Wie wichtig Mentorenprogramme sind – wenn im Gesicht Krieg steht I

8. November 2016

Erfahrungen aus dem Schulalltag mit Flüchtlingskinder, die zeigen, wie wichtig ein Mentorenprojekt wie das von Visioneers e.V. ist: Für Kinder genauso wie für Erwachsene.

„Kommen Sie schnell“, rief einer meiner Schüler. Es ist die kleine Pause, 10 Minuten zum Verschnaufen. Hinter dem Lehrertisch stehend las ich in meinem Notizbuch, welche Übungen ich in der kommenden Deutschstunde durchführen werde. Ich gehe zur Tür und höre erst jetzt die hektischen Schreie aus arabischen und deutschen Wörtern; eine Schlägerei zwischen zwei deutschen und zwei syrischen Kindern. Gesichter nehme ich nicht wahr, nur lauter wirbelnde Hände und Füße. Mithilfe von syrischen und deutschen Mitschülern gelingt es, die Schlagenden auseinanderzubringen. Was bleibt sind erschrockene Gesichter, ein beklemmendes Gefühl und die Frage, wie konnte es dazu kommen?

Die unsichtbare Wand

Seit über einem Jahr gehen die Flüchtlingskinder in unsere Schule. Sie besuchen Sprachklassen und werden langsam und zunächst nur stundenweise in deutsche Klassen integriert. Die deutsche Sprache zu schreiben, zu lesen, zu sprechen und vor allem zu verstehen, ist wichtig für die Integration. Immer wieder stoßen neue Flüchtlingskinder hinzu und andere ziehen weg. Doch der Großteil der Kinder bleibt. Ein Jahr, in dem auch die deutschen Kinder die Flüchtlingskinder beobachten und auf Hofpausen kennenlernen konnten. Spannungen oder derartige Konflikte gab es in der Schule bisher nicht. Doch nun kippte die Stimmung. Schmerzliche Worte fielen, schon Tage vor dem Vorfall, auch außerhalb der Schule. Worte, die verletzten, Worte gegen Familienangehörige, die bei Mitbürgern aus dem arabischen Raum die Wut entfachten. Und dann in der Pause auf dem Flur folgte der Knall. In den Gesichtern stand Krieg, in den Augen spiegelten sich Verletzung und Wut wider.

Die Vorurteile zu entkräften, die Angst vor der Überfremdung zu nehmen, dem gefährlichen Halbwissen mit einer Einladung zum Gespräch entgegenzutreten, das sind nicht nur die Aufgaben, die nach diesem Vorfall in der Schule zu bewältigen sind. Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe in allen Teilen Deutschlands. Was wissen wir von den Einzelschicksalen, wenn wir nie genau nachfragen? Wenn eine Schablone auf alle Flüchtenden gelegt wird, die vorgeformt wurde von schlecht recherchierten Parolen. Wer fragt den Menschen, der da nun neben einem im Zug sitzt oder im Laden steht? Wie ein Vorhang hängt eine unsichtbare Blockade voll Angst oder gar Hass vor Fremden vor der Sicht der Menschen.

Um diese Vorurteile zu widerlegen, bedarf es Ihrer Mithilfe. Lesen Sie in der Fortsetzung von weiteren prägenden Erfahrungen und dem möglichen Umgang mit solchen Konflikten.