Mein Jahr in Costa Rica

Fast ein Jahr ist nun vergangen seitdem ich meine Familie in Berlin verabschiedet habe, in ein Flugzeug gestiegen bin und meinen Freiwilligendienst in Quepos, Costa Rica begonnen habe. Ich war damals sehr aufgeregt, schließlich war alles neu: die Kultur, die Gastfamilie, die Aufgaben bei der Arbeit, die Sprache und vieles mehr…

Heute habe ich einen gewohnten Alltag und fühle mich in Quepos sowie in meiner Gastfamilie super wohl. Der Weg bis hierhin war jedoch nicht immer einfach und ich habe viele gute, wie auch schlechte Erfahrungen mitgenommen.

Die Sprache

Vor meiner Ausreise war ich davon ausgegangen, dass ich schon ganz gut Spanisch spräche und mich gut verständigen könnte. Dies war auch meistens der Fall. Die typisch costa-ricanischen Ausdrucksweisen musste ich jedoch erstmal erlernen. Meine Gastmutter nutzt außerdem viele Sprichwörter, die mich immer wieder zum Stutzen gebracht haben und immer noch bringen, weshalb ich auch jetzt noch häufig nachfragen muss, was diese bedeuten. Ebenfalls musste ich mir in meinem Projekt erstmal das Fachvokabular aneignen, um mich verständlich ausdrücken zu können.
Die meisten Menschen sind allerdings verständnisvoll damit umgegangen, dass ich immer noch Spanisch lerne und mich nicht immer perfekt ausdrücken kann. In einigen Disskusionen haben mir jedoch mal die passenden Worte gefehlt und meine direkte Ausdrucksweise wurde daraufhin bemängelt. Ich persönlich mache mir da jedoch keine Vorwürfe, da Auseinandersetzungen nie einfach sind und ich schon froh war, meine Meinung überhaupt auf einer Fremdsprache geäußert zu haben.

Kulturelle Unterschiede

Im Allgemeinen habe ich mich am Anfang des Freiwilligendienstes eher zurückgehalten, was die Äußerung meiner Meinung betrifft, da ich Bedenken hatte, dass sie kulturell falsch aufgenommen werden könnte. Außerdem war ich mir anfangs unsicher, ob ein Verhalten, was ich als respektlos empfunden habe, wirklich respektlos war oder eher kulturell bedingt war.
Nach einem Jahr kann ich viele Situationen besser einordnen und ich habe gelernt, dass ich für mich selbst einstehen muss, besonders in Situationen, in denen ich mich respektlos behandelt fühle. Natürlich ist es dabei immer wichtig, die Kultur zu achten, aber ich denke, dass Respekt und Verständnis des Gegenübers auch vorhanden sein sollten.

Planung und Realität

Ein weiterer kultureller Unterschied bezieht sich auf die Planung der Costa Ricaner:innen. Es werden viele Einladungen ausgesprochen und indirekte Verabredungen getroffen, die mehr eine Idee, als ein Plan sind. Dieses Verhalten hatten wir bei unserem Vorbereitungsseminar bereits besprochen, daher hat es mich nicht überrascht. Ein wenig mühselig finde ich es jedoch schon, wenn Treffen nicht stattfinden oder ich häufiger nachfragen muss, um einen festen Termin festzulegen.
Mir ist dabei aufgefallen, dass ich doch sehr gerne plane. Inzwischen habe ich mich aber daran gewöhnt und bin auch spontaner geworden. Gerade die Treffen auf der Straße, die dann zu spontanen Ausflügen an den Strand oder zum Kaffeetrinken im Café geführt haben, waren schöne Erfahrungen und haben mir gezeigt, dass Spontanität auch seine Vorteile hat und nicht alles geplant werden muss.

