Mein Arbeitsalltag im Kinderheim „Hogar de Cuna“
In meinem Projekt „Asocuna“ arbeite ich in einem Kinderheim in San José, der Hauptstadt Costa Ricas.
Jeden Morgen laufe ich eine halbe Stunde zu meiner Arbeit, die um 8:00 Uhr beginnt.
Dort werde ich immer freundlich von den „Tías“ (Erzieherinnen, wörtlich übersetzt: „Tanten“) und den 18 Kindern, die alle zwischen null und sechs Jahre alt sind und in dem Heim leben, begrüßt.
Nachdem wir den Kindern nach ihrem Frühstück ihre Zähne geputzt haben, werden sie in zwei Gruppen aufgeteilt. Die älteren Kinder gehen mit der „Maestra“ (Lehrerin) in den Klassenraum und lernen dort die Zahlen und Farben oder spielen bildungsfördernde Spiele. Die kleineren Kinder, zu denen die unter zweijährigen Babys gehören, bringen wir in den Stimulationsraum. Dort singen wir vier „Guten Morgen“-Lieder und spielen mit ihnen.
Meistens helfe ich der Maestra im Klassenraum.
Bis 9:30 Uhr singen wir mit den Kindern Lieder und basteln etwas. Danach wird die erste „Merienda“ (Snack) serviert. Diese besteht meistens aus einer Frucht wie einer Banane, etwas Papaya oder Erdbeeren.
Um 10:30 Uhr gehen alle Kinder und Babys in die Pause. Wenn gutes Wetter ist, was meistens der Fall ist, gehen wir in den Außenbereich des Hauses, wo es viele Spiel- und Fahrzeuge gibt. Dort passen die Tías und ich auf, dass sich die Kinder nicht schubsen, hinfallen oder das Spielzeug eines anderen Kindes klauen.
Vor dem Mittagessen „klatschen“ wir immer ein Gebet und danach werden die Kinder um 11:00 Uhr gefüttert. Anschließend putzen wir ihnen wieder ihre Zähne und dann beginnt auch schon die „Siesta“, der Mittagsschlaf. Dieser geht unter der Woche bis 14:00 Uhr.
Währenddessen bekommen ab 11:30 Uhr, die älteren Kinder ihr Mittagessen. Diese sind alt genug, um selbstständig zu essen, sodass man nur darauf achten muss, dass sie alles aufessen. Wenn ein Kind aufisst, bekommt es ein „Fresco“ (Erfrischungsgetränk).
Nachdem wir auch deren Zähne geputzt haben und sie schlafen, essen ich und meine Arbeitskolleginnen gemeinsam zu Mittag.
Oftmals helfe ich in der Pause meiner Chefin dabei, Spenden zu sortieren oder andere Sachen für die Kinder vorzubereiten. Manchmal kann ich mich aber auch in einem Nebenraum bis 14 Uhr ausruhen.
Der Start in mein weltwärts-Abenteuer
Jetzt geht es endlich los
Der langersehnte Abreisetag, der 26. August, kam dann doch schneller als gedacht. Schon saß ich mit meiner ganzen Familie und gepackten Koffern im Auto auf dem Weg zum Flughafen. Jetzt startete mein Abenteuer also wirklich, dachte ich, mein weltwärts-Freiwilligendienst. Das Jahr, auf das ich mich während des ganzen letzten Jahres vorbereitet hatte, das aber doch immer noch so weit weg gewesen war. Plötzlich war doch die Zeit gekommen, um Abschied zu nehmen. Es ist ein komisches Gefühl, wenn man weiß, dass man sich für so eine lange Zeit nicht mehr sehen wird. Die Vorfreude war plötzlich verschwunden und ich spürte nur noch die Nervosität und Angst vor dem, was kommen wird. Es gab so viel Ungewissheit darüber, wie das nächste Jahr aussehen wird.
Ich komme in meinem neuen Zuhause an
Nachdem ich die ersten zwei Wochen in Costa Rica noch mit einigen anderen Freiwilligen gemeinsam beim Sprachkurs verbracht hatte, ging es für uns alle zu unseren Projektstandorten. Es war schön, die ersten Tage in einer großen Gruppe zu verbringen, um die ersten Erfahrungen hier gemeinsam zu machen. Schließlich ging es danach so richtig los mit unserem Freiwilligendienst.
