Ich bin gerade sehr in das BRACED (Building Resilience and Capacities Against Emerging Disasters) Projekt in Jamaika eingebunden, welches jährlich von immer stärker werdenden Naturkatastrophen heimgesucht wird.
Am vulnerablesten sind hierbei Menschen und Familien, die zum Bevölkerungsteil der Urban Poor gezählt werden und in informellen Siedlungen wohnen.
Dies bringt einige Probleme hinsichtlich der Landrechte mit sich: Häufig sind diese nicht vorhanden oder nicht aktuell, was nicht nur zu Zwangsenteignungen führen kann, sondern auch verhindert, dass sich die Menschen optimal gegen Naturkatastrophen wappnen können – denn wer investiert in Hausstrukturen, wenn unklar ist wem das Land gehört auf dem man wohnt?
Habitat hat vor Ort und in Zusammenarbeit mit Mitgliedern aus den betroffenen Gegenden, dem Stadtrat und Regierungsvertretern den Landregistrierungsprozess beschleunigt und kosteneffizienter gestaltet, Häuser gestärkt, Workshops inkl. Zertifizierung angeboten, in denen Anwohner praktisch ausgebildet wurden.
Habitat hat bei der Einrichtung von community based Organisationen und deren Plänen für die Nachbarschaftsentwicklung geholfen und einiges an Aufklärungsarbeit betrieben, die sich häufig auch speziell den besonderen Bedürfnissen und Potentialen von Frauen und jungen Menschen gewidmet hat.
Ihr seht, alles sehr komplex und mit großem Bemühen, Probleme holistisch und nachhaltig anzugehen.
Ihr wollt mitmachen?
Neben den generellen weltwärts Anforderungen sind alles was ihr formell braucht mindestens ein Bachelorabschluss, Grundlagen der spanischen Sprache die ihr bereit seid (schnell) auszubauen und bestenfalls erste relevante Erfahrungen – wobei letzteres absolut kein Muss ist. Grundlegendes Interesse an internationaler Entwicklungszusammenarbeit und keine Scheu vor fordernden Aufgaben sollte aber gegeben sein!
Ich bin überaus glücklich, hier bei Habitat eine vorläufige Heimat gefunden zu haben. Das Team ist klasse, das Leben in der Gastfamilie wundervoll, die Stadt zugegebenermaßen nicht super ansehnlich, dafür gibt es aber viele Events und Veranstaltungen und ihr seid gut angebunden um Costa Rica zu erkunden.
Subjektiv (!) würde ich sagen, dass San José vergleichsweise liberal ist. Auf Grund der vielen Universitäten gibt es hier viele Studierende und Unterhaltung und je nachdem wie erkundungsfreudig ihr seid, findet ihr hier auch kleine private gesellschaftskritische Kunstausstellungen. Wenn ihr offen seid, findet ihr schnell Freunde. Ihr merkt, ich fühle mich pudelwohl und bin mir sicher, dass ihr hier eine gute Zeit haben könnt!