Zwischen Unterschieden und Privilegien

Seit August lebe und arbeite ich in Costa Rica in der gemeinnützigen Non-Profit- Organisation Sayú, wo ich Englisch- Deutsch- und Musikunterricht gebe und bei regelmäßigen weiteren Aktionen (wie Strandreinigungen und Jugendcamps) mithelfe.
Schon einige Zeit vor meinem Abitur wusste ich, dass ich einmal für längere Zeit im Ausland leben und arbeiten möchte. In der Schule hat mir vor allem der Spanischunterricht gefallen, in dem wir auch etwas über lateinamerikanische Kulturen gelernt haben, weshalb für mich schnell klar war, wohin es mich treibt. Einen Freiwilligendienst in einem anderen Land zu absolvieren, hat mich besonders interessiert, weil ich eine andere Kultur kennenlernen und neue Blickwinkel erhalten wollte.
Nun sind fast 11 Monate vergangen und meine Mitfreiwilligen und ich müssen bald wieder unsere Heimreise nach Deutschland antreten. In diesem Artikel will ich noch einmal auf das vergangene Jahr zurückblicken und dabei verschiedene Aspekte näher beleuchten.

Das erste, was mir einfällt, wenn ich an Costa Rica denke, ist „Pura Vida“, das Lebensmotto der Costa Ricaner:innen und eine ständig verwendete, universell einsetzbare Floskel im Sprachgebrauch. Sie beschreibt die Einstellung der Menschen hier sehr passend: Dankbarkeit, Lebensfreude und alles kommt zu seiner Zeit.
Ich weiß, das klingt sehr klischeebeladen und wird mit Sicherheit auch in jedem Reisebericht über Costa Rica stehen, aber es ist wahr. Natürlich begegnet man hier trotzdem auch unfreundlichen und ungeduldigen Menschen. Aber ich muss sagen, dass mir immer wieder auffällt, dass hier oft über Dinge gelacht wird, über die man sich in Deutschland aufgeregt hätte und sich stressen lassen würde.

Unterschiede in den Kulturen

Zur Kultur und vor allem zu den Unterschieden zu Deutschland gibt es so viel zu sagen, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Trotzdem möchte ich klarstellen, dass meine Aussagen zu den Menschen und ihrer Kultur lediglich auf meinen persönlichen Erfahrungen beruhen und daher natürlich nicht auf alles und jeden übertragen werden können.

Religion

Gleich zu Beginn meines Aufenthalts ist mir aufgefallen, dass die Religion hier eine sehr wichtige Rolle im Leben der Menschen spielt. Die meisten Menschen in Costa Rica sind tiefgläubige Christ:innen, ich selbst habe noch keine einheimische Person kennengelernt, die sagt, sie glaube nicht an Gott. Die Religion spielt sich nicht nur im Privaten und Persönlichen ab, sondern auch im öffentlichen Leben. Beispielsweise werden religiöse Schriftzüge auf Linienbusse gedruckt oder in offiziellen Reden auf das Christentum Bezug genommen.

Familie

Des Weiteren ist mein Eindruck, dass neben dem Glauben, auch die Familie das Zentrum vieler Costa Ricaner:innen ist. Anders als in den westlichen Gesellschaften, wie Deutschland oder den USA, spielt Individualismus und Selbstständigkeit hier eine untergeordnete Rolle und wird eher als egoistisch und kalt angesehen. Für viele Eltern wäre es undenkbar, ihr Kind mit 20 oder gar 18 Jahren alleine „in die Welt ziehen zu lassen“, wie wir Freiwilligen es gemacht haben.
Die Meinung der Eltern ist oft noch im Erwachsenenalter von Bedeutung und ist zum Teil auch mit einem Mitspracherecht gleichzusetzen. Auch das traditionelle Familienbild, inklusive Rollenverteilung von Mann und Frau ist hier, aus meiner Sicht, noch stark verankert. Damit einher geht der Machismo, also das starke Betonen und Demonstrieren der traditionellen männlichen Geschlechterrolle, wobei die Frau dem Mann untergeordnet ist.