Samstagabends machten wir, meine Mitfreiwillige Alisa und ich, uns auf den Weg nach Bandera, einem kleinen Dorf an der Pazifikküste, wo wir das Jahr über wohnen und unseren Dienst leisten. Gespannt saß ich im Auto und dachte während spannender Gespräche mit einem „VISIONEERS“ – Mitarbeiter darüber nach, wie wohl mein Leben im nächsten Jahr aussehen würde.
Wie schnell werden wir Anschluss finden und neue Leute kennenlernen? Werde ich mich bei der Arbeit mit den Kindern wohlfühlen? Habe ich dafür wirklich genug Selbstvertrauen? Wie wird meine Freizeit aussehen? Werde ich Surfen lernen? Habe ich die Chance dazu, ab und zu Tennis zu spielen, den Sport, den ich sicherlich sehr vermissen werde?
Fragen über Fragen, deren Antworten ich wohl erst im Verlauf der nächsten Monate finden werde.
Auch wenn ich noch nicht genau wusste, was mich erwarten wird, freute ich mich wirklich darauf, jetzt so richtig ankommen zu können. Ich war schon ganz gespannt auf das kleine Häuschen, in dem Alisa und ich für das nächste Jahr zusammen in einer WG wohnen werden.
Als wir im Dunkeln über den Schotterweg gebrettert sind, wo ein Schlagloch dem nächsten folgte, konnte ich mir schon mehr darunter vorstellen, was es bedeutet, in einem kleinen Dorf ohne Busanbindung zu wohnen. Als wir endlich angekommen waren, hievten wir unsere Koffer und Rücksäcke aus dem Auto und wurden herzlich von unserer Nachbarin empfangen.
Man sieht hier sehr viele einfache Wellblechhütten, die ein Zuhause für viele Familien hier sind. Deswegen wollten wir beide nicht zu viel erwarten und waren wirklich positiv von unserem kleinen Häuschen hier überrascht. Ich habe hier zwar kein eigenes Zimmer und das Haus ist sehr einfach, trotzdem fühle ich mich hier sehr wohl.
Wir wohnen direkt hinter der Pulpería – dem Dorfladen Banderas. Die Familie, welche die Pulpería betreibt, ist für uns wie eine Gastfamilie geworden. Gleich an unseren ersten Tagen wurden wir zum Essen eingeladen und von allen herzlich begrüßt. Hier, am großen Tisch und in der offenen Küche der Nachbarsfamilie, wo wir auch sehr viel Zeit verbringen, kommt das ganze Dorf zusammen. Sogar jetzt gerade, während ich diesen Blogartikel schreibe, sitze ich hier am Tisch und höre dem Regen zu, wie er auf das Wellblechdach prasselt.
Das ist das Projekt UNO+
UNO+ ist ein Bildungsprojekt mit dem Ziel einer ganzheitlichen Förderung der Kinder, um ihnen eine gute Schullaufbahn und somit einen guten Start in ihr späteres Leben zu ermöglichen. An insgesamt fünf verschiedenen Standorten werden benachteiligte Kinder zwischen 7 und 12 Jahren betreut. Ich arbeite zusammen mit meiner Mitfreiwilligen in den Orten Bandera, La Loma und Parrita. Hier betreuen wir am Nachmittag die Kinder, nachdem sie aus der Schule kommen.
Unser erster Arbeitstag bei UNO+ startete in einem kleinen Chaos. Da die Absprache etwas schiefgelaufen war, sollten wir gleich an unserem ersten Tag ca. 20 herumtobende Kinder beschäftigen, ohne etwas mitgebracht oder vorbereitet zu haben. Mit etwas Improvisation und Kreativität ist uns dies aber auch ganz gut gelungen.
Die erste Etappe meines Abenteuers „weltwärts in Costa Rica“
26. August 2022, 6 Uhr morgens, Flughafen München
Die letzten Abschiedsworte und Umarmungen werden ausgetauscht, ein paar Tränen vergossen, während mein Herz schon aufgeregt pocht. Ob wegen der utopischen Uhrzeit oder des bevorstehenden Abenteuers, kann ich nicht sagen. Vielleicht ist es auch eine Mischung aus beidem. Schnell gehe ich durch die Sicherheitskontrolle, in ein winziges Flugzeug hinein und dann geht’s auf nach Zürich. Hier finden sich dann alle Freiwillige ein, um gemeinsam in ein Flugzeug mit Kurs auf das Abenteuer „Costa Rica“ zu steigen.
