Interview mit Safi

7. November 2019

Safi, 21 Jahre alt, aus Afghanistan hat 2018 eine Ausbildung zum Maler und Lackierer begonnen.

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Safi, wie bist du aufgewachsen?

„Ich bin aus Lolga in Afghanistan und dort mit 3 Geschwistern groß geworden. In Afghanistan war das Leben hart, denn ich musste mit 14 Jahren anfangen, meine Familie zu ernähren. Ich konnte nicht weiter zur Schule gehen, sondern habe in einem Steinbruch Steine geschlagen. Später habe ich auf einem Bauernhof gearbeitet und genäht.“

Wieso bist du weggegangen?

„Ich habe vier Jahre lang in einem Laden gearbeitet und Kleidung genäht. Meine Kunden waren die afghanische Polizei, aber auch die Taliban war oft bei mir im Laden, um mich zu bedrohen und unbezahlt meine Arbeit zu nehmen. Eines Nachts haben sie mich so weit gebracht, dass ich wusste, das ich hier nicht bleiben kann, ohne dass mein Leben gefährdet ist.“

Wie ging es dann weiter?

„Mit der Hilfe meines Vaters bin ich erst in die Türkei geflüchtet. Dort wollte ich als Schneider arbeiten, aber sie haben uns dort behandelt wie Tiere.“

Wie bist du von dort nach Deutschland gekommen?

„Meine Cousine wohnte in Deutschland und als ich ihr erzählt habe, dass wir wie Sklaven in der Türkei arbeiten, sagte sie, dass ich doch auch zu ihr nach Deutschland kommen kann. Und das habe ich dann getan. Aber es war ehrlich gesagt sehr schlimm. Ich bin für 6.000 Dollar, die ich einem Schlepper gezahlt habe, auf einem 9 Meter langen Boot von der Türkei nach Griechenland gefahren. Die Zustände auf diesem Boot waren sehr schlimm: wir waren mindestens 80 Menschen und unser Boot ist mitten auf dem Meer voll Wasser gelaufen. Ich dachte zwischendrin immer wieder, dass ich sterben werde auf diesem Boot – mitten auf dem Meer. Wir haben mit den bloßen Händen und kleinen Gefäßen versucht, das einlaufende Wasser aus dem Boot zu schaffen. Irgendwann haben wir endlich die griechische Küste erreicht. Darüber zu reden fällt mir wirklich schwer, denn es war die schlimmste Zeit meines Lebens. Von Griechenland aus bin ich die Balkanroute gelaufen und gefahren. Meine Haut war wund und ich wusste oft nachts nicht, wo ich schlafen kann. Irgendwann nach Wochen kam ich in München an. Meine Cousine wohnte in Berlin. Also habe ich mich in einen Zug nach Berlin gesetzt und kam in dieser Stadt an, in der ich heute noch lebe.“

Wie war das Ankommen in Deutschland?

„Das Ankommen war auch richtig schlimm. Ich konnte die Sprache nicht, konnte mich hier nicht zurechtfinden, habe nicht verstanden, wie was funktioniert. Aber die Leute waren meistens nett zu mir. Ich konnte in eine Flüchtlingsunterkunft ziehen und hatte endlich wieder ein Dach über dem Kopf. Aber ich habe Afghanistan und meine Familie total vermisst und das ist auch immer noch so. In meiner Stadt ist Krieg und nichts ist mehr so wie vorher.“

Wie hast du VISIONEERS kennengelernt?

„Das war in meiner ersten Unterkunft in Nikolassee. Eines Tages kam Julia von VISIONEERS und hat uns zu einem Deutschkurs und einem Näh-Workshop eingeladen. Da bin ich hingegangen, das ist jetzt 4 Jahre her.“

Hat das etwas verändert?

„Ja! Ich habe viel besser Deutsch gelernt und habe Hilfe bei VISIONEERS gefunden. Es hat also alles verändert, mein ganzes Leben. Ich habe durch die Angebote bei VISIONEERS meinen Schulabschluss gemacht.“

Du machst jetzt ja eine Ausbildung. Wie hast du die gefunden?

„Ich hatte Hilfe durch meine Mentorin bei VISIONEERS. Sie hat mir geholfen einen Praktikumsplatz zu finden, als Maler und Lackierer, und der Betrieb hat gesehen, dass ich meine Arbeit gut mache und mir eine Ausbildungsstelle angeboten. Jetzt bin ich schon mitten im zweiten Lehrjahr und werde sogar verkürzen dürfen.“

Was gefällt dir an der Ausbildung?

„Ich habe nette Kollegen und habe eine Aufgabe, die ich erledigen darf. Die Arbeit an sich macht mir Spaß und ich bekomme viele positive Rückmeldungen. Mein Ausbilder hat mir schon jetzt angeboten, mich nach der Ausbildung im Betrieb zu übernehmen. Außerdem lerne ich total viel Neues dazu.“

Was motiviert dich, deine Ausbildung weiter zu machen, auch wenn es mal hart ist?

„Mich motiviert, dass ich auf eigenen Beinen stehen und mein eigenes Geld verdienen möchte. Ich sehe in Berlin so viele Leute, die nur kiffen oder trinken – Leute, die keine Perspektive haben. So einer will ich auf keinen Fall werden – ich will Verantwortung für mein Leben übernehmen und es selbst gestalten.“

Vielen Dank für das Interview, Safi. Wir sind so stolz auf dich!

Wir danken der Postcode Lotterie und der Pfefferwerk Stiftung für das Möglichmachen!