Wer mag denn bitte keine Kinder?

„Saraaah, Polllllli“, ertönt es schon von weitem durch die Aula des „Red Emmanuel“ Kindergartens. Herzlich werden wir von den Kindern beim Betreten begrüßt und liebevoll umarmt. Wenn wir es dann auch mal in die Aula geschafft haben, können wir auch unsere Co-Workers begrüßen.
Die Guardería unterteilt sich in fünf Gruppen: die Kinderkrippe für Babies und Kleinkinder (0 bis 3 Jahre), die Gruppe „Interactivos I“ mit Kindern, die die Vorschule/erste Klasse besuchen (3 bis 5 Jahre), die Gruppe „Interactivos II“ (5 bis 9 Jahre) und eine Gruppe mit 9 bis 12-Jährigen. Die meist aus strukturell marginalisierten Verhältnissen stammenden Kinder bekommen hier eine vollumfassende Betreuung mit Frühstück, Mittagessen und Meriendas (Snacks). Vormittags betreuen wir vor allem die „Interactivos I“, während wir den Nachmittag mit den älteren Schüler:innen verbringen.

8:00 Uhr
Sport! Wir holen unsere Kindergruppe von ihrer Casita ab, einem kleinen Haus im Garten der Guardería, und begleiten sie in den Park, gleich die Straße hinunter. Dort werden wir aktiv, denn nun teilen wir die „Niños“ auf verschiedene Stationen auf, bei denen sie kleine Aufgaben zu bewältigen haben und so eine Grundlage für Ballsportarten erlernen. Von einem geordneten Ablauf ist dabei allerdings kaum die Rede, denn die Kinder sind nun einmal sehr energiegeladen.

9:00 Uhr
Merienda – Früchte, wie Ananas, Apfel oder Papaya werden aufgeschnitten und an die Kinder verteilt. Besonders in dieser Zeit kann es durchaus lauter werden, was die Kinder aber nicht weniger liebenswürdig macht. Auch das Massaker am Boden wird gleich nach dem Essen wieder entfernt. Anschließend geht es zurück in die Casita, wo wir den Interactivos I von 9:30 Uhr bis 10:30 Uhr Englischunterricht geben. Um 11:00 Uhr begleiten wir sie dann zum Mittagessen.

Nachdem die Kinder gegessen haben, putzen sie ihre Zähne und machen sich fertig für die Siesta. Mit der fünfstündigen Brahms-Einschlafplaylist, Gott segne ihn, tätscheln wir sie in den Schlaf. Sobald alle eingeschlafen sind, essen dann auch wir selbst zu Mittag. Es kehrt kurzzeitig Ruhe ein. In dieser Zeit können wir entweder für einen kleinen Obolus das leider oft fleischlastige Essen der Guardería essen oder das Essen, das wir uns mitgebracht haben.

Von den Erfolgen und Schwierigkeiten im Arbeitsalltag

Endlich angekommen

„WAS??“, fragt uns plötzlich die Köchin, als wir sie auf Spanisch darum bitten, uns unseren Früchtesnack für diesen Morgen zu geben. Wir beide schauen uns super irritiert an. Daraufhin fängt Nelsy, die Köchin der Kindertagesstätte, an zu lachen. Sie erklärt uns, dass sie sich dieses eine deutsche Wort echt gut merken könne, da Kathi und ich (Lara) uns oft fragend anschauen, wenn wir etwas nicht verstehen. In der Hoffnung, die andere hätte es vielleicht verstanden, fragen wir dann: ‚was?‘. Als wir das hören, müssen auch wir lachen. Es war glücklicherweise überhaupt nicht als Vorwurf gemeint. Ganz im Gegenteil, es hat sich so angefühlt, als wären wir immer mehr im Team ankommen.

Umarmungen machen glücklich

Dieses Gefühl haben uns die Kinder schon von vom ersten Tag an gegeben. Sie haben sich so sehr darüber gefreut, dass wir jetzt da sind, um mit ihnen Zeit zu verbringen und Englisch zu üben. Nachdem uns am Morgen die Gittertür geöffnet wird, werden wir an jedem Tag mit derselben Euphorie begrüßt und stürmisch von den Kindern umarmt. Ihre begeisterten „Teachers“-Rufe hören wir aber schon, sobald sie uns durch die Fensterscheibe sehen. Ihre liebevolle Art macht es uns nicht schwer, sie alle sofort ins Herz zu schließen.