Ankunft
Nach einem 12-stündigen Flug wurden wir am Flughafen abgeholt, von wo aus die eine Hälfte der Gruppe zum Sprachkurs an den Strand chauffiert wurde und die andere Hälfte zur Finca.
Der Sprachkurs für die Anfänger fand am Strand statt, wo wir zwei unvergessliche Wochen voller Spanischunterricht, Sonne, Strand und Meer genießen durften.
Schon dort lernten wir herzliche und liebenswerte Ticos kennen, welche uns die Sprache, die Kultur und die Küche näherbrachten. So lernte ich dort schon das köstliche Gericht „Platanos“ kennen, welches aus Kochbananen besteht, die in der Pfanne gebraten werden.
Am 11. September waren diese ersten zwei Wochen unseres Costa Rica-Aufenthalts vorbei und wir wurden in einer abenteuerlichen Fahrt über Schotterwege in den Bergen auf die Finca gefahren.
Ankunft auf der Finca
Dort wurden Svenja, eine andere Freiwillige und ich in unser Haus gebracht, wo wir für ca. einen Monat wohnen sollten, bis unser Teil der Finca fertig gebaut sein würde. Es war schon ein eigenartiges Gefühl, an diesem Abend ins Bett zu gehen mit dem Wissen, nicht nur von zu Hause aus- und in eine WG eingezogen zu sein, sondern dies in Costa Rica, am anderen Ende der Welt, getan zu haben. Doch schnell gewöhnten wir uns daran und genossen unsere neu gewonnenen Freiheiten, wie etwa nur noch Essen zu essen, welches uns auch wirklich schmeckt, sehr. Natürlich lernten wir auch schnell die Kehrseite der Medaille kennen. Beim wöchentlichen Einkauf mussten wir nun selbst die Finanzen im Auge behalten. Dies war die erste große Erfahrung, die meine Mitfreiwilligen und ich machen durften, an welche wir uns sicher noch lange gemeinsam erinnern werden.
Über den Wolken
Während meines Auslandsjahres in Costa Rica hatte ich das Glück, viele Orte sehen zu können. Ich bin von Provinz zu Provinz gereist und habe dort jede Menge costa-ricanische Kultur kennenlernen dürfen. Doch meine Reisen waren überwiegend von Städten, Stränden und Nationalparks geprägt gewesen, weshalb es mir wichtig war, noch einmal eine ganz andere Reiseerfahrung zu machen und von der möchte ich in diesem Blog berichten.
Der höchste Berg Costa Ricas
Es handelt sich dabei um das Besteigen des „Cerro Chirripos“, der mit stolzen 3821 Höhenmetern der höchste Berg Costa Ricas ist. Diese Wanderung stand schon lange fest, weil zum einen eine Übernachtung oben auf dem Gipfel bereits Monate vor der geplanten Wanderung reserviert werden musste, da die Hütte nur über begrenzten Platz verfügt. Zum anderen sollte man sich aber auch auf diese Art von Unternehmen körperlich vorbereiten. Greta (meine Mitbewohnerin) und ich hatten das Glück, bereits ein Gespür für die Höhenmeter bekommen zu haben, da wir eine Gruppe von Ticos bei ihrem Besteigen des Berges „Pico Blanco“ begleitet haben, der vor allem für seine enorme Steigung bekannt ist und deshalb auch nur von wenigen Reisegruppen jährlich bestiegen wird. Aber kommen wir zum Chirripo zurück. Noch vor unserer Wanderung haben wir von allen Seiten gehört, dass ein Guide unbedingt notwendig sei, insbesondere da sich die Wetterverhältnisse innerhalb weniger Minuten komplett verändern können. Trotzdem haben wir uns aber gegen einen Guide entschieden, weil wir uns als Vierergruppe doch recht sicher gefühlt haben! Jedoch hat mir diese Schilderung der Einheimischen Angst eingejagt und ich hatte die Befürchtung, dass wir die ganze Wanderung vielleicht doch zu sehr auf die leichte Schulter genommen haben. Doch glücklicherweise war diese Befürchtung in unserem Fall völlig unbegründet. So habe ich die Wanderung in vollsten Zügen genießen und die atemberaubende Natur auf 3800 Höhenmetern bestaunen können.
