Coronavirus-Update aus Perú

24. Juli 2020

Das Coronavirus erreichte Peru wesentlich später als Deutschland. Während in Deutschland die Pandemie Ende Januar anfing, wurde der erste Fall von COVID-19 in Peru erst am 6. März bestätigt. Bereits neun Tage danach verhängte Präsident Martín Vizcarra den landesweiten Lockdown, früher und strikter, als die meisten anderen lateinamerikanischen Staaten reagierten.Die Maßnahmen kamen plötzlich und trafen die Bevölkerung Perus hart: Quarantäne, nur noch die Ausführung von Arbeit, die essentiell für die Versorgung der Bevölkerung war, nur noch für Einkäufe und Bankgeschäfte aus dem Haus gehen, nächtliche Ausgangssperre. Überall patrouillierten Polizei und Militär, um zu garantieren, dass die Bevölkerung die Maßnahmen befolgt. Viele, die sich nicht an die Ausgangssperre hielten, wurden festgenommen.

Quarantäne, das hieß für viele Peruaner für mehr als drei Monate nur mit dem Nötigsten in einem anderen Teil des Landes festzusitzen oder Tag und Nacht mit Familie und Verwandten auf engstem Raum zu verbringen. Nach draußen zu gehen, um zu spazieren o.ä. war in Peru, anders als in Deutschland, nicht möglich.

Mehr als 70% der Peruaner arbeiten selbstständig oder im informellen Sektor, beispielsweise als Straßen- oder Marktverkäufer. Die informellen Arbeiter leben von der Hand in den Mund, d.h. sie ernähren sich von dem Geld, das sie tagsüber verdienen. Während der Quarantäne konnten sie nicht mehr arbeiten gehen, weshalb sich ihre Lebenssituation dramatisch verschlechterte. Für manche Arbeiter wurde die Lage in Lima so prekär, dass sie beschlossen, sich zu Fuß auf den Weg in ihre mehr als 400 Kilometer entfernten Heimatstädte zu machen. Zwar gab es Hilfszahlungen für die Bedürftigsten der Bevölkerung, jedoch waren diese nicht ausreichend und kamen nicht bei jedem an, der sie brauchte.

Auch für indigene Gemeinschaften stellt der Coronavirus eine große Gefahr da. Viele dieser schotteten sich freiwillig ab, um sich vor der Ansteckung mit dem Virus zu schützen. So machten es auch die indigenen Gemeinschaften der Yánesha, die unsere NGO Atiycuy Peru im Zentralregenwald begleitet. Aufgrund der Quarantäne und des fehlenden Telefonnetzes in den indigenen Dörfern konnten diese unsere Organisation am Anfang der Quarantäne nicht oder nur sehr beschränkt kontaktieren. Umso stolzer war unser Team, als wir später ein Video auf Facebook fanden, das einige Dorfmitglieder der indigenen Dörfer zeigte, wie sie mit ihren traditionellen Gewändern und Pfeil und Bogen auf dem Weg vor ihren Dörfern patrouillierten und aufpassten, dass niemand in ihre Dörfern kam. Somit standen sie nun alleine für sich selbst auf, verteidigten ihre Rechte und beschützten ihre Gemeinschaften.

COVID-19 traf Peru hart

Doch trotz des frühen und strikten Lockdowns bekommt Peru das Virus bis jetzt nicht unter Kontrolle. Aktuell (Stand: 24.07.20, 10:00) gibt es insgesamt 371.096 bestätigte Infektionen, 255.945 genesene Patienten und 17.654 Tote aufgrund des Coronavirus. Momentan sind 97.497 Menschen infiziert. Peru liegt auf Platz 6 der Länder mit den meisten Infektionen. Aber woran liegt das?Eine mögliche Ursache ist, dass die Regierung viele europäische Maßnahmen kopiert hat. Das erwies sich aber in der Praxis als untauglich. Peru unterscheidet sich stark von Europa. In der Folge passten die Maßnahmen nicht zur peruanischen Lebensrealität. Nur ein Drittel der Bevölkerung hat einen Internetzugang. Millionen Menschen haben keinen Zugang zu fließendem Wasser, um sich die Hände zu waschen. Und nur ungefähr die Hälfte aller Peruaner besitzt einen Kühlschrank; wer keinen Kühlschrank hat, muss regelmäßig aus dem Haus, um frische Lebensmittel einzukaufen. Dabei kommt es vor allem auf Märkten zu vielen Neuinfektionen.

Für viele Menschen, vor allem für die arme Bevölkerung, ist es unmöglich, die Corona-Regeln zu befolgen. Sie haben keine Wahl und müssen ständig für den Einkauf oder die Arbeit aus dem Haus, um zu überleben. Für Straßenhändler, Schuhputzer, Müllsammler und Tagelöhner gibt es eben kein Homeoffice.

Außerdem stellt auch das öffentliche Gesundheitssystem in Peru ein großes Problem da. Dieses war auch schon vor der Pandemie überlastet und unterfinanziert und durch das Coronavirus gab es Medienberichten zufolge schon vor vielen Wochen nicht mehr genügend Intensivbetten und Beatmungsplätze in Peru. Die Peruaner können also nur hoffen, dass das Virus sie und ihre Familie nicht oder zumindest nicht schlimm erwischt.

Wie geht es jetzt weiter?

Am 1. Juli wurde die nationale Quarantäne beendet. Am Abend zuvor bat der Präsident noch jeden Einzelnen um verantwortungsvolles Verhalten: Mundschutz, Abstand, Hygiene. Nur in einzelnen Regionen, bspw. in Arequipa, die jetzt die neuen Hotspots des Virus sind, wird die Quarantäne weiter aufrechterhalten.

Die Phase 3 der Reaktivierung der Wirtschaft beginnt. Seit Mitte Juli läuft der Bus- und Flugverkehr im ganzen Land wieder an. Seit kurzem öffnen auch Restaurants wieder, mit eingeschränkter Gästezahl. Das Leben normalisiert sich langsam, vor allem in der Hauptstadt Lima und ein Gefühl des Optimismus macht sich breit. Seit Mitte Juni stabilisiert sich die tägliche Neuinfiziertenzahl auf hohem Niveau. Die Zahl der aktuell Infizierten ist relativ gleich bleibend. Jedoch ist zu bedenken, dass es zu den offiziellen Zahlen noch eine unklare Dunkelziffer an infizierten Personen gibt. Momentan verlangsamt sich die Ausbreitung des Virus in Peru also noch nicht.

Auch der Blick in den Zentralregenwald zeigt: mit dem Ende der Quarantäne kommen wieder mehr Menschen aus der Hauptstadt und aus anderen Provinzen, womit auch die Zahl der Infizierten dort dramatisch ansteigt. Teilweise kollabieren die Provinzkrankenhäuser unter dem Druck der Neuinfektionen. Und auch für die besonders gefährdeten indigenen Gemeinschaften fängt die Pandemie jetzt erst an.

Quellen:

https://www.spiegel.de/politik/ausland/coronavirus-in-peru-lockdown-und-trotzdem-keine-kontrolle-a-578c733a-d850-41bd-9c60-4baf21104a6e https://peruconsult.de/coronavirus/https://de.wikipedia.org/wiki/COVID-19-Pandemie_in_Peru#Statistik https://www.tagesschau.de/ausland/coronavirus-karte-101.html