„Ups und Downs“ gehören dazu

Doch man darf sich davon nicht täuschen lassen, denn das heißt nicht, dass die Kinder auf uns auch automatisch hören würden. Davon darf man sich aber nicht unterkriegen lassen. Mit der Zeit entwickelt man ein immer besseres Durchsetzungsvermögen. Natürlich gibt es aber auch viele Momente, in denen man auf die Unterstützung der Betreuer:innen angewiesen ist. Dabei ist es wichtig, sich klar zu machen, dass es okay ist, Hilfe zu brauchen. Man fühlt sich schnell mal überfordert, wenn man auf alle Kinder gleichzeitig aufpassen muss und dabei keines aus den Augen verlieren darf. Vor allem bei den jüngeren Kindern muss man aufpassen, dass sie nichts in den Mund nehmen. Oft entsteht auch irgendein Streit zwischen den Kindern, der sich meistens aber schnell wieder lösen lässt.

Auf der anderen Seite kann es aber auch in anderen Momenten vorkommen, dass man sich eher unterfordert fühlt. Manchmal sitzen wir nur am Rand und schauen zusammen mit den Kindern und dem/der Betreuer:in fern. Da kann einem dann schon auch sehr schnell langweilig werden.

Ein bisschen Abwechslung tut jedem gut

Mittlerweile dürfen wir uns aber während solcher Aktivitäten auch manchmal gemeinsam anderen Aufgaben widmen, wie z.B. die neue Monatsdekoration zu organisieren. Ob Blumen basteln, Buchstaben ausschneiden oder Kartonfrüchte aufhängen, es gibt jeden Monat neue kreative Aktionen für die Dekoration. Meistens hat unsere Chefin Eva schon eine Vorstellung, was sie gerne haben würde und es ist dann an Kathi und mir, diese umzusetzen. Das ist eine unserer Lieblingsaufgaben, weil man so die Möglichkeit bekommt, kurz durchzuatmen und in seinem Arbeitsalltag etwas Abwechslung zu bekommen.

 

Hogar CUNA – mi segunda familia tica

Wie die Überschrift schon verrät, sind die sogenannten „Tías“, die Erzieherinnen hier, nicht nur für die 18 Kinder im Kinderheim eine Familie geworden, sondern auch für mich. Zu Beginn möchte ich aber erst einmal erklären, was es mit meinem Projekt überhaupt auf sich hat. Bei den Kindern handelt es sich um Kleinkinder im Alter von 0-6 Jahren, die aus ihren Familien genommen wurden, weil für sie der dortige Verbleib als eine Gefahr eingeschätzt wird. Sie wurden in ihren Familien Opfer körperlichen, sexuellen oder emotionalen Missbrauchs und ihnen bietet das Kinderheim nun ein sicheres Zuhause sowie ein Rehabilitationsprogramm.

Mein Arbeitsalltag

Wenn mein Tag um 8:00 Uhr im Kinderheim startet, dann sind die Kinder gerade in den letzten Zügen ihres Frühstücks. Daraufhin ist es die Aufgabe meiner Mitfreiwilligen Sahra und mir, beim Zähneputzen zu helfen, die Kinder dann vor dem Fernseher zu versammeln und den Essbereich zu putzen.

Montags frühstücken immer alle Kolleg:innen zusammen und es wird eine sogenannte „devocional“ (Andacht) abgehalten, die vergangene Woche reflektiert und die neue geplant. An den übrigen Tagen beginnen wir den Morgen oftmals mit einer Runde „Just Dance“ und einem Gebet. Anschließend werden die Kinder in zwei Gruppen aufgeteilt. Die Jüngeren sind 0-2 Jahre alt und die älteren 2-6 Jahre. Ich begleite momentan die älteren Kinder und gehe dementsprechend mit ihnen in eine Art Klassenzimmer. Die Kinder können hier in einem Morgenkreis noch ein Gebet sprechen und manchmal wird darüber hinaus eine Bibelstelle gemeinsam gelesen. Im Klassenraum behandeln wir prinzipiell verschiedene Themen. In den letzten paar Wochen hat sich alles um Farben und Zahlen gedreht. Mittlerweile lautet das neue Thema: Weltall. So basteln wir jetzt fleißig mit den Kindern Sterne, Aliens und Teleskope. Auch die dazu passende Dekoration darf natürlich nicht fehlen. Im Anschluss dürfen sich die Kinder auch ein bisschen selbständig mit den Spielen beschäftigen, welche oftmals an das jeweilige Thema angepasst sind. Weiter geht es mit dem Händewaschen, denn dann wartet ein kleiner Fruchtsnack auf die Kinder. Währenddessen wird oftmals eine kleine Geschichte aus der Bibel im Fernsehen gezeigt. Jetzt ist es auch schon Zeit dafür, für ungefähr eine Stunde auf den Pausenhof zu gehen. Hier können sich die Kinder auf der Schaukel, der Wippe, dem Klettergerüst oder beim Fahren mit den Spielautos etwas austoben. Gleichzeitig esse ich schon einmal mit den drei Schul- und Kindergartenkindern zu Mittag, packe ihnen einen weiteren Nachmittagssnack ein und ziehe sie um, da hier in Costa Rica eine Schuluniform getragen wird. Um 11:00 Uhr geht es dann auch schon für die Babys zum Mittagessen und gegen 11:30 Uhr folgen ihnen die Großen, nach einer weiteren Runde Händewaschen, in den Speisesaal. Vor dem Mittagessen wird abermals ein Glaubenslied angestimmt, um Gott für das Essen zu danken. Nach dem Mittagessen heißt es dann für uns noch einmal, den Kindern die Zähne zu putzen und die Räume zu putzen. Für die Kinder geht es daraufhin für einen kurzen Mittagsschlaf ins Bett. In diesem Zeitraum haben wir Mittagspause. Das bedeutet, wir können selbst etwas essen, neue Materialien vorbereiten, aufräumen oder uns entspannen und nach Deutschland telefonieren. Ab 14:00 Uhr heißt es dann, die Kinder aufzuwecken, umzuziehen und ihnen ihre Windeln zu wechseln. Der Tag geht nun mit einem Nachmittagssnack und gemeinsamen Spielen drinnen weiter. Um 16:00 Uhr neigt sich dann mein Arbeitstag dem Ende zu und ich begebe mich auf meinen Heimweg.