Die zwei Seiten des einsamen San Andrés
Nachdem ich meine ersten zwei Wochen im Sprachkurs am Pazifik mit gutem Wetter und leben in einer Gated Community, inklusive Tennisplatz und Pool verbracht habe, wurde es Zeit für eine Abkühlung. Nicht nur hinsichtlich der Temperaturen, welche in den Bergen 15 Grad (gefühlt) niedriger liegen werden als am Meer, sondern auch hinsichtlich meiner eigenen Erwartungen und der Realität.
Es geht los
Als ich und meine Mitfreiwilligen am 10.09. in San Andrés de León Cortés bei unserem Projekt ankamen, wurden wir nett von unseren Chefs begrüßt und aßen gemeinsam zu Mittag. Da das Haus auf der Finca, in welchem wir mittlerweile wohnen, bei unserer Ankunft noch einer Baustelle glich, wurden wir für die ersten drei Wochen jeweils zu zweit in unterschiedlichen Häusern im Dorf untergebracht. Als wir das erste Mal durchs Dorf fuhren, wurde mir erst richtig bewusst, was ich mir für einen Ort ausgesucht hatte und was das in der Realität für mein Jahr hier bedeutete.
Inzwischen lebe ich auf der Finca in einer WG mit drei anderen Freiwilligen. Das hat sowohl Vor- als auch Nachteile. Einerseits haben wir viele Freiheiten, können kochen was wir wollen und müssen uns nicht an die Strukturen und Regeln einer Gastfamilie halten. Andererseits haben wir es schwerer, uns in die Dorfgemeinschaft zu integrieren und Menschen kennenzulernen. Mittlerweile habe ich aber guten Anschluss zu Leuten in meinem Alter gefunden und gehe unter anderem zweimal die Woche Fußballspielen oder bestelle mit den anderen Pizza und verbringe den Abend mit ihnen zusammen.
Meine Arbeit hier
Unsere Arbeit besteht zurzeit im Wesentlichen darin, auf der Baustelle des dritten Gebäudes der Finca mitzuhelfen. Hier erledigen wir Aufgaben wie das Streichen von Wänden und Balken oder Vorbereitungs- und Aufräumaufgaben, wie das Mischen von Beton oder das Ausheben von Löchern für das Fundament. Außerdem errichten wir ein Gewächshaus und später kommt noch ein Hühnerstall dazu. Es bleibt aber auch oft Zeit, um einfach einen Spaziergang, die Kaffeeplantage hinunter, zum Wasserfall zu machen. Da die Kaffeebohnen noch nicht reif sind, können wir noch nicht auf der Kaffeeplantage arbeiten, da es dort zurzeit keine Aufgaben gibt. Ende November beginnt dann aber die Kaffeeernte, bei welcher wir auch tatkräftig unterstützen werden.
Mein Projekt bietet zurzeit zwar noch nicht so viele Aufgaben, wenn es aber etwas zu tun gibt, sind dies meistens körperliche Tätigkeiten, sodass ich am Abend froh darüber bin, früh ins Bett zu gehen.
Zwei Frauen, Zwei Leben, ein Land: Costa Rica
In meinen bisherigen Newslettern habe ich hauptsächlich über mich und mein Leben als Freiwillige in Costa Rica geschrieben. Ich habe euch von meinen Reisen, meiner Arbeit und anderweitigen Erfahrungen berichtet. In diesem Newsletter möchte ich aber das Gegenteil tun. Wie ist es eigentlich, in Costa Rica aufzuwachsen und zu leben? Da diese Frage natürlich nicht pauschal beantwortet werden kann, habe ich mich dazu entschieden, beispielhaft zwei Geschichten von zwei unterschiedlichen Frauen zu erzählen. Die eine ist die von Estefania (20), meiner Arbeitskollegin, die andere die von María (16), meiner Nachbarin.
