Zwischen zerrissenen Oberteilen und Herzchenzeichnungen

1. Dezember 2022   |   Autorin Karina

Zwischen zerrissenen Oberteilen und Herzchenzeichnungen

Wenn mir jemand in meiner Bewerbungsphase gesagt hätte, dass bereits in den ersten zwei Monaten meines Freiwilligendienstes meine Bluse zerrissen wird, ich mit einer Bastelschere bedroht werde und regelmäßig mit Stiften und Schimpfwörtern beworfen werde, hätte ich mir wohl zweimal überlegt, ob ich für einen Freiwilligendienst in einem Kinderheim auf die andere Seite der Welt ziehe. Doch das war tatsächlich eine der besten Entscheidungen in meinem bisherigen Leben. Sie fragen sich jetzt bestimmt, was ich den armen Kindern antue, sodass sie das Gefühl haben, sich mit Bastelutensilien bewaffnen zu müssen und warum ich es trotz dieser Angriffe nicht bereue, diesen Schritt gegangen zu sein.

Die Herausforderungen im Projekt

Zunächst müssen Sie wissen, dass ich in einem Kinderheim arbeite, in dem Kinder leben, die aus schwierigen Familienverhältnissen kommen. Ihnen wurde körperliche Gewalt angetan oder sie wurden mit Drogenmissbrauch konfrontiert. Zum Heim gehört auch eine Schule, die in mein Arbeitsbereich fällt. Durch die schwierige Vergangenheit der Kinder, sind sie oftmals emotional verletzt und das zeigt sich in Form von täglichen Wutanfällen, unter denen auch mal meine Bluse leiden musste. Doch genau in diesen Momenten gehen die Lehrerinnen, mit denen ich zusammen arbeite mit sehr viel Fürsorge und Respekt auf die Kinder zu und zeigen ihnen, dass sie geliebt werden.
Diese herausfordernden Minuten sind natürlich nur ein Teil meines Tagesablaufs. Der Morgen wird normalerweise mit Malen, Basteln, Lesen, Schreiben, Rechnen, Spielen und vielem mehr gefüllt. Besonders durch die kleinen Lerngruppen kann man sich auf die einzelnen Schüler konzentrieren und baut eine einzigartige Beziehung auf, die man in normalen Schulen niemals knüpfen würde. Beim Malen oder  bei Spieleinheiten geraten die schwierigen Momente immer sehr schnell in Vergessenheit, wenn mir Bilder mit Herzchen oder Umarmungen zur Wiedergutmachung geschenkt werden.

Wieso es das wert ist

Doch einer der besten Momente ist, wenn nachmittags meine zweijährigen Kinder kommen, mit denen ich das Sprechen und motorische Aufgaben übe. Mir geht das Herz auf, wenn ich die aufleuchtenden Gesichter sehe, wenn sie mich schon bereits aus der Ferne erkennen, obwohl sie sich nicht einmal die drei Grundfarben merken können, die wir seit Wochen üben.
Am Ende des Tages helfe ich oftmals meinen Kolleginnen bei Bastelaktionen oder organisatorischen Aufgaben.  Bei den Basteleien darf ich dann meine künstlerische Seite ausleben. Schon jetzt habe ich mich im ganzen Schulhaus mit Zeichnungen, Plakaten und selbstgebastelten Dekorationen verewigt.

Schlussendlich überwiegen die schönen Momente immer die schwierigen und ich nähe lieber meine Bluse nachmittags und schaue dabei auf die tollen Zeichnungen der Kinder, als jetzt in Deutschland zu sitzen und zu bereuen, mich dieser Herausforderung nicht gestellt zu haben.

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