An manchen Tagen stehen aber auch besondere Ausflüge an, wie beispielsweise zu McDonald’s, in ein Altenheim, zu einem Kirchengelände oder in ein Jumpcenter zu gehen. Außerdem haben die Kinder einmal die Woche Reit- und Schwimmtherapie.

 

Zwischen zerrissenen Oberteilen und Herzchenzeichnungen

Wenn mir jemand in meiner Bewerbungsphase gesagt hätte, dass bereits in den ersten zwei Monaten meines Freiwilligendienstes meine Bluse zerrissen wird, ich mit einer Bastelschere bedroht werde und regelmäßig mit Stiften und Schimpfwörtern beworfen werde, hätte ich mir wohl zweimal überlegt, ob ich für einen Freiwilligendienst in einem Kinderheim auf die andere Seite der Welt ziehe. Doch das war tatsächlich eine der besten Entscheidungen in meinem bisherigen Leben. Sie fragen sich jetzt bestimmt, was ich den armen Kindern antue, sodass sie das Gefühl haben, sich mit Bastelutensilien bewaffnen zu müssen und warum ich es trotz dieser Angriffe nicht bereue, diesen Schritt gegangen zu sein.

Die Herausforderungen im Projekt

Zunächst müssen Sie wissen, dass ich in einem Kinderheim arbeite, in dem Kinder leben, die aus schwierigen Familienverhältnissen kommen. Ihnen wurde körperliche Gewalt angetan oder sie wurden mit Drogenmissbrauch konfrontiert. Zum Heim gehört auch eine Schule, die in mein Arbeitsbereich fällt. Durch die schwierige Vergangenheit der Kinder, sind sie oftmals emotional verletzt und das zeigt sich in Form von täglichen Wutanfällen, unter denen auch mal meine Bluse leiden musste. Doch genau in diesen Momenten gehen die Lehrerinnen, mit denen ich zusammen arbeite mit sehr viel Fürsorge und Respekt auf die Kinder zu und zeigen ihnen, dass sie geliebt werden.
Diese herausfordernden Minuten sind natürlich nur ein Teil meines Tagesablaufs. Der Morgen wird normalerweise mit Malen, Basteln, Lesen, Schreiben, Rechnen, Spielen und vielem mehr gefüllt. Besonders durch die kleinen Lerngruppen kann man sich auf die einzelnen Schüler konzentrieren und baut eine einzigartige Beziehung auf, die man in normalen Schulen niemals knüpfen würde. Beim Malen oder  bei Spieleinheiten geraten die schwierigen Momente immer sehr schnell in Vergessenheit, wenn mir Bilder mit Herzchen oder Umarmungen zur Wiedergutmachung geschenkt werden.

Das costa-ricanische Schulsystem

In der Früh zu Kindergeschrei und lautem Rufen aufzuwachen, ist für mich mittlerweile zum Alltag geworden. Denn in Costa Rica beginnt die Schule, anders als in Deutschland, schon  um 7 Uhr morgens und da ich direkt neben einer Grundschule lebe, bekomme ich viel vom costa-ricanischen Schulalltag mit. Aber auch in der Vorschule, in der ich dreimal die Woche unterstützend arbeite, durfte ich viele Erfahrungen über das System hier machen.