Estefanias Geschichte
Um die Geschichte Estefanias besser verstehen und nachvollziehen zu können, ist es erst einmal wichtig zu wissen, dass Costa Rica durch seine zentrale Lage innerhalb Mittelamerikas und seiner vergleichsweise hohen Sicherheit von Migration geprägt ist. So kamen bereits früh Migranten aus dem Norden, vor allem aus Nicaragua. Dies hat sich in den letzten Jahren verstärkt. Im Jahr 2018 kam es in Nicaragua zu landesweiten Unruhen, weshalb viele Menschen nach Costa Rica flüchten mussten. Zwei Jahre später flohen fast zehntausend Menschen aus Nicaragua nach Costa Rica, was bei fünf Millionen Einwohnern nicht unerheblich ist.
In La Milpa, dem Stattteil von Heredia, in dem sich mein Projekt befindet, lebt Estefania mit ihrer Familie. Sie kam vor vielen Jahren, als sie selbst noch ganz jung war aus Nicaragua nach Costa Rica. Ihre Mutter konnte in ihrer Heimat keine Arbeit finden und so ihr Leben dort nicht mehr finanzieren. Als die Familie in Costa Rica ankam, baute sie sich illegal eine Blechhütte, in der sie noch heute mit sieben Familienmitgliedern lebt, zu denen neben Estefanias Eltern auch noch ihre drei Geschwister und ihre beiden Großeltern gehören. Allerdings besitzen sie weder Stühle noch einen Tisch oder ein Sofa. Lediglich ein paar Betten und einen Kleiderschrank konnten sie in die Hütte stellen. Estefania ist, als das älteste Kind, für alle Lebensbereiche verantwortlich. Sie muss sich um ihre Geschwister kümmern und täglich das Essen auf den Tisch bringen, wobei allein das Kochen bis zu vier Stunden dauern kann. Zusätzlich begleitet sie ihre Großmutter zu Arztterminen, da diese an Krebs erkrankt ist.
Es gibt viele solcher Familien, die illegal in Costa Rica leben, da es sehr schwer und sehr teuer ist, die Staatsbürgerschaft zu erlangen. Aus diesem Grund finden viele Migranten keinen richtigen Job. Auch das Recht zu studieren, ist an die Staatsbürgerschaft gekoppelt. Estefania würde gerne Grundschullehrerin werden, da sie aber noch keine Staatsbürgerschaft besitzt, darf sie das erst einmal nicht. Solange arbeitet sie freiwillig in dem „Refugio“, in dem Programm in dem auch ihre Geschwister aufgenommen worden sind. Estefania und ihre kleinen Geschwister haben dort die Gelegenheit, Perspektiven für ihr späteres Leben zu entwickeln.
Das Schicksal anderer Kinder
Dennoch gibt es viele Kinder, die dieses Privileg nicht haben. Denn obwohl die Kinder in die Schule gehen könnten, sind ihre Eltern oftmals aufgrund psychischer Erkrankungen oder einer Drogenabhängigkeit nicht dazu in der Lage, ihre Kinder regelmäßig in die Schule zu schicken. Daher verbringen die Kinder oft den ganzen Tag auf der Straße. Sie lernen zu stehlen, müssen sich häufig unter Anwendung von Gewalt behaupten und geraten auf diese Weise schnell in ein kriminelles Milieu. Ihre einzige Möglichkeit, Geld zu verdienen, besteht dann darin, „unter der Hand“ zu arbeiten, was Korruption beinhaltet oder sie gehen in die Selbstständigkeit. Viele verkaufen in diesem Rahmen Lebensmittel oder handgemachte Artikel an den Haustüren.
Der Drogenhandel
Zudem ist der Handel mit Drogen eine sehr lukrative Möglichkeit, schnell an Geld zu kommen. In La Milpa entwickelte sich das über viele Jahre zu einem riesigen Problem. Gerade in bildungsfernen Familien steigt die Drogenabhängigkeitsrate stark an, womit sich der Teufelskreis fortschreibt, in den die Kinder hineingeboren werden.
Denn mit dem Drogenhandel ist eine Gewaltbereitschaft verbunden, die von der Rivalität zwischen den Drogendealern und deren Gangs ausgeht. Sie begehen Überfälle und misshandeln und entführen Kinder. Häufig sind es auch die Eltern, die für ihre Kinder zu einer Gefahr werden, weil sie sich an ihnen vergehen und das schon in frühen Jahren. Bereits Kinder im Vorschulalter müssen dieses Leid und Unrecht ertragen. Für mich ist es schockierend, das mitanzusehen. Doch auch wenn ich diesen Einblick in das Leben der Kinder durch das „Refugio“ bekomme, kann ich sicherlich nicht wirklich nachempfinden, wie es diesen Menschen wirklich gehen muss und wie ausweglos ihre Situation für sie oftmals zu sein scheint.
