Zwischen zerrissenen Oberteilen und Herzchenzeichnungen
Wenn mir jemand in meiner Bewerbungsphase gesagt hätte, dass bereits in den ersten zwei Monaten meines Freiwilligendienstes meine Bluse zerrissen wird, ich mit einer Bastelschere bedroht werde und regelmäßig mit Stiften und Schimpfwörtern beworfen werde, hätte ich mir wohl zweimal überlegt, ob ich für einen Freiwilligendienst in einem Kinderheim auf die andere Seite der Welt ziehe. Doch das war tatsächlich eine der besten Entscheidungen in meinem bisherigen Leben. Sie fragen sich jetzt bestimmt, was ich den armen Kindern antue, sodass sie das Gefühl haben, sich mit Bastelutensilien bewaffnen zu müssen und warum ich es trotz dieser Angriffe nicht bereue, diesen Schritt gegangen zu sein.
Die Herausforderungen im Projekt
Zunächst müssen Sie wissen, dass ich in einem Kinderheim arbeite, in dem Kinder leben, die aus schwierigen Familienverhältnissen kommen. Ihnen wurde körperliche Gewalt angetan oder sie wurden mit Drogenmissbrauch konfrontiert. Zum Heim gehört auch eine Schule, die in mein Arbeitsbereich fällt. Durch die schwierige Vergangenheit der Kinder, sind sie oftmals emotional verletzt und das zeigt sich in Form von täglichen Wutanfällen, unter denen auch mal meine Bluse leiden musste. Doch genau in diesen Momenten gehen die Lehrerinnen, mit denen ich zusammen arbeite mit sehr viel Fürsorge und Respekt auf die Kinder zu und zeigen ihnen, dass sie geliebt werden.
Diese herausfordernden Minuten sind natürlich nur ein Teil meines Tagesablaufs. Der Morgen wird normalerweise mit Malen, Basteln, Lesen, Schreiben, Rechnen, Spielen und vielem mehr gefüllt. Besonders durch die kleinen Lerngruppen kann man sich auf die einzelnen Schüler konzentrieren und baut eine einzigartige Beziehung auf, die man in normalen Schulen niemals knüpfen würde. Beim Malen oder bei Spieleinheiten geraten die schwierigen Momente immer sehr schnell in Vergessenheit, wenn mir Bilder mit Herzchen oder Umarmungen zur Wiedergutmachung geschenkt werden.
Das costa-ricanische Schulsystem
In der Früh zu Kindergeschrei und lautem Rufen aufzuwachen, ist für mich mittlerweile zum Alltag geworden. Denn in Costa Rica beginnt die Schule, anders als in Deutschland, schon um 7 Uhr morgens und da ich direkt neben einer Grundschule lebe, bekomme ich viel vom costa-ricanischen Schulalltag mit. Aber auch in der Vorschule, in der ich dreimal die Woche unterstützend arbeite, durfte ich viele Erfahrungen über das System hier machen.
Ist-Zustand
Seit 1869 ist die öffentliche Bildung in Costa Rica kostenlos und obligatorisch. Weltweit liegt hier der Bildungsstand auf Rang 32 und stellt damit die beste Bildung Lateinamerikas bereit. Auch durch die Abschaffung der Armee im Jahr 1948 konnte mehr Geld in den Bildungssektor investiert werden. Dadurch ist die Alphabetisierungsrate 2019 auf über 97% gestiegen. Mit einem Anteil von 89% besuchen die meisten Kinder eine öffentliche Schule und nur 11% besuchen eine private Institution.
Deutschland und Costa Rica im Vergleich
Unabhängig von der Schule, müssen alle Kinder in Costa Rica eine Schuluniform tragen. Die jüngsten Schüler:innen tragen dabei türkisfarbene T-Shirts, dazu blaue Shorts oder Röcke, die Älteren hingegen tragen weiße Hemden und lange Hosen.
Ein weiterer großer Unterschied zum deutschen Schulsystem, das keine verpflichtende Schuluniform vorsieht, ist die Schulpflicht, die in Costa Rica bereits für Kinder ab vier Jahren beginnt. Mit vier Jahren besuchen die Kinder für zwei Jahre eine Art Vorschule, die hier als „kinder“ bezeichnet wird. Die meisten Kinder besuchen davor keinen Kindergarten oder etwas Ähnliches, somit ist es für viele das erste Mal, dass sie länger in einer größeren Gruppe mit anderen Kindern zusammen sind. Der Alltag in der Vorschule besteht zwar größtenteils aus Tanz, Spiel und Musik, dennoch kommen auf die über 20 Kinder nur eine Lehrerin, was ganz schön chaotisch werden kann.
Nach den zwei Jahren wechseln die Kinder im Alter von sechs Jahren auf die Grundschule, die sie im Normalfall mit 12 Jahren beenden. In diesen Jahren soll den Kindern eine Grundbildung vermittelt werden: sie lernen Lesen und Schreiben und werden in Fächern wie Mathe, Spanisch und Naturwissenschaften unterrichtet.