Schulbildung

Was mir vor allem bei meiner Arbeit, wo ich bei der Betreuung der Kinder in der lokalen Grundschule mithelfe, aufgefallen ist, ist dass die Qualität der Schulbildung gering ist. Mein Eindruck ist, dass viele Schüler:innen nicht viel vom Unterricht mitnehmen, was vor allem daran liegt, dass zu wenig Personal in den Schulen vorhanden ist und die Lehrkräfte somit nicht auf den individuellen Lernfortschritt eingehen können. Seit letztem Jahr werden nämlich die Schüler:innen mit Autismus oder dem Down-Syndrom in die regulären Klassen inkludiert, ohne dass jedoch zusätzliches Personal zur Verfügung steht. Dementsprechend können diese nicht richtig gefördert werden und bleiben mehr oder weniger auf der Strecke.
Das ist folglich auch eine sehr schlechte Voraussetzung für Chancengleichheit und versperrt vielen Menschen Perspektiven im Leben. Ein weiteres Problem ist der unzureichende Englischunterricht. Obwohl in touristischen Regionen kulturelle Fächer vom Stundenplan gestrichen und durch weitere Englischstunden ersetzt wurden, sind oft nicht einmal Englischgrundkenntnisse bei den Kindern vorhanden.
Mir wurde hier immer wieder bewusst, wie viele Chancen und Möglichkeiten wir in Deutschland haben. Dies betrifft zum Beispiel auch den späteren Bildungsweg durch unsere vielen staatlichen Universitäten.

(Auch wenn es auch dort noch immer sehr viele Defizite in Sachen Chancengleichheit gibt.)

Strand, Radrennen und Konzert – Vielfältiger Alltag im Projekt SAYU

Buenos días,

seit unserem letzten Artikel sind nun einige Monate vergangen, in denen viel Neues passiert ist. Im Folgenden werden wir euch ein wenig darüber berichten.

Im November und Dezember letzten Jahres haben wir bereits einen kleinen Raum in der Kirche “casa de pan” gestrichen und eingerichtet. Anfang diesen Jahres haben wir nun auch dort angefangen Englisch- und Musikunterricht anzubieten. Unser Projekt SAYU möchte mit dem neuen Standort mehr Menschen erreichen und den Zugang zu Bildung erleichtern. Neben einem Kurs für Jugendliche und einem für Frauen, haben wir dort nun auch eine Gruppe mit Anfänger:innen, die bisher keinerlei sprachliche Bildung erhalten haben. Dies macht sich in unserem Unterricht bemerkbar, beispielsweise erklären wir vor der Konjugation der Verben zuerst, was Pronomen sind und wozu sie dienen. Zu Beginn war der Unterricht deshalb ein wenig herausfordernd, inzwischen haben wir uns jedoch gut damit arrangiert.

Auch in den letzten Wochen haben wir neben unserem Unterricht bei verschiedenen Aktivitäten von SAYU mitgeholfen.

Im Umweltbereich fand eine kleinere projektinterne Aufräumaktion an unserem Lieblingsstrand, dem Playa Biesanz, statt. Da dieser Strand nur über einen steinigen Fußweg zu erreichen ist, werden oft sperrige und schwere Gegenstände, wie alte Pavillons oder Liegen unten am Strand zurückgelassen. Unsere Aufgabe war es deshalb, diese Gegenstände und weiteren Müll einzusammeln und zu entsorgen. Nach getaner Arbeit haben wir mit der Jugendgruppe noch Zeit am Strand verbracht und durften Kajak fahren.