Nun möchte ich eine ganz andere Art des Lebens in Costa Rica vorstellen, die von deutlich mehr Wohlstand geprägt ist.
Wer mag denn bitte keine Kinder?
„Saraaah, Polllllli“, ertönt es schon von weitem durch die Aula des „Red Emmanuel“ Kindergartens. Herzlich werden wir von den Kindern beim Betreten begrüßt und liebevoll umarmt. Wenn wir es dann auch mal in die Aula geschafft haben, können wir auch unsere Co-Workers begrüßen.
Die Guardería unterteilt sich in fünf Gruppen: die Kinderkrippe für Babies und Kleinkinder (0 bis 3 Jahre), die Gruppe „Interactivos I“ mit Kindern, die die Vorschule/erste Klasse besuchen (3 bis 5 Jahre), die Gruppe „Interactivos II“ (5 bis 9 Jahre) und eine Gruppe mit 9 bis 12-Jährigen. Die meist aus strukturell marginalisierten Verhältnissen stammenden Kinder bekommen hier eine vollumfassende Betreuung mit Frühstück, Mittagessen und Meriendas (Snacks). Vormittags betreuen wir vor allem die „Interactivos I“, während wir den Nachmittag mit den älteren Schüler:innen verbringen.
8:00 Uhr
Sport! Wir holen unsere Kindergruppe von ihrer Casita ab, einem kleinen Haus im Garten der Guardería, und begleiten sie in den Park, gleich die Straße hinunter. Dort werden wir aktiv, denn nun teilen wir die „Niños“ auf verschiedene Stationen auf, bei denen sie kleine Aufgaben zu bewältigen haben und so eine Grundlage für Ballsportarten erlernen. Von einem geordneten Ablauf ist dabei allerdings kaum die Rede, denn die Kinder sind nun einmal sehr energiegeladen.
9:00 Uhr
Merienda – Früchte, wie Ananas, Apfel oder Papaya werden aufgeschnitten und an die Kinder verteilt. Besonders in dieser Zeit kann es durchaus lauter werden, was die Kinder aber nicht weniger liebenswürdig macht. Auch das Massaker am Boden wird gleich nach dem Essen wieder entfernt. Anschließend geht es zurück in die Casita, wo wir den Interactivos I von 9:30 Uhr bis 10:30 Uhr Englischunterricht geben. Um 11:00 Uhr begleiten wir sie dann zum Mittagessen.
Nachdem die Kinder gegessen haben, putzen sie ihre Zähne und machen sich fertig für die Siesta. Mit der fünfstündigen Brahms-Einschlafplaylist, Gott segne ihn, tätscheln wir sie in den Schlaf. Sobald alle eingeschlafen sind, essen dann auch wir selbst zu Mittag. Es kehrt kurzzeitig Ruhe ein. In dieser Zeit können wir entweder für einen kleinen Obolus das leider oft fleischlastige Essen der Guardería essen oder das Essen, das wir uns mitgebracht haben.
Und schon beginnt der Winter
Update aus Deutschland
Heute, am 17.11. 2022 waren es drei Grad Celsius in Berlin. Es ist also viel zu kalt und dabei dauert es noch ein bisschen, bis der Winter hier wirklich beginnt. Es ist also die Wahrheit, wenn sie dir in Costa Rica während der Vorbereitung sagen, dass es in Deutschland kalt ist.
In den vergangenen Monaten ist mein Deutsch merklich besser geworden. Ich kann inzwischen ein richtiges Gespräch mit den Menschen hier auf Deutsch führen. Aber irgendwie ist es auch klar, dass man sich, wenn man sechs oder sieben Monate in einem anderen Land gelebt hat, an die Sitten anpasst und die Sprache lernt. Auch an meine Arbeit habe ich mich schon gewöhnt. Trotzdem kann es auch etwas stressig werden, wenn man mit Jugendlichen arbeitet. Aber am Ende des Tages ist es wichtig, dass sie gute Menschen sind und das sind sie. Das ist das, was für mich zählt. Obwohl wir nicht die gleiche Sprache sprechen, macht es Spaß, die verrückten Dinge zu sehen, die sie tun, manchmal spielen und scherzen wir zusammen.