Die meisten Vor- und Grundschulen sind zusammen auf einem Gelände, aber viel kleiner und persönlicher als man es aus Deutschland kennt. So gibt es typischerweise immer nur eine Klasse pro Jahrgang, also acht Klassen pro Schule. Zudem gibt es in jeder Schule kostenlose Mahlzeiten für die Kinder. In der Früh eine sogenannte „Merienda“ und mittags gibt es in der Kantine ein warmes Essen, meistens bestehend aus Reis, Bohnen und Fleisch oder Fisch (die Kinder sollen sich allerdings immer trotzdem etwas von zu Hause mitbringen).
Die nächsten drei Jahre der Schulpflicht verbringen die Kinder auf der weiterführenden Schule. Wer möchte, kann noch weitere zwei oder drei Jahre in die Schule gehen und das Bachillerato machen, das
costa-ricanische Pendant zum deutschen Abitur. Mit diesem sind sie berechtigt, die Aufnahmeprüfung für die Universitäten anzutreten.
Zwar bereitet mir die Arbeit in der Schule viel Spaß, trotzdem ist der Umgang mit so vielen kleinen Kindern oft sehr stressig, weshalb ich für mich persönlich sagen kann, dass der Beruf des Lehrers nichts für mich wäre.
Mein Alltag und alles, was dazugehört
Falls Sie sich fragen, was ich eigentlich mache, wenn ich nicht gerade gegen Krokodile und Meeresströmungen kämpfe oder frische Kokosnüsse genieße, bleiben Sie dran. Denn wie der Titel schon vermuten lässt, werde ich im Folgenden von meinem Alltag in meiner Gastfamilie und meinem Projekt erzählen.
Mein Projekt und meine Aufgaben
Das Projekt, in dem ich arbeite, ist ein sogenanntes ‚Outreach Programm‘, welches verschiedene Events für Kinder mit Fokus darauf anbietet, vor allem jene aus schwierigen Verhältnissen zu erreichen. Es gibt sowohl Treffen in Kleingruppen als auch größere Aktionen, die wöchentlich oder monatlich stattfinden. Dabei geht es in erster Linie darum, den Teilnehmer:innenn einen Safe-Space zu geben, in dem sie so akzeptiert werden, wie sie sind. Während bei den kleineren Zusammenkünften eher auf Konversationen und Gemeinschaft gesetzt wird, steht bei den größeren Events Spaß im Vordergrund. Meine Aufgaben dabei sind es, Beziehungen zu den Jugendlichen aufzubauen, ein Vorbild zu sein und durch Fotos und Videos die Dokumentation in den Sozialen Medien zu sichern.
Vormittags helfen wir oft an den örtlichen Schulen bei Projekttagen zur Drogenprävention. Außerdem haben wir vor, Englischunterricht und einen Deutsch-Club anzubieten. Koordiniert wird das alles mithilfe eines Arbeitsplanes, wobei sich hier jedoch Theorie und Praxis stark voneinander unterscheiden. Denn in der Theorie umfasst eine Arbeitswoche hier bis zu 47 Stunden. Praktisch beläuft es sich allerdings momentan eher auf knapp 30 Stunden, weil einige Projekten zwar schon seit längerer Zeit geplant, aber noch nicht umgesetzt worden sind.
Generell ist meine Erfahrung in Costa Rica, dass ein Plan eher eine abstrakte Idee als eine konkrete Zukunftsvision darstellt. Das Gute daran ist, dass es nicht langweilig wird. Bis jetzt hat hier jede Woche andere Aufgaben für mich bereit gehabt.
Mein neues Zuhause
Vor zehn Tagen bin ich schließlich auch bei meiner Gastfamilie angekommen. Ich wohne hier zusammen mit einer Frau und ihren zwei erwachsenen Kindern. Alle drei sind super herzlich. So habe ich mich von Anfang an sehr willkommen gefühlt. Das Haus lässt sich am besten als eine „High-End-Hütte“ beschreiben. Das große Wellblechdach schützt uns vor der Sonne und dem Regen, macht es uns bei Unwettern aber fast unmöglich, uns zu unterhalten, weil es so laut ist, wenn der Regen darauf niedergeht. Es gibt drei Zimmer und ein weiteres ist an die Hütte angebaut, worin die Mutter schläft. Die Wände dienen jedoch ausschließlich als visuelle Trennung, da sie nicht bis zur Decke hoch gehen, selbst im Bad nicht. Wenn bei meiner Gastschwester also abends noch das Licht an ist, dann ist die ganze Wohnung quasi gut beleuchtet. Ich habe ein eigenes Zimmer, das von Bett über Spiegel bis Schrank alles hat, was ich brauche. Zu essen gibt es jeden Tag Reis mit Bohnen. Das Gericht wird zwar mit verschiedenen Fleisch- oder Gemüsesorten kombiniert, aber dafür auch dreimal täglich serviert. Nicht nur mein Reis- und Bohnenkonsum sondern auch mein Kaffeekonsum hat sich, obwohl ich es kaum für möglich gehalten hatte, nochmal gesteigert. Um ehrlich zu sein, mag das aber auch daran liegen, dass das Wasser hier sehr stark nach Chlor schmeckt.