Ist-Zustand

Seit 1869 ist die öffentliche Bildung in Costa Rica kostenlos und obligatorisch. Weltweit liegt hier der Bildungsstand auf Rang 32 und stellt damit die beste Bildung Lateinamerikas bereit. Auch durch die Abschaffung der Armee im Jahr 1948 konnte mehr Geld in den Bildungssektor investiert werden. Dadurch ist die Alphabetisierungsrate 2019 auf über 97% gestiegen. Mit einem Anteil von 89% besuchen die meisten Kinder eine öffentliche Schule und nur 11% besuchen eine private Institution.

Deutschland und Costa Rica im Vergleich

Unabhängig von der Schule, müssen alle Kinder in Costa Rica eine Schuluniform tragen. Die jüngsten Schüler:innen tragen dabei türkisfarbene T-Shirts, dazu blaue Shorts oder Röcke, die Älteren hingegen tragen weiße Hemden und lange Hosen.
Ein weiterer großer Unterschied zum deutschen Schulsystem, das keine verpflichtende Schuluniform vorsieht, ist die Schulpflicht, die in Costa Rica bereits für Kinder ab vier Jahren beginnt. Mit vier Jahren besuchen die Kinder für zwei Jahre eine Art Vorschule, die hier als „kinder“ bezeichnet wird. Die meisten Kinder besuchen davor keinen Kindergarten oder etwas Ähnliches, somit ist es für viele das erste Mal, dass sie länger in einer größeren Gruppe mit anderen Kindern zusammen sind. Der Alltag in der Vorschule besteht zwar größtenteils aus Tanz, Spiel und Musik, dennoch kommen auf die über 20 Kinder nur eine Lehrerin, was ganz schön chaotisch werden kann.
Nach den zwei Jahren wechseln die Kinder im Alter von sechs Jahren auf die Grundschule, die sie im Normalfall mit 12 Jahren beenden. In diesen Jahren soll den Kindern eine Grundbildung vermittelt werden: sie lernen Lesen und Schreiben und werden in Fächern wie Mathe, Spanisch und Naturwissenschaften unterrichtet.
Die meisten Vor- und Grundschulen sind zusammen auf einem Gelände, aber viel kleiner und persönlicher als man es aus Deutschland kennt. So gibt es typischerweise immer nur eine Klasse pro Jahrgang, also acht Klassen pro Schule. Zudem gibt es in jeder Schule kostenlose Mahlzeiten für die Kinder. In der Früh eine sogenannte „Merienda“ und mittags gibt es in der Kantine ein warmes Essen, meistens bestehend aus Reis, Bohnen und Fleisch oder Fisch (die Kinder sollen sich allerdings immer trotzdem etwas von zu Hause mitbringen).

Die nächsten drei Jahre der Schulpflicht verbringen die Kinder auf der weiterführenden Schule. Wer möchte, kann noch weitere zwei oder drei Jahre in die Schule gehen und das Bachillerato machen, das
costa-ricanische Pendant zum deutschen Abitur. Mit diesem sind sie berechtigt, die Aufnahmeprüfung für die Universitäten anzutreten.

Zwar bereitet mir die Arbeit in der Schule viel Spaß, trotzdem ist der Umgang mit so vielen kleinen Kindern oft sehr stressig, weshalb ich für mich persönlich sagen kann, dass der Beruf des Lehrers nichts für mich wäre.

Mein Alltag und alles, was dazugehört

Falls Sie sich fragen, was ich eigentlich mache, wenn ich nicht gerade gegen Krokodile und Meeresströmungen kämpfe oder frische Kokosnüsse genieße, bleiben Sie dran. Denn wie der Titel schon vermuten lässt, werde ich im Folgenden von meinem Alltag in meiner Gastfamilie und meinem Projekt erzählen.

Mein Projekt und meine Aufgaben

Das Projekt, in dem ich arbeite, ist ein sogenanntes ‚Outreach Programm‘, welches verschiedene Events für Kinder mit Fokus darauf anbietet, vor allem jene aus schwierigen Verhältnissen zu erreichen. Es gibt sowohl Treffen in Kleingruppen als auch größere Aktionen, die wöchentlich oder monatlich stattfinden. Dabei geht es in erster Linie darum, den Teilnehmer:innenn einen Safe-Space zu geben, in dem sie so akzeptiert werden, wie sie sind. Während bei den kleineren Zusammenkünften eher auf Konversationen und Gemeinschaft gesetzt wird, steht bei den größeren Events Spaß im Vordergrund. Meine Aufgaben dabei sind es, Beziehungen zu den Jugendlichen aufzubauen, ein Vorbild zu sein und durch Fotos und Videos die Dokumentation in den Sozialen Medien zu sichern.
Vormittags helfen wir oft an den örtlichen Schulen bei Projekttagen zur Drogenprävention. Außerdem haben wir vor, Englischunterricht und einen Deutsch-Club anzubieten. Koordiniert wird das alles mithilfe eines Arbeitsplanes, wobei sich hier jedoch Theorie und Praxis stark voneinander unterscheiden. Denn in der Theorie umfasst eine Arbeitswoche hier bis zu 47 Stunden. Praktisch beläuft es sich allerdings momentan eher auf knapp 30 Stunden, weil einige Projekten zwar schon seit längerer Zeit geplant, aber noch nicht umgesetzt worden sind.
Generell ist meine Erfahrung in Costa Rica, dass ein Plan eher eine abstrakte Idee als eine konkrete Zukunftsvision darstellt. Das Gute daran ist, dass es nicht langweilig wird. Bis jetzt hat hier jede Woche andere Aufgaben für mich bereit gehabt.