Unser Projekt SAYU arbeitet seit diesem Jahr weiterhin mit US-amerikanischen Tourist:innengruppen zusammen, die einen Freiwilligenarbeit leisten wollen. So haben wir mit einer Gruppe von etwa 40 Freiwilligen den Playa Espadilla und Playa Playitas in Manuel Antonio gesäubert, wobei wir außerdem dafür zuständig waren, die Anweisungen ins Englische zu übersetzen. Weiterhin wurden wir von einigen Polizist:innen aus Quepos und Mitarbeiter:innen des Rathauses begleitet. Durch die tatkräftige Unterstützung der vielen Freiwilligen konnten wir an diesem Tag einiges schaffen.

 

SAYÛ – oder auch: helfen – Teil 2

Buenos días zusammen!

Seit unserem letzten Artikel sind nun schon einige Wochen vergangen und wir haben viel Neues und Spannendes aus unserem Projekt in Quepos zu berichten.
In unserem ersten Artikel haben wir vorwiegend den Musikunterricht beschrieben, weshalb wir euch nun unsere weiteren Aufgaben im Projekt SAYÛ vorstellen wollen.

Der Englischunterricht

Neben dem Musikunterricht bieten wir auch Englischunterricht an, bei welchem wir die Grundlagen der Sprache und die Freude an der Kommunikation in einer Fremdsprache vermitteln möchten. Wir sind natürlich keine ausgebildeten Lehrkräfte, aber durch unsere Schulbildung haben wir die Möglichkeit, unser Erlerntes weiterzugeben. Quepos ist eine Stadt, die fast ausschließlich vom Tourismus lebt, weshalb das Beherrschen der englischen Sprache eine wichtige Fertigkeit ist. Vor allem die Angestellten in Hotels und Restaurants müssen sich auf Englisch verständigen können, um mit den Reisenden zu kommunizieren. Trotz des großen Interesses kamen auch in Englisch weniger Schüler:innen zu den Unterrichtsstunden, als sich angemeldet hatten. Wir haben derzeit vier Englischgruppen mit durchschnittlich etwa fünf Schüler:innen im Alter von zehn bis 45 Jahren. Aufgrund dieses großen Altersunterschiedes haben die Teilnehmenden natürlich verschiedene Sprachniveaus und lernen unterschiedlich schnell. Da sich die Schüler:innen aber gegenseitig unterstützen, macht der Unterricht Spaß und funktioniert wirklich gut. Wir versuchen, neben kleinen Grammatikeinheiten, Themen zu besprechen, die die Schüler:innen interessieren und Vokabular zu vermitteln, das sie im Alltag wirklich brauchen. Beispielsweise üben wir, sich selbst vorzustellen, einfache Dialoge zu führen und Wege zu beschreiben. Zurzeit lernen wir weihnachtliche Vokabeln und hören englische Weihnachtslieder.
Die Teilnehmenden freuen sich über die kleinen Fortschritte und über die Möglichkeit, einen kostenlosen Englischunterricht besuchen zu können.

Ein besondere Aktion abseits des Alltags

Ein weiteres Anliegen des Projektes SAYÛ ist der Umweltschutz. Dieses Thema ist in unserer täglichen Arbeit wenig vertreten, daher haben wir uns sehr gefreut, als wir am 19. November bei einer Strandaufräumaktion helfen sollten. Diese wurde anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Nationalparks Manuel Antonio veranstaltet. Um 7 Uhr morgens fuhren wir alle zusammen im strömenden Regen mit dem Bus in Richtung Park. Bevor es an das Aufräumen ging, präsentierte die Folklore-Gruppe von SAYÛ einige Tänze. Danach wurden wir von dem Leiter des Nationalparks begrüßt und in kleine Gruppen aufgeteilt. Anschließend wurde jeder mit Handschuhen und einer Mülltüte ausgestattet und dann ging es auch schon in den Park.
Neben den befestigten Wegen mit einigen Aussichtsplattformen befinden sich im Nationalpark zwei Strände, an denen wir den Müll einsammeln sollten. Nach etwa zweieinhalb Stunden hatten wir einigen Müll gefunden. Vor allem lagen viele kleine Plastikteile, wie Flaschendeckel, im Sand. Zusätzlich brachten wir sehr viel Treibholz hinter die Absperrungen des Strandes, damit dieses nicht wieder ins Meer gelangt.
Anschließend bekamen alle Helfer:innen frische Früchte und Fresco spendiert. (Frescos sind zuckersüße Getränke, wie Eistee, die in Costa Rica sehr viel getrunken werden – Wasser dagegen, wird hier eher weniger angeboten.)