Eine Sache, die mich anfangs sehr verwirrt hat, ist, dass der Fernseher hier ununterbrochen läuft. Wenn ich sage, dass meine Gastfamilie alles auf Netflix geschaut hat, das es gibt, dann meine ich das wörtlich. Egal ob Tierdokus, K-Dramen oder Serienkiller-Thriller zusammen mit der 9-jährigen Cousine, flimmert der Bildschirm bis spät in den Abend hinein. Tatsächlich schreibe ich diesen Blog gerade, während mein Gastbruder nebenan auf ohrenbetäubender Lautstärke ,,Iron Man II“ schaut, was es mir quasi unmöglich macht, mich richtig zu konzentrieren. Falls Sie also grammatikalische Fehler sowie auch inhaltliche Lücken entdecken, ist diesmal nicht das Berliner-Bildungssystem schuld. Apropos politisches Versagen.
Leben und Arbeiten auf der VISIONEERS-Finca
Das Projekt
Nur 36 Kilometer südlich von San José entfernt, in dem kleinen Dorf San Andrés de León Cortés in der Zona de los Santos, liegt die VISIONEERS-Finca idyllisch im Hochland zwischen Kaffeeplantagen und Avocadobäumen.
Oder anders gesagt, befindet sich hier mein Zuhause für das nächste Jahr.
Zusammen mit meinen drei Mitfreiwilligen wohne ich in einem der drei Gebäude etwas abseits der Hauptstraße von San Andrés. Das erste Haus ist bereits fertig, unseres ist noch nicht komplett fertiggestellt und der dritte Teil ist bisher nur ein Gerüst. Wir helfen fleißig beim Bau mit und übernehmen Aufgaben wie das Waschen und Streichen der Metallrohre, aus denen die Struktur des Hauses besteht. Außerdem haben wir unsere eigenen Wandplatten festgeschraubt und gestrichen, die Bretter für unsere Türrahmen lackiert und auch der Fassade einen Anstrich verpasst. Nachdem unsere Zimmer, Bäder und eine provisorische Küche eingerichtet worden waren, zogen wir in die Finca ein. Davor hatten wir in Wohngemeinschaften im Dorf gewohnt.
Meine Aufgaben
Neben der Arbeit auf der Baustelle bauen wir gerade ein Gewächshaus. Dazu haben wir einige kleine Kaffeepflanzen gefällt, den Teil des Berges terrassiert und die Bauarbeiter haben bereits die Eckpfosten in den Boden eingelassen. In der Zukunft werden wir selbst Beete schreinern und unser eigenes Gemüse anbauen können! Da auf der Finca außerdem Avocadobäume angepflanzt werden sollen, haben wir bereits Tüten mit Erde vorbereitet und einige Avocadokerne eingepflanzt. Mit dem unmittelbaren Kaffeeanbau hatte ich bisher aber noch nichts zu tun. Bald, noch im November, soll aber die Ernte beginnen, bei der wir dann tatkräftig anpacken können! Wenn es mal nicht so viel Arbeit gibt und das Wetter gut ist, gehe ich Müll sammeln auf der Plantage und um die Häuser herum. Es findet sich immer etwas, das aus einem der Müllsäcke gefallen ist oder das jemand verloren hat.
Auch abseits des Anbaus und der Baustelle gibt es Aufgaben: So gebe ich derzeit zwei Jugendlichen, die einen Freiwilligendienst in Deutschland machen wollen, Deutschnachhilfe. Dadurch konnte ich auch schon Gleichaltrige aus dem Dorf kennenlernen. Gemeinsam mit Andrés und den anderen Freiwilligen auf der Finca erstelle ich außerdem Inhalte für den Instagram-Account von VISIONEERS. Hierbei heißt es, kreativ zu werden, um interessante Videos aufzunehmen und schöne Beiträge zu entwerfen. Manchmal gestalten sich diese Aufgaben allerdings als etwas schwierig, da der Internetempfang, vor allem bei schlechtem Wetter, unzuverlässig ist.
Geplant sind außerdem Aktionen mit Jugendlichen am Wochenende und Volleyball-, Fußball- und Englischkurse in der Schule, die sich gleich gegenüber dem Eingang zur Finca befindet.
SAYÛ – oder auch: helfen
„Sayû“ bedeutet in der indigenen costa-ricanischen Sprache Boruca „helfen“ und „unterstützen“ und genau das spiegelt unser Projekt auch wider.
Vorstellung
Buenos días, wir sind Aline und Clara. Seit nun zwei Monaten sind wir Freiwillige der „Fundación SAYÛ“ in Quepos. SAYÛ ist eine junge Organisation, die 2020 mit dem Ziel gegründet wurde, die zentralpazifische Region um Quepos ganzheitlich zu unterstützen.
Unsere Arbeit
Unsere Aufgabe in der Organisation ist es, die sprachliche und musikalische Bildung zu fördern. Der Unterricht findet in dem Kulturhaus von Quepos statt und ist für jede Altersgruppe kostenlos zugänglich.