Mein neues Zuhause

Vor zehn Tagen bin ich schließlich auch bei meiner Gastfamilie angekommen. Ich wohne hier zusammen mit einer Frau und ihren zwei erwachsenen Kindern. Alle drei sind super herzlich. So habe ich mich von Anfang an sehr willkommen gefühlt. Das Haus lässt sich am besten als eine „High-End-Hütte“ beschreiben. Das große Wellblechdach schützt uns vor der Sonne und dem Regen, macht es uns bei Unwettern aber fast unmöglich, uns zu unterhalten, weil es so laut ist, wenn der Regen darauf niedergeht. Es gibt drei Zimmer und ein weiteres ist an die Hütte angebaut, worin die Mutter schläft. Die Wände dienen jedoch ausschließlich als visuelle Trennung, da sie nicht bis zur Decke hoch gehen, selbst im Bad nicht. Wenn bei meiner Gastschwester also abends noch das Licht an ist, dann ist die ganze Wohnung quasi gut beleuchtet. Ich habe ein eigenes Zimmer, das von Bett über Spiegel bis Schrank alles hat, was ich brauche. Zu essen gibt es jeden Tag Reis mit Bohnen. Das Gericht wird zwar mit verschiedenen Fleisch- oder Gemüsesorten kombiniert, aber dafür auch dreimal täglich serviert. Nicht nur mein Reis- und Bohnenkonsum sondern auch mein Kaffeekonsum hat sich, obwohl ich es kaum für möglich gehalten hatte, nochmal gesteigert. Um ehrlich zu sein, mag das aber auch daran liegen, dass das Wasser hier sehr stark nach Chlor schmeckt.
Eine Sache, die mich anfangs sehr verwirrt hat, ist, dass der Fernseher hier ununterbrochen läuft. Wenn ich sage, dass meine Gastfamilie alles auf Netflix geschaut hat, das es gibt, dann meine ich das wörtlich. Egal ob Tierdokus, K-Dramen oder Serienkiller-Thriller zusammen mit der 9-jährigen Cousine, flimmert der Bildschirm bis spät in den Abend hinein. Tatsächlich schreibe ich diesen Blog gerade, während mein Gastbruder nebenan auf ohrenbetäubender Lautstärke ,,Iron Man II“ schaut, was es mir quasi unmöglich macht, mich richtig zu konzentrieren. Falls Sie also grammatikalische Fehler sowie auch inhaltliche Lücken entdecken, ist diesmal nicht das Berliner-Bildungssystem schuld. Apropos politisches Versagen.

Leben und Arbeiten auf der VISIONEERS-Finca

Das Projekt

Nur 36 Kilometer südlich von San José entfernt, in dem kleinen Dorf San Andrés de León Cortés in der Zona de los Santos, liegt die VISIONEERS-Finca idyllisch im Hochland zwischen Kaffeeplantagen und Avocadobäumen.

Oder anders gesagt, befindet sich hier mein Zuhause für das nächste Jahr.

Zusammen mit meinen drei Mitfreiwilligen wohne ich in einem der drei Gebäude etwas abseits der Hauptstraße von San Andrés. Das erste Haus ist bereits fertig, unseres ist noch nicht komplett fertiggestellt und der dritte Teil ist bisher nur ein Gerüst. Wir helfen fleißig beim Bau mit und übernehmen Aufgaben wie das Waschen und Streichen der Metallrohre, aus denen die Struktur des Hauses besteht. Außerdem haben wir unsere eigenen Wandplatten festgeschraubt und gestrichen, die Bretter für unsere Türrahmen lackiert und auch der Fassade einen Anstrich verpasst. Nachdem unsere Zimmer, Bäder und eine provisorische Küche eingerichtet worden waren, zogen wir in die Finca ein. Davor hatten wir in Wohngemeinschaften im Dorf gewohnt.