Der Tag war zwar anstrengend, hat jedoch auch sehr viel Spaß gemacht und war eine schöne Abwechslung zu unserem Alltag.

SAYÛ – oder auch: helfen

„Sayû“ bedeutet in der indigenen costa-ricanischen Sprache Boruca „helfen“ und „unterstützen“ und genau das spiegelt unser Projekt auch wider.

Vorstellung

Buenos días, wir sind Aline und Clara. Seit nun zwei Monaten sind wir Freiwillige der „Fundación SAYÛ“ in Quepos. SAYÛ ist eine junge Organisation, die 2020 mit dem Ziel gegründet wurde, die zentralpazifische Region um Quepos ganzheitlich zu unterstützen.

Unsere Arbeit

Unsere Aufgabe in der Organisation ist es, die sprachliche und musikalische Bildung zu fördern. Der Unterricht findet in dem Kulturhaus von Quepos statt und ist für jede Altersgruppe kostenlos zugänglich.
Zum einen unterrichten wir Englisch für Gruppen, die derzeit aus Schüler:innen im Alter von 10 bis 65 Jahren bestehen. Zum anderen geben wir Musikunterricht für eine Gruppe von Anfänger:innen, denen wir versuchen, die musikalischen Grundlagen wie Notenwerte, -namen und Taktarten, spielerisch zu vermitteln sowie einer Gruppe von Fortgeschrittenen. Zwei Klarinetten, zwei Saxophone, zwei Posaunen und eine Querflöte bilden dabei momentan die Gruppe an Blasinstrumenten. Das Ziel des Musikunterrichts ist es, eine Marching Band aufzubauen, an der jede:r, unabhängig von der finanziellen Situation, teilhaben kann. Marching Bands sind in Costa Rica ein großer Teil der Kultur und treten bei nationalen Feiertagen, wie dem Unabhängigkeitstag am 15. September, in Paraden auf.

Die ersten Eindrücke

An unseren ersten Tagen in Quepos wurde das Kulturhaus wiedereröffnet, wo wir Zury und Christian, unsere Chefs sowie einige weitere Leute aus Quepos kennenlernten. Wir wurden herzlich empfangen und haben die Organisation SAYÛ als engagiert und motiviert wahrgenommen.
Die erste Arbeitswoche bei SAYÛ haben wir damit verbracht, Ideen zu sammeln und unseren Stundenplan zu gestalten. Da wir die ersten Freiwilligen in diesem Projekt sind, die in dem Bereich der musikalischen und sprachlichen Bildung arbeiten, wussten wir anfangs nicht, was uns erwarten wird und welches Niveau die Schüler:innen haben werden. Die Unterrichtsvorbereitung war deshalb gar nicht so einfach. Insgesamt haben sich 70 Schüler:innen angemeldet, die wir je nach Verfügbarkeit in Gruppen auf die Tage Mittwoch, Freitag, Samstag und Sonntag aufgeteilt haben. Am Freitagabend trat die Folklore-Tanzgruppe von SAYÛ anlässlich des Unabhängigkeitstages, im Hafen von Quepos, auf. So lernten wir an diesem Abend nicht nur den traditionellen costa-ricanischen Tanz, sondern auch weitere Mitglieder:innen der Organisation kennen. Im Anschluss waren wir noch gemeinsam Abendessen, wodurch wir uns direkt integriert fühlten.