Zum einen unterrichten wir Englisch für Gruppen, die derzeit aus Schüler:innen im Alter von 10 bis 65 Jahren bestehen. Zum anderen geben wir Musikunterricht für eine Gruppe von Anfänger:innen, denen wir versuchen, die musikalischen Grundlagen wie Notenwerte, -namen und Taktarten, spielerisch zu vermitteln sowie einer Gruppe von Fortgeschrittenen. Zwei Klarinetten, zwei Saxophone, zwei Posaunen und eine Querflöte bilden dabei momentan die Gruppe an Blasinstrumenten. Das Ziel des Musikunterrichts ist es, eine Marching Band aufzubauen, an der jede:r, unabhängig von der finanziellen Situation, teilhaben kann. Marching Bands sind in Costa Rica ein großer Teil der Kultur und treten bei nationalen Feiertagen, wie dem Unabhängigkeitstag am 15. September, in Paraden auf.
Die ersten Eindrücke
An unseren ersten Tagen in Quepos wurde das Kulturhaus wiedereröffnet, wo wir Zury und Christian, unsere Chefs sowie einige weitere Leute aus Quepos kennenlernten. Wir wurden herzlich empfangen und haben die Organisation SAYÛ als engagiert und motiviert wahrgenommen.
Die erste Arbeitswoche bei SAYÛ haben wir damit verbracht, Ideen zu sammeln und unseren Stundenplan zu gestalten. Da wir die ersten Freiwilligen in diesem Projekt sind, die in dem Bereich der musikalischen und sprachlichen Bildung arbeiten, wussten wir anfangs nicht, was uns erwarten wird und welches Niveau die Schüler:innen haben werden. Die Unterrichtsvorbereitung war deshalb gar nicht so einfach. Insgesamt haben sich 70 Schüler:innen angemeldet, die wir je nach Verfügbarkeit in Gruppen auf die Tage Mittwoch, Freitag, Samstag und Sonntag aufgeteilt haben. Am Freitagabend trat die Folklore-Tanzgruppe von SAYÛ anlässlich des Unabhängigkeitstages, im Hafen von Quepos, auf. So lernten wir an diesem Abend nicht nur den traditionellen costa-ricanischen Tanz, sondern auch weitere Mitglieder:innen der Organisation kennen. Im Anschluss waren wir noch gemeinsam Abendessen, wodurch wir uns direkt integriert fühlten.
Der Start ins Projekt
In der zweiten Woche sollte dann auch schon der Unterricht starten. Vor unserer ersten Unterrichtsstunde waren wir zwar nervös, aber auch gespannt auf die Zusammenarbeit mit den Schüler:innen. Die ersten Stunden waren geprägt von Spontanität und Kreativität, da das Niveau in der Realität niedriger war als bei der Anmeldung angegeben. Weiterhin wurden wir sprachlich, vor allem im Musikunterricht, herausgefordert und mussten uns das musikalische Vokabular erst einmal aneignen.
Schließlich stellte sich am Ende der Woche heraus, dass statt der 70 angemeldeten Leute nur etwa die Hälfte tatsächlich zum Unterricht kommt. Unseren Chef Christian hat dies nicht sonderlich überrascht. Er sagt, dass sich die meisten Ticos, wie man die Costa Ricaner hier nennt, Freizeitaktivitäten gegenüber nicht verpflichtet fühlen.
Am Wochenende haben wir außerdem unsere Blasinstrumentengruppe kennengelernt. Die Schüler:innen erhalten seit einem Jahr Instrumentalunterricht, welchen wir jetzt weiterführen. Besonders hervorheben sollte man, dass keiner der Schüler:innen Unterricht von Lehrer:innen erhalten hat, die selbst auch das jeweilige Instrument spielen. Wie oben bereits erwähnt, ist der Musikunterricht kostenlos, die Instrumente werden von SAYÛ gestellt und die Mitwirkenden arbeiten ehrenamtlich. Finanziell ist es daher nicht möglich, professionelle Instrumentallehrer:innen einzustellen. Die Schüler:innen lernten mit Musikheften und YouTube-Videos die Grundlagen (Griffe und Notenwerte). Es ist sehr beeindruckend, wie motiviert die Musikschüler:innen nach einem Jahr des zähen und schleppenden Lernens geblieben sind.
Persönlicher Bezug zur Musik
Da wir beide seit mehr als zehn Jahren Klarinette lernen und in Orchestern aktiv sind, macht uns der Unterricht mit den Klarinetten am meisten Spaß. Hier können wir unser Wissen am besten einbringen und weitergeben. Trotzdem mussten wir uns dafür aber erst einmal das System der Böhm-Klarinette, welches weltweit, außer im deutschsprachigen Raum, verwendet wird, aneignen. Im Unterricht und bei den Proben können wir die neuen Griffe noch festigen. Neben unserem Spanisch stärken wir somit auch das neu gelernte Klarinettensystem.
Im Gegensatz dazu gestaltet sich der Unterricht mit den anderen Blasinstrumenten schwieriger, weil wir die Instrumente nicht selber spielen. Dass wir als Klarinettistinnen überhaupt andere Instrumente unterrichten würden, war uns vorher nicht bewusst. Um ehrlich zu sein, waren wir im ersten Moment auch ein wenig darüber schockiert, als wir dies erfahren haben. Da wir in Deutschland eine andere musikalische Bildung erhalten haben, war es für uns nur schwer vorstellbar, dass dieses Konzept umsetzbar ist. Das Lernen hier funktioniert anders als wir es kennen, aber wir konnten bis jetzt schon einige Fortschritte bei den Schüler:innen wahrnehmen.
Bei den Proben mit allen Instrumenten zusammen werden wir von Yoxan, dem vorherigen Musiklehrer, weiterhin unterstützt. Er hat sich das Klavier-, Gitarre- und Trompetenspielen selbst beigebracht, obwohl er, wie viele Musiker:innen in Costa Rica, auch keine theoretische Musikbildung erhalten hat. Yoxan freut sich daher, wenn wir ihm in der Musiktheorie Tipps geben können, wohingegen wir sehr erleichtert über seine Erfahrung im Unterrichten sind. Der gegenseitige Austausch ist nicht nur lehrreich, sondern macht auch viel Spaß. So vergingen unsere ersten Wochen ziemlich schnell und keine Woche war wie die vorherige.
Drei Jahre später ist besser als nie
2019: Eine Jugendgruppe von Costa Ricanern und eine Jugendgruppe aus Deutschland freuen sich darauf, einander kennenzulernen. Zuerst sollen die Ticos nach Berlin kommen, danach die Deutschen nach Costa Rica. Als Teil von „weltwärts“ sollen sie einander begegnen und für insgesamt vier Wochen unter dem Aspekt „Your god, my god, a god?“ Erfahrungen teilen, neue Perspektiven erhalten und so voneinander lernen.
2020/2021: Es ist soweit und doch kommt alles anders. Die Pandemie bricht aus, das Projekt muss verschoben werden.
11.11.2022: Heute, drei Jahre später sitze ich hier, als Teil eines Projekts, das ich eigentlich nie hatte kennenlernen sollen. Und doch bin ich hier, am Ende der ersten zwei Wochen. Morgen werden die Ticos Deutschland bereits wieder verlassen und ich freue mich schon darauf, in einem Monat, ihr Leben kennenzulernen.
Das Begegnungsprojekt
Im Rahmen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) im Juli 2016 die Förderlinie aufgelegt. Sie ermöglicht Jugendgruppen aus Deutschland und Ländern des Globalen Südens, gemeinsame Projekte im gegenseitigen Austausch durchzuführen. Im Fokus der Begegnungsprojekte steht die konkrete Auseinandersetzung mit einem der 17 Nachhaltigkeitsziele – der Sustainable Development Goals (SDGs). So können junge Menschen aktiv Verantwortung für die globale Zukunft übernehmen und diese nachhaltig mitgestalten.
Ankunft in Berlin
Mit ein wenig Verspätung sind die Ticos am Samstag in Berlin gelandet. Für die meisten war es der erste Flug, viele von ihnen sind das erste Mal außerhalb Mittelamerikas und für alle ist es die erste Reise nach Deutschland.
Wir haben sie vom Flughafen abgeholt und wenn wir sie nicht selbst bei uns aufgenommen haben, so brachten wir sie in Gastfamilien. Nach einem Einführungstag am Sonntag, während dem die Ticos klassische Touristen sein und das wichtigste von Berlin sehen konnten, begann am Montag dann bereits die Arbeit.
Die erste Woche – eine Begegnung in zweierlei Hinsicht
Das Begegnungsprojekt begann, als ein anderes Projekt, die Berliner Ferienschule bereits in ihre letzte Hälfte startete. So konnten die Costa Ricaner miterleben, wie die Arbeit von VISIONEERS tatsächlich aussieht und bei der Umsetzung dieser tatkräftig unterstützen. Beispielsweise kochten sie und nachdem in der ersten Woche das Essen teilweise dankend von den Schüler:innen abgelehnt wurde, lockte der tägliche würzige Geruch nun alle in die Küche und das Essen wurde mit Begeisterung gegessen. Darüber hinaus nahmen die Ticos an den Nachmittagsaktivitäten der Ferienschule teil und begegneten so den Jungs aus der Wohngruppe. Sprachbarrieren, die hier noch eine größere Hürde darstellten, da keine gemeinsame sprachliche Grundlage bestand, waren egal. Zusammen spielten sie Fußball oder Volleyball oder bestaunten Museumsausstellungen. Andere hingegen begleiteten „Skills On Wheels“ und bastelten und malten mit den Kindern zusammen. Es gibt Sprachen, die über das Mündliche hinausgehen. Herzlichkeit und Liebe, das ist das, was in dieser Woche gesprochen wurde.
Nosotros Servimos
Nosotros Servimos
…ist das Motto des Club Leos in Turrialba. Seit circa zwei Monaten absolviere ich meinen Freiwilligendienst bei den Leos, wie sie sich selbst bezeichnen. Als Freiwillige arbeite ich sowohl für den Club de Leones, die Hauptorganisation, als auch für den Club Leo, in dem sich junge Menschen ehrenamtlich engagieren. Dadurch erhalte ich einen tieferen Einblick in beide Organisationen. Seit diesem Jahr gibt es auch die Cachorros, die Löwenbabies, in dem Kinder in Begleitung ihrer Eltern aktiv sind und den Club de Leones unterstützen. Neben meiner Arbeit im Büro, wo wir in den direkten Austausch mit den Bewohner:innen Turrialbas treten und die Bestandslisten des Clubs aktualisieren, organisiert der Club de Leones diverse Aktivitäten. Daher im Folgenden ein kleiner Auszug aus den bereits erfolgten
Aktionen:
Leos in Aktion
Gleich zu Anfang meiner Einsatzzeit ereigneten sich schwere Regenfälle in einem anderen Teil Costa Ricas. Die akute Notlage hat die Chefin vom Club de Leones dazu veranlasst, die Bewohner:innen Turrialbas über die sozialen Medien dazu aufzurufen, den Geschädigten durch Spenden zu helfen. Die eingegangenen Spenden wurden nach Kleider-, Sach- und Lebensmittelspenden sortiert. Am darauffolgenden Tag haben wir die Spenden zu unserer Partnerorganisation, den Mitgliedern des Club de Leones Aserrí gefahren, die die Spenden dankend entgegengenommen haben.
Die fünf Säulen der Humanität
Der Club de Leones engagiert sich weltweit in den fünf Hilfsbereichen: Diabetes, Sehkraft, Hunger, Umwelt und Krebs bei Kindern. In jedem
Schwerpunkt führt der Club de Leones Aktionen durch, die die Bevölkerung sensibilisiert und bei Bedarf unterstützt. Im Einsatz für den Bereich Sehkraft hat der Club de Leones eine Familie aus Turrialba nach San José begleitet, wo sich die Clínica de la Vista de los Clubes de Leones de Costa Rica befindet, in der die Kinder einen Untersuchungstermin hatten. Die Augenklinik ist ein Teil aller in Costa Rica ansässigen Club de Leones und ist dank ihrer finanziellen Vergünstigungen eine bezahlbare Alternative zu anderen Augenkliniken in Costa Rica.
Willkommen im Club!
Gleich zu Beginn des Oktobers fand die Juramentación de Nuevos Socios statt. Beim Club Leo gibt es drei Stadien, in denen man aktiv sein kann. Als Freiwillige:r kann man bei geplanten Veranstaltungen mithelfen, hat aber keine weiterreichenden Rechte. Wenn man fester Bestandteil des Clubs sein will, in den Kommissionen mitarbeiten, eigene Interessen einbringen und ein Stimmrecht haben will, muss man einen sechsmonatigen Prozess durchlaufen, in dem man alles lernt, was man als Leo können und wissen muss. Die Anwärter:innen auf die Mitgliedschaft beim Club Leo heißen während dieser Zeit Aspirante. Nach erfolgreichem Durchlaufen des Prozesses kommen alle Leos zusammen, um durch eine offizielle Zeremonie die neuen Leos, in diesem Fall waren es vier, willkommen zu heißen. Als vollwertige Leos, die sich Socios nennen (Partner:in), besitzt man die Rechte und Pflichten sich einzubringen und den Club nach außen zu
repräsentieren.
Azupizu – 6 Stunden tief im Regenwald
Ich kenne ein Yanesha-Dorf. Es liegt etwa einen sechs stündigen Fußmarsch entfernt, tief im Regenwald.
Um 5:00 Uhr morgens klingelte der Wecker, Regen prasselte leise auf das Dach unseres Projekthauses. Draußen fing es schon langsam an, hell zu werden, als zwei peruanische Teammitglieder, Henry und Lucero, meine Mitfreiwillige Fenja und ich uns für unseren Aufbruch nach Azupizu fertigmachten. Ein langer Tag sollte uns erwarten, ein langer Fußmarsch durch den Regenwald. Da unsere Rucksäcke klein und leicht sein mussten, konnten wir nur das Nötigste mitnehmen.
Der Weg ins Dorf- der erste Abschnitt
Den Weg starteten wir mit einem Pickup. Wir fuhren über die holprigen, von Schlaglöchern übersäten Straßen Zentralperus. Wir fuhren an den entwaldeten Flächen Cacazus vorbei, dem einstigen kulturellen Hauptzentrum der Yanesha-Nation, das aber in den 70er-Jahren, der Straße, Holzfällern und Rinderweiden Platz machen musste. Der Regen begleitete uns. Je weiter wir fuhren desto dichter wurde der Wald, die Grasflächen wurden seltener und es fühlte sich an, als würde man in der Zeit zurückfahren. Doch im Gegenteil, die Zeit fuhr mit uns. Denn während ich einerseits das Gefühl hatte, der Zivilisation zu entfliehen, so fuhren uns andererseits immer wieder mit Holz beladene Laster entgegen. Mir wurde klar, dass die Straße nicht für die Menschen gebaut wurde, sondern für den Transport von Ressourcen.
Nach zwei Stunden hielten wir schließlich am Rande einer Brücke. Hier begann eine Abzweigung des Wegs, der entlang des Flusses und durch den Dschungel der Hochlandregenwaldregion Amazoniens zu der Yanesha-Gemeinschaft San Geronimo führte.
Die Yanesha-Gemeinschaft
Von früheren Ausflügen nach San Geronimo wusste ich, dass in diesen Wäldern Vogelspinnen, Giftschlangen und Jaguare leben. Für die Yanesha-Gemeinschaft ist es allerdings mehr als ein Dschungel.
Seit 3500 Jahren stellt dieser Urwald das Herzstück der Yanesha-Kosmologie dar. An der Seite dieses Waldes hat sich ihre Kultur entwickelt. Wenn man mit den Yanesha durch den Wald läuft, werden unscheinbare Blätter zu Heilpflanzen, Wurzeln zu Giften, abgenagte Bromelien zu einer Fährte und schöne Lagunen zur Heimat von Mythen und Glauben. Es ist eine einzigartige Welt, in der beide Akteure in einer Interdependenz zueinanderzustehen scheinen. Ohne die Yanesha gäbe es keinen Wald mehr und ohne den Wald keine Yanesha. Und so sind sie beide gleichermaßen vor dem Aussterben bedroht.
Der Weg ins Dorf – das letzte Drittel
Je weiter wir gingen desto höher waren die Bäume entlang unseres Weges gewachsen. Gleichzeitig wurde der Wald aber immer lichter. Wir gingen über Bergrücken, durchquerten Flüsse und Täler, während wir immer wieder eine einmalige Aussicht auf die Weite der Baumgipfel in den Tälern und den Hängen bekamen. Doch die Luftfeuchtigkeit, die Schwüle und der vom Regen aufgeweichte Boden machten uns das Laufen unglaublich anstrengend und wir kamen nur langsam voran.
Nach sechs Stunden, das Wasser reichte uns in unseren Gummistiefeln mittlerweile bis zu unseren Waden, kamen wir schließlich auf einer kleinen Lichtung bei einem Haus an, von dem es noch weitere 40 Minuten bis nach Azupizu dauern sollte. Eine Yanesha rief uns zu, dass wir uns ausruhen sollten und lud uns auf einen „Masato“ ein, dem traditionellen Getränk der Yanesha, welches aus Maniok hergestellt wird. Von ihrem Garten aus hatten wir einen Ausblick auf einen wunderschönen Wasserfall auf der gegenüberliegenden Bergseite, der wohl 80 Meter hoch sein musste.
Die Ankunft in Azupizu
Als wir in Azupizu ankamen, war es schon später Nachmittag und da in Peru die Sonne um 18:00 Uhr untergeht, hatte auch schon die Abenddämmerung begonnen. Trotzdem blieb uns noch genug Zeit, um die Dorfgemeinschaft kennenzulernen, von der wir sehr herzlich empfangen wurden und die trotz der Isolation sehr gut organisiert ist. Solarplatten liefern Strom, Maulesel weiden auf dem kleinen Fußballplatz und es gibt Duschen, die die Schwerkraft nutzen, um das Wasser der höher gelegenen Bäche zu verwenden.
Als die Sonne unterging, gingen die Sterne auf, auf einzelne folgten viele und schon bald war der ganze Himmel von ihnen bedeckt. In den Büschen wurde das Spektakel von Glühwürmchen und Glühfaltern, deren Lichter wie Augen zwischen den Ästen aufblinkten, erwidert. Zu den Geräuschen der Zirpen und dem Quaken der Frösche legten wir uns schließlich schlafen. Der Boden des Gemeinschaftshauses diente uns als Bett, auf dem wir nur noch unsere Schlafsäcke ausbreiteten.
Doch ich konnte nicht richtig einschlafen. Die Geschichte der Yanesha, von der sie mir an vielen Abenden erzählten, hielten mich wach. Um verstehen zu können, was wir hier in dem Projekt tun, erzähle ich sie euch.
Ein Tag im Hogar de Vida
Unser Projekt „Hogar de Vida“ ist ein Kinderheim in der Stadt Atenas. Das Kinderheim befindet sich auf einem großen Gelände und legt viel Wert darauf, dass die Kinder hier lernen, eigenständig ihre Aufgaben zu lösen und Verantwortung zu übernehmen.
Auf dem Gelände des Kinderheims gibt es insgesamt drei Häuser, in denen Kinder wohnen. Genannt werden diese Häuser Casa 1, 2, 3 (Haus 1, 2 und 3). Im Heim wohnen 35 Kinder, die auf die Häuser aufgeteilt sind. Sie sind im Alter zwischen 0 und 8 Jahren. Ältere Kinder werden hier auch aufgenommen, wenn sie mit Geschwistern zusammen ankommen. Aufgrund der enormen Größe des Geländes gibt es daneben noch unzählige Spielmöglichkeiten wie Spielplätze, Trampoline und sogar zwei Pools.
Alle Kinder haben eine andere Geschichte, die sie in dieses Heim geführt hat. Uns wurde erklärt, dass das jeweilige Kind im Regelfall für mindestens sechs Monate im Heim bleiben, bevor zum ersten Mal die häusliche Familiensituation der Kinder überprüft wird. Können die Kinder noch nicht nach Hause, bleiben sie länger im Heim. So kommt es vor, dass einige (wenige) Kinder schon seit mehreren Jahren hier sind.
Das Projekt versucht besonders durch einen geregelten Tagesablauf, den Kindern eine Struktur und Ordnung zu geben, die sie mit der Zeit erlernen. Dabei werden sie rund um die Uhr durch die Tías (die Erzieher:innen) mit ganz viel Liebe und Zuneigung unterstützt.
Für Bildung und Persönlichkeitsentwicklung – Mein Engagement als Freiwillige in Costa Rica
Flughafen San José, Freitag, 26. August, 16 Uhr
Draußen regnet es. Die Luft ist schwül. Überall herrscht reges Treiben – Erschöpfung, Aufregung, Freude. Was erwartet uns? Wie wird das kommende Jahr wohl werden? Werden wir uns gut verständigen können? – Das waren meine ersten Wahrnehmungen und Fragen bei meiner Ankunft in Costa Rica, nachdem ich 13 Stunden hierher geflogen bin.
Mittlerweile sind bereits über acht Wochen vergangen und ich habe schon so einiges erlebt:
Umgeben von Gastfreundlichkeit, Palmen und Schildkröten
Vollgepackt rannten wir alle unter Zeitdruck die steinige Straße entlang und huschten in das Busbahnhofsgebäude. Einige von uns stiegen in einen Bus, der kurz darauf schon abfuhr. Da saßen wir Übrigen nun. In etwa einer Stunde sollten wir abgeholt werden.
Zwei Wochen zuvor
Wir Freiwilligen fuhren zu unserem Sprachkurs auf die VISIONEERS-Finca, die in den Bergen liegt. Damals schon hatte sich unsere ursprüngliche Gruppe an Freiwilligen, in der wir angereist waren, verkleinert gehabt. Nun war sie ein weiteres Mal geschrumpft. Wir saßen nur noch zu viert im Auto und bewegten uns immer weiter in Richtung Pazifikküste. Diese Fahrt zu unserem neuen Zuhause fühlte sich anders an. Als wir zum Abendessen einen kleinen Zwischenstopp einlegten und aus dem Auto stiegen, wurde plötzlich alles so greifbar und nah. Ich erinnere mich daran, dass es, trotz der späten Abendstunde noch warm und schwül war.
Jetzt geht es so richtig los, dachte ich. Ich spürte das ganz deutlich.
Ankunft
Als wir etwas später auf einem Schotterweg den Schildern mit der Aufschrift „Playa Bandera“ folgten und vor einem Gittertor in der Dunkelheit zum Stehen kamen, waren meine WG-Mitbewohnerin und ich beide ziemlich gespannt und auch etwas nervös. Eine lächelnde Frau schob zwei bellende Hunde zur Seite und wir wurden freudig hineingelassen.
Unsere WG befindet sich bei der Pulpería, die eine Mischung aus einem Hofladen und einem Kiosk ist, welche mehr oder weniger auch als Dorftreffpunkt fungiert. Unsere neue Familie ist unglaublich herzlich und liebenswert.
Gleich am nächsten Morgen wurden wir mit einem Willkommens-Frühstück als Teil der Familie begrüßt und auch in den Tagen darauf immer wieder zum Essen eingeladen. So durften wir uns mit klassischen und auch traditionellen Gerichten verwöhnen lassen und lernten uns gegenseitig, trotz kleiner Sprachbarrieren, bei tollen Gesprächen etwas besser kennen.
Erste Erlebnisse
Gleich an unserem zweiten Abend bekamen wir die Chance dazu, etwas wirklich Beeindruckendes mitzuerleben. Während des gemeinsamen Abendessens wurden wir über die Sichtung einer Meeresschildkröte informiert. Sofort machten wir uns auf den Weg zum Strand und konnten diese bei der Eiablage beobachten. Der Schutz der Meeresschildkröten stellt in Costa Rica ein großes Thema dar, da die Zahl dieser weltweit stark zurückgeht. Um die Eier vor Wilderern zu schützen, werden diese eingesammelt und in eine Art „Brutstation“ gebracht. Genau dabei durften wir in dieser Nacht behilflich sein. Wir sammelten die 130 tischtennisballgroßen, weichschaligen Eier der Schildkröte ein und brachten sie in Sicherheit. Schon am nächsten Tag leisteten wir Unterstützung dabei, kleine, frisch geschlüpfte Baby-Schildkröten eines anderen Muttertieres ins Meer zu entlassen – eine unvergessliche Erfahrung!
Die ersten Tage in Bandera nutzten wir nicht nur um uns einzurichten und erste Kontakte zu knüpfen, sondern auch um den Strand und die Umgebung zu erkunden. Zwischen Palmen und Sand genossen wir die Wellen, schlenderten durchs warme Wasser und fuhren mit dem Fahrrad in die Kleinstadt um einzukaufen, da wir hier grundsätzlich selbst fürs Kochen zuständig sind. Zusätzlich wurde es zu unserer festen Gewohnheit, immer wieder die Wolken am Himmel zu beobachten, damit wir nicht plötzlich vom Regen überrascht werden, was ganz typisch für die Regenzeit in Costa Rica ist, die etwa von Mai bis Oktober andauert.