Meine Aufgaben

Neben der Arbeit auf der Baustelle bauen wir gerade ein Gewächshaus. Dazu haben wir einige kleine Kaffeepflanzen gefällt, den Teil des Berges terrassiert und die Bauarbeiter haben bereits die Eckpfosten in den Boden eingelassen. In der Zukunft werden wir selbst Beete schreinern und unser eigenes Gemüse anbauen können! Da auf der Finca außerdem Avocadobäume angepflanzt werden sollen, haben wir bereits Tüten mit Erde vorbereitet und einige Avocadokerne eingepflanzt. Mit dem unmittelbaren Kaffeeanbau hatte ich bisher aber noch nichts zu tun. Bald, noch im November, soll aber die Ernte beginnen, bei der wir dann tatkräftig anpacken können! Wenn es mal nicht so viel Arbeit gibt und das Wetter gut ist, gehe ich Müll sammeln auf der Plantage und um die Häuser herum. Es findet sich immer etwas, das aus einem der Müllsäcke gefallen ist oder das jemand verloren hat.

Auch abseits des Anbaus und der Baustelle gibt es Aufgaben: So gebe ich derzeit zwei Jugendlichen, die einen Freiwilligendienst in Deutschland machen wollen, Deutschnachhilfe. Dadurch konnte ich auch schon Gleichaltrige aus dem Dorf kennenlernen. Gemeinsam mit Andrés und den anderen Freiwilligen auf der Finca erstelle ich außerdem Inhalte für den Instagram-Account von VISIONEERS. Hierbei heißt es, kreativ zu werden, um interessante Videos aufzunehmen und schöne Beiträge zu entwerfen. Manchmal gestalten sich diese Aufgaben allerdings als etwas schwierig, da der Internetempfang, vor allem bei schlechtem Wetter, unzuverlässig ist.

Geplant sind außerdem Aktionen mit Jugendlichen am Wochenende und Volleyball-, Fußball- und Englischkurse in der Schule, die sich gleich gegenüber dem Eingang zur Finca befindet.

SAYÛ – oder auch: helfen

„Sayû“ bedeutet in der indigenen costa-ricanischen Sprache Boruca „helfen“ und „unterstützen“ und genau das spiegelt unser Projekt auch wider.

Vorstellung

Buenos días, wir sind Aline und Clara. Seit nun zwei Monaten sind wir Freiwillige der „Fundación SAYÛ“ in Quepos. SAYÛ ist eine junge Organisation, die 2020 mit dem Ziel gegründet wurde, die zentralpazifische Region um Quepos ganzheitlich zu unterstützen.

Unsere Arbeit

Unsere Aufgabe in der Organisation ist es, die sprachliche und musikalische Bildung zu fördern. Der Unterricht findet in dem Kulturhaus von Quepos statt und ist für jede Altersgruppe kostenlos zugänglich.
Zum einen unterrichten wir Englisch für Gruppen, die derzeit aus Schüler:innen im Alter von 10 bis 65 Jahren bestehen. Zum anderen geben wir Musikunterricht für eine Gruppe von Anfänger:innen, denen wir versuchen, die musikalischen Grundlagen wie Notenwerte, -namen und Taktarten, spielerisch zu vermitteln sowie einer Gruppe von Fortgeschrittenen. Zwei Klarinetten, zwei Saxophone, zwei Posaunen und eine Querflöte bilden dabei momentan die Gruppe an Blasinstrumenten. Das Ziel des Musikunterrichts ist es, eine Marching Band aufzubauen, an der jede:r, unabhängig von der finanziellen Situation, teilhaben kann. Marching Bands sind in Costa Rica ein großer Teil der Kultur und treten bei nationalen Feiertagen, wie dem Unabhängigkeitstag am 15. September, in Paraden auf.

Die ersten Eindrücke

An unseren ersten Tagen in Quepos wurde das Kulturhaus wiedereröffnet, wo wir Zury und Christian, unsere Chefs sowie einige weitere Leute aus Quepos kennenlernten. Wir wurden herzlich empfangen und haben die Organisation SAYÛ als engagiert und motiviert wahrgenommen.
Die erste Arbeitswoche bei SAYÛ haben wir damit verbracht, Ideen zu sammeln und unseren Stundenplan zu gestalten. Da wir die ersten Freiwilligen in diesem Projekt sind, die in dem Bereich der musikalischen und sprachlichen Bildung arbeiten, wussten wir anfangs nicht, was uns erwarten wird und welches Niveau die Schüler:innen haben werden. Die Unterrichtsvorbereitung war deshalb gar nicht so einfach. Insgesamt haben sich 70 Schüler:innen angemeldet, die wir je nach Verfügbarkeit in Gruppen auf die Tage Mittwoch, Freitag, Samstag und Sonntag aufgeteilt haben. Am Freitagabend trat die Folklore-Tanzgruppe von SAYÛ anlässlich des Unabhängigkeitstages, im Hafen von Quepos, auf. So lernten wir an diesem Abend nicht nur den traditionellen costa-ricanischen Tanz, sondern auch weitere Mitglieder:innen der Organisation kennen. Im Anschluss waren wir noch gemeinsam Abendessen, wodurch wir uns direkt integriert fühlten.