Der Start ins Projekt

In der zweiten Woche sollte dann auch schon der Unterricht starten. Vor unserer ersten Unterrichtsstunde waren wir zwar nervös, aber auch gespannt auf die Zusammenarbeit mit den Schüler:innen. Die ersten Stunden waren geprägt von Spontanität und Kreativität, da das Niveau in der Realität niedriger war als bei der Anmeldung angegeben. Weiterhin wurden wir sprachlich, vor allem im Musikunterricht, herausgefordert und mussten uns das musikalische Vokabular erst einmal aneignen.
Schließlich stellte sich am Ende der Woche heraus, dass statt der 70 angemeldeten Leute nur etwa die Hälfte tatsächlich zum Unterricht kommt. Unseren Chef Christian hat dies nicht sonderlich überrascht. Er sagt, dass sich die meisten Ticos, wie man die Costa Ricaner hier nennt, Freizeitaktivitäten gegenüber nicht verpflichtet fühlen.
Am Wochenende haben wir außerdem unsere Blasinstrumentengruppe kennengelernt. Die Schüler:innen erhalten seit einem Jahr Instrumentalunterricht, welchen wir jetzt weiterführen. Besonders hervorheben sollte man, dass keiner der Schüler:innen Unterricht von Lehrer:innen erhalten hat, die selbst auch das jeweilige Instrument spielen. Wie oben bereits erwähnt, ist der Musikunterricht kostenlos, die Instrumente werden von SAYÛ gestellt und die Mitwirkenden arbeiten ehrenamtlich. Finanziell ist es daher nicht möglich, professionelle Instrumentallehrer:innen einzustellen. Die Schüler:innen lernten mit Musikheften und YouTube-Videos die Grundlagen (Griffe und Notenwerte). Es ist sehr beeindruckend, wie motiviert die Musikschüler:innen nach einem Jahr des zähen und schleppenden Lernens geblieben sind.

Persönlicher Bezug zur Musik

Da wir beide seit mehr als zehn Jahren Klarinette lernen und in Orchestern aktiv sind, macht uns der Unterricht mit den Klarinetten am meisten Spaß. Hier können wir unser Wissen am besten einbringen und weitergeben. Trotzdem mussten wir uns dafür aber erst einmal das System der Böhm-Klarinette, welches weltweit, außer im deutschsprachigen Raum, verwendet wird, aneignen. Im Unterricht und bei den Proben können wir die neuen Griffe noch festigen. Neben unserem Spanisch stärken wir somit auch das neu gelernte Klarinettensystem.
Im Gegensatz dazu gestaltet sich der Unterricht mit den anderen Blasinstrumenten schwieriger, weil wir die Instrumente nicht selber spielen. Dass wir als Klarinettistinnen überhaupt andere Instrumente unterrichten würden, war uns vorher nicht bewusst. Um ehrlich zu sein, waren wir im ersten Moment auch ein wenig darüber schockiert, als wir dies erfahren haben. Da wir in Deutschland eine andere musikalische Bildung erhalten haben, war es für uns nur schwer vorstellbar, dass dieses Konzept umsetzbar ist. Das Lernen hier funktioniert anders als wir es kennen, aber wir konnten bis jetzt schon einige Fortschritte bei den Schüler:innen wahrnehmen.
Bei den Proben mit allen Instrumenten zusammen werden wir von Yoxan, dem vorherigen Musiklehrer, weiterhin unterstützt. Er hat sich das Klavier-, Gitarre- und Trompetenspielen selbst beigebracht, obwohl er, wie viele Musiker:innen in Costa Rica, auch keine theoretische Musikbildung erhalten hat. Yoxan freut sich daher, wenn wir ihm in der Musiktheorie Tipps geben können, wohingegen wir sehr erleichtert über seine Erfahrung im Unterrichten sind. Der gegenseitige Austausch ist nicht nur lehrreich, sondern macht auch viel Spaß. So vergingen unsere ersten Wochen ziemlich schnell und keine Woche war wie die vorherige.