Von den Erfolgen und Schwierigkeiten im Arbeitsalltag
Endlich angekommen
„WAS??“, fragt uns plötzlich die Köchin, als wir sie auf Spanisch darum bitten, uns unseren Früchtesnack für diesen Morgen zu geben. Wir beide schauen uns super irritiert an. Daraufhin fängt Nelsy, die Köchin der Kindertagesstätte, an zu lachen. Sie erklärt uns, dass sie sich dieses eine deutsche Wort echt gut merken könne, da Kathi und ich (Lara) uns oft fragend anschauen, wenn wir etwas nicht verstehen. In der Hoffnung, die andere hätte es vielleicht verstanden, fragen wir dann: ‚was?‘. Als wir das hören, müssen auch wir lachen. Es war glücklicherweise überhaupt nicht als Vorwurf gemeint. Ganz im Gegenteil, es hat sich so angefühlt, als wären wir immer mehr im Team ankommen.
Umarmungen machen glücklich
Dieses Gefühl haben uns die Kinder schon von vom ersten Tag an gegeben. Sie haben sich so sehr darüber gefreut, dass wir jetzt da sind, um mit ihnen Zeit zu verbringen und Englisch zu üben. Nachdem uns am Morgen die Gittertür geöffnet wird, werden wir an jedem Tag mit derselben Euphorie begrüßt und stürmisch von den Kindern umarmt. Ihre begeisterten „Teachers“-Rufe hören wir aber schon, sobald sie uns durch die Fensterscheibe sehen. Ihre liebevolle Art macht es uns nicht schwer, sie alle sofort ins Herz zu schließen.
„Ups und Downs“ gehören dazu
Doch man darf sich davon nicht täuschen lassen, denn das heißt nicht, dass die Kinder auf uns auch automatisch hören würden. Davon darf man sich aber nicht unterkriegen lassen. Mit der Zeit entwickelt man ein immer besseres Durchsetzungsvermögen. Natürlich gibt es aber auch viele Momente, in denen man auf die Unterstützung der Betreuer:innen angewiesen ist. Dabei ist es wichtig, sich klar zu machen, dass es okay ist, Hilfe zu brauchen. Man fühlt sich schnell mal überfordert, wenn man auf alle Kinder gleichzeitig aufpassen muss und dabei keines aus den Augen verlieren darf. Vor allem bei den jüngeren Kindern muss man aufpassen, dass sie nichts in den Mund nehmen. Oft entsteht auch irgendein Streit zwischen den Kindern, der sich meistens aber schnell wieder lösen lässt.
Auf der anderen Seite kann es aber auch in anderen Momenten vorkommen, dass man sich eher unterfordert fühlt. Manchmal sitzen wir nur am Rand und schauen zusammen mit den Kindern und dem/der Betreuer:in fern. Da kann einem dann schon auch sehr schnell langweilig werden.
Ein bisschen Abwechslung tut jedem gut
Mittlerweile dürfen wir uns aber während solcher Aktivitäten auch manchmal gemeinsam anderen Aufgaben widmen, wie z.B. die neue Monatsdekoration zu organisieren. Ob Blumen basteln, Buchstaben ausschneiden oder Kartonfrüchte aufhängen, es gibt jeden Monat neue kreative Aktionen für die Dekoration. Meistens hat unsere Chefin Eva schon eine Vorstellung, was sie gerne haben würde und es ist dann an Kathi und mir, diese umzusetzen. Das ist eine unserer Lieblingsaufgaben, weil man so die Möglichkeit bekommt, kurz durchzuatmen und in seinem Arbeitsalltag etwas Abwechslung zu bekommen.
Hogar CUNA – mi segunda familia tica
Wie die Überschrift schon verrät, sind die sogenannten „Tías“, die Erzieherinnen hier, nicht nur für die 18 Kinder im Kinderheim eine Familie geworden, sondern auch für mich. Zu Beginn möchte ich aber erst einmal erklären, was es mit meinem Projekt überhaupt auf sich hat. Bei den Kindern handelt es sich um Kleinkinder im Alter von 0-6 Jahren, die aus ihren Familien genommen wurden, weil für sie der dortige Verbleib als eine Gefahr eingeschätzt wird. Sie wurden in ihren Familien Opfer körperlichen, sexuellen oder emotionalen Missbrauchs und ihnen bietet das Kinderheim nun ein sicheres Zuhause sowie ein Rehabilitationsprogramm.
Mein Arbeitsalltag
Wenn mein Tag um 8:00 Uhr im Kinderheim startet, dann sind die Kinder gerade in den letzten Zügen ihres Frühstücks. Daraufhin ist es die Aufgabe meiner Mitfreiwilligen Sahra und mir, beim Zähneputzen zu helfen, die Kinder dann vor dem Fernseher zu versammeln und den Essbereich zu putzen.
Montags frühstücken immer alle Kolleg:innen zusammen und es wird eine sogenannte „devocional“ (Andacht) abgehalten, die vergangene Woche reflektiert und die neue geplant. An den übrigen Tagen beginnen wir den Morgen oftmals mit einer Runde „Just Dance“ und einem Gebet. Anschließend werden die Kinder in zwei Gruppen aufgeteilt. Die Jüngeren sind 0-2 Jahre alt und die älteren 2-6 Jahre. Ich begleite momentan die älteren Kinder und gehe dementsprechend mit ihnen in eine Art Klassenzimmer. Die Kinder können hier in einem Morgenkreis noch ein Gebet sprechen und manchmal wird darüber hinaus eine Bibelstelle gemeinsam gelesen. Im Klassenraum behandeln wir prinzipiell verschiedene Themen. In den letzten paar Wochen hat sich alles um Farben und Zahlen gedreht. Mittlerweile lautet das neue Thema: Weltall. So basteln wir jetzt fleißig mit den Kindern Sterne, Aliens und Teleskope. Auch die dazu passende Dekoration darf natürlich nicht fehlen. Im Anschluss dürfen sich die Kinder auch ein bisschen selbständig mit den Spielen beschäftigen, welche oftmals an das jeweilige Thema angepasst sind. Weiter geht es mit dem Händewaschen, denn dann wartet ein kleiner Fruchtsnack auf die Kinder. Währenddessen wird oftmals eine kleine Geschichte aus der Bibel im Fernsehen gezeigt. Jetzt ist es auch schon Zeit dafür, für ungefähr eine Stunde auf den Pausenhof zu gehen. Hier können sich die Kinder auf der Schaukel, der Wippe, dem Klettergerüst oder beim Fahren mit den Spielautos etwas austoben. Gleichzeitig esse ich schon einmal mit den drei Schul- und Kindergartenkindern zu Mittag, packe ihnen einen weiteren Nachmittagssnack ein und ziehe sie um, da hier in Costa Rica eine Schuluniform getragen wird. Um 11:00 Uhr geht es dann auch schon für die Babys zum Mittagessen und gegen 11:30 Uhr folgen ihnen die Großen, nach einer weiteren Runde Händewaschen, in den Speisesaal. Vor dem Mittagessen wird abermals ein Glaubenslied angestimmt, um Gott für das Essen zu danken. Nach dem Mittagessen heißt es dann für uns noch einmal, den Kindern die Zähne zu putzen und die Räume zu putzen. Für die Kinder geht es daraufhin für einen kurzen Mittagsschlaf ins Bett. In diesem Zeitraum haben wir Mittagspause. Das bedeutet, wir können selbst etwas essen, neue Materialien vorbereiten, aufräumen oder uns entspannen und nach Deutschland telefonieren. Ab 14:00 Uhr heißt es dann, die Kinder aufzuwecken, umzuziehen und ihnen ihre Windeln zu wechseln. Der Tag geht nun mit einem Nachmittagssnack und gemeinsamen Spielen drinnen weiter. Um 16:00 Uhr neigt sich dann mein Arbeitstag dem Ende zu und ich begebe mich auf meinen Heimweg.
An manchen Tagen stehen aber auch besondere Ausflüge an, wie beispielsweise zu McDonald’s, in ein Altenheim, zu einem Kirchengelände oder in ein Jumpcenter zu gehen. Außerdem haben die Kinder einmal die Woche Reit- und Schwimmtherapie.