Seit September veranstaltet VISIONEERS jede Woche einen Nähworkshop mit Flüchtlingen im Café Connecions in Berlin Schöneberg. Nachdem wir zu Beginn mit Kindern, Frauen und Männern aus den verschiedensten Herkunftsländern aus einem nahe liegenden Flüchtlingsheim gearbeitet haben und dabei zum Beispiel bunte Handtaschen entstanden sind, betreuen wir aktuell unbegleitete Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren, vorwiegend aus Afghanistan.
Am Giving Tuesday waren als Auftakt direkt 35 von ihnen zum gemeinsamen Basteln
erschienen. Inzwischen haben wir eine Gruppe von zehn bis fünfzehn regelmäßig
teilnehmenden Jungs. Die Entwicklung, die die Jugendlichen in den wenigen Wochen
durchgemacht haben, ist dabei immens. Die Nähkurse sind ein integratives Projekt, bei dem Spaß und gemeinsames Kreativsein im Vordergrund stehen. Wir lachen viel und überwinden dabei kulturelle und sprachliche Barrieren spielerisch. Das Team, das die Teilnehmer dabei begleitet besteht aus Freiwilligen, die teilweise ebenfalls einen kreativen Hintergrund besitzen, die zum Teil auch selbst noch deutsch lernen, wie Omar aus Syrien oder Laura aus Frankreich, sodass wir alle voneinander lernen können.
Die Workshops werden komplett in deutscher Sprache durchgeführt. Dass die Teilnehmer diese Sprache meist nicht beherrschen, ist dabei völlig irrelevant.Die Kommunikation funktioniert auch ohne Wörterbuch meist einwandfrei durch stetiges Wiederholen und vielfach natürlich auch durch einfaches Zeigen. Hinzu kommt, dass man von Woche zu Woche merkt, dass die Jugendlichen sich sicherer mit der deutschen Sprache fühlen. Sie beginnen auf einfache Fragen auf Deutsch zu antworten. Begriffe wie Schere oder Stift hat jeder schnell verstanden und je mehr sie merken, dass sie Deutsch zu verstehen beginnen, desto sicherer, selbstbewusster und offensichtlich auch glücklicher treten sie auf. Mit dem Verlust der Unsicherheit gegenüber der neuen Sprache steigt auch die Motivation, selbst mehr zu erlernen.
Genäht werden jede Woche neue Projekte, von Schals, Handschuhen und Mützen bis hin zu Turnbeuteln und Täschchen. Wir widmen uns dabei immer einem bereits im Voraus
vorbereiteten Projekt, dass innerhalb des Nachmittags komplett genäht werden kann. Auf Wunsch können aber auch individuelle Ideen umgesetzt werden. Einige der Jungs haben
in ihren Heimatländern offenbar als Näher in der Industrie gearbeitet, anders ist ihr sicherer Umgang mit Nähmaschinen kaum zu erklären. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass sie dort nur nach Anleitung zwei vorgegebene Teile zusammengenäht haben, denn das kreative Arbeiten ist für sie neu, scheint ihnen aber viel Freude zu bereiten.
Generell merkt man, wie die Teilnehmer sich von Woche zu Woche mehr öffnen,
fröhlicher werden und – was mich persönlich besonders freut – auch wieder eine kindliche Seite in sich entdecken. Sie arbeiten meist erstaunlich konzentriert, wobei immer mehr auch rumgealbert wird, kleine Späße gemacht werden und in der letzten Woche zum ersten Mal
auch eigene Ideen umgesetzt wurden, wie zum Beispiel eine genähte Augenklappe,
einfach nur aus einer spielerischen Idee heraus. Das kreative Arbeiten an den Nähmaschinen ist dabei eine Art verbindendes Element, das den Jugendlichen eine Auszeit von ihrem aktuell mit Sicherheit schwierigen Alltag ermöglicht. Gleichzeitig haben sie bei den Nähworkshops die Möglichkeit, mit der deutschen Kultur und Sprache in Kontakt zu kommen und sich willkommen geheißen zu fühlen. Auch wenn dies nur kleine Schritte sind, so können sie doch wichtige Schritte auf dem Weg zu einer gelungen Integration sein.