Der Start ins Projekt

In der zweiten Woche sollte dann auch schon der Unterricht starten. Vor unserer ersten Unterrichtsstunde waren wir zwar nervös, aber auch gespannt auf die Zusammenarbeit mit den Schüler:innen. Die ersten Stunden waren geprägt von Spontanität und Kreativität, da das Niveau in der Realität niedriger war als bei der Anmeldung angegeben. Weiterhin wurden wir sprachlich, vor allem im Musikunterricht, herausgefordert und mussten uns das musikalische Vokabular erst einmal aneignen.
Schließlich stellte sich am Ende der Woche heraus, dass statt der 70 angemeldeten Leute nur etwa die Hälfte tatsächlich zum Unterricht kommt. Unseren Chef Christian hat dies nicht sonderlich überrascht. Er sagt, dass sich die meisten Ticos, wie man die Costa Ricaner hier nennt, Freizeitaktivitäten gegenüber nicht verpflichtet fühlen.
Am Wochenende haben wir außerdem unsere Blasinstrumentengruppe kennengelernt. Die Schüler:innen erhalten seit einem Jahr Instrumentalunterricht, welchen wir jetzt weiterführen. Besonders hervorheben sollte man, dass keiner der Schüler:innen Unterricht von Lehrer:innen erhalten hat, die selbst auch das jeweilige Instrument spielen. Wie oben bereits erwähnt, ist der Musikunterricht kostenlos, die Instrumente werden von SAYÛ gestellt und die Mitwirkenden arbeiten ehrenamtlich. Finanziell ist es daher nicht möglich, professionelle Instrumentallehrer:innen einzustellen. Die Schüler:innen lernten mit Musikheften und YouTube-Videos die Grundlagen (Griffe und Notenwerte). Es ist sehr beeindruckend, wie motiviert die Musikschüler:innen nach einem Jahr des zähen und schleppenden Lernens geblieben sind.

Persönlicher Bezug zur Musik

Da wir beide seit mehr als zehn Jahren Klarinette lernen und in Orchestern aktiv sind, macht uns der Unterricht mit den Klarinetten am meisten Spaß. Hier können wir unser Wissen am besten einbringen und weitergeben. Trotzdem mussten wir uns dafür aber erst einmal das System der Böhm-Klarinette, welches weltweit, außer im deutschsprachigen Raum, verwendet wird, aneignen. Im Unterricht und bei den Proben können wir die neuen Griffe noch festigen. Neben unserem Spanisch stärken wir somit auch das neu gelernte Klarinettensystem.
Im Gegensatz dazu gestaltet sich der Unterricht mit den anderen Blasinstrumenten schwieriger, weil wir die Instrumente nicht selber spielen. Dass wir als Klarinettistinnen überhaupt andere Instrumente unterrichten würden, war uns vorher nicht bewusst. Um ehrlich zu sein, waren wir im ersten Moment auch ein wenig darüber schockiert, als wir dies erfahren haben. Da wir in Deutschland eine andere musikalische Bildung erhalten haben, war es für uns nur schwer vorstellbar, dass dieses Konzept umsetzbar ist. Das Lernen hier funktioniert anders als wir es kennen, aber wir konnten bis jetzt schon einige Fortschritte bei den Schüler:innen wahrnehmen.
Bei den Proben mit allen Instrumenten zusammen werden wir von Yoxan, dem vorherigen Musiklehrer, weiterhin unterstützt. Er hat sich das Klavier-, Gitarre- und Trompetenspielen selbst beigebracht, obwohl er, wie viele Musiker:innen in Costa Rica, auch keine theoretische Musikbildung erhalten hat. Yoxan freut sich daher, wenn wir ihm in der Musiktheorie Tipps geben können, wohingegen wir sehr erleichtert über seine Erfahrung im Unterrichten sind. Der gegenseitige Austausch ist nicht nur lehrreich, sondern macht auch viel Spaß. So vergingen unsere ersten Wochen ziemlich schnell und keine Woche war wie die vorherige.

Nosotros Servimos

Nosotros Servimos
…ist das Motto des Club Leos in Turrialba. Seit circa zwei Monaten absolviere ich meinen Freiwilligendienst bei den Leos, wie sie sich selbst bezeichnen. Als Freiwillige arbeite ich sowohl für den Club de Leones, die Hauptorganisation, als auch für den Club Leo, in dem sich junge Menschen ehrenamtlich engagieren. Dadurch erhalte ich einen tieferen Einblick in beide Organisationen. Seit diesem Jahr gibt es auch die Cachorros, die Löwenbabies, in dem Kinder in Begleitung ihrer Eltern aktiv sind und den Club de Leones unterstützen. Neben meiner Arbeit im Büro, wo wir in den direkten Austausch mit den Bewohner:innen Turrialbas treten und die Bestandslisten des Clubs aktualisieren,  organisiert der Club de Leones diverse Aktivitäten. Daher im Folgenden ein kleiner Auszug aus den bereits erfolgten
Aktionen:

Leos in Aktion

Gleich zu Anfang meiner Einsatzzeit ereigneten sich schwere Regenfälle in einem anderen Teil Costa Ricas. Die akute Notlage hat die Chefin vom Club de Leones dazu veranlasst, die Bewohner:innen Turrialbas über die sozialen Medien dazu aufzurufen, den Geschädigten durch  Spenden zu helfen. Die eingegangenen Spenden wurden nach Kleider-, Sach- und Lebensmittelspenden sortiert. Am darauffolgenden Tag haben wir die Spenden zu unserer Partnerorganisation, den Mitgliedern des Club de Leones Aserrí gefahren, die die Spenden dankend entgegengenommen haben.

Die fünf Säulen der Humanität

Der Club de Leones engagiert sich weltweit in den fünf Hilfsbereichen: Diabetes, Sehkraft, Hunger, Umwelt und Krebs bei Kindern. In jedem
Schwerpunkt führt der Club de Leones Aktionen durch, die die Bevölkerung sensibilisiert und bei Bedarf unterstützt. Im Einsatz für den Bereich Sehkraft hat der Club de Leones eine Familie aus Turrialba nach San José begleitet, wo sich die Clínica de la Vista de los Clubes de Leones de Costa Rica befindet, in der die Kinder einen Untersuchungstermin hatten. Die Augenklinik ist ein Teil aller in Costa Rica ansässigen Club de Leones und ist dank ihrer finanziellen Vergünstigungen eine bezahlbare Alternative zu anderen Augenkliniken in Costa Rica.

Willkommen im Club!

Gleich zu Beginn des Oktobers fand die Juramentación de Nuevos Socios statt. Beim Club Leo gibt es drei Stadien, in denen man aktiv sein kann. Als Freiwillige:r kann man bei geplanten Veranstaltungen mithelfen, hat aber keine weiterreichenden Rechte. Wenn man fester Bestandteil des Clubs sein will, in den Kommissionen mitarbeiten, eigene Interessen einbringen und ein Stimmrecht haben will, muss man einen sechsmonatigen Prozess durchlaufen, in dem man alles lernt, was man als Leo können und wissen muss. Die Anwärter:innen auf die Mitgliedschaft beim Club Leo heißen während dieser Zeit Aspirante. Nach erfolgreichem Durchlaufen des Prozesses kommen alle Leos zusammen, um durch eine offizielle Zeremonie die neuen Leos, in diesem Fall waren es vier, willkommen zu heißen. Als vollwertige Leos, die sich Socios nennen (Partner:in), besitzt man die Rechte und Pflichten sich einzubringen und den Club nach außen zu
repräsentieren.

Ein Tag im Hogar de Vida

Unser Projekt „Hogar de Vida“ ist ein Kinderheim in der Stadt Atenas. Das Kinderheim befindet sich auf einem großen Gelände und legt viel Wert darauf, dass die Kinder hier lernen, eigenständig ihre Aufgaben zu lösen und Verantwortung zu übernehmen.

Auf dem Gelände des Kinderheims gibt es insgesamt drei Häuser, in denen Kinder wohnen. Genannt werden diese Häuser Casa 1, 2, 3 (Haus 1, 2 und 3). Im Heim wohnen 35 Kinder, die auf die Häuser aufgeteilt sind. Sie sind im Alter zwischen 0 und 8 Jahren. Ältere Kinder werden hier auch aufgenommen, wenn sie mit Geschwistern zusammen ankommen. Aufgrund der enormen Größe des Geländes gibt es daneben noch unzählige Spielmöglichkeiten wie Spielplätze, Trampoline und sogar zwei Pools.

Alle Kinder haben eine andere Geschichte, die sie in dieses Heim geführt hat. Uns wurde erklärt, dass das jeweilige Kind im Regelfall für mindestens sechs Monate im Heim bleiben, bevor zum ersten Mal die häusliche Familiensituation der Kinder überprüft wird. Können die Kinder noch nicht nach Hause, bleiben sie länger im Heim. So kommt es vor, dass einige (wenige) Kinder schon seit mehreren Jahren hier sind.

Das Projekt versucht besonders durch einen geregelten Tagesablauf, den Kindern eine Struktur und Ordnung zu geben, die sie mit der Zeit erlernen. Dabei werden sie rund um die Uhr durch die Tías (die Erzieher:innen) mit ganz viel Liebe und Zuneigung unterstützt.