La vida en Aiped

Am 12.9. 2022 machte ich mich mit gemischten Gefühlen, aber voller Vorfreude auf zu meiner neuen Arbeit. Es war mein erster Tag und ich hatte lediglich eine grobe Vorstellung von den Aufgaben, die mich das Jahr über erwarten würden. Meine Spanischkenntnisse reichten für das Führen von einfachen Konversationen aus.

Meine Aufgaben

Ich wurde nett von den Mitarbeiter:innen empfangen und bekam für die ersten Tage einfache Aufgaben zugeteilt. Ich sollte die „Usuarios“ morgens empfangen, das Essen austeilen sowie bei den Aktivitäten (Malen, Bingo spielen, usw.) mithelfen.
Schon nach kurzer Zeit durfte ich an der Planung der Aktivitäten für das Jahr mitwirken. Hier konnte ich eigene Vorschläge einbringen, die größtenteils auch umgesetzt wurden.
Bei jedem Freiwilligen im Projekt wird geguckt, welche Hobbys bzw. Talente sie haben. Diese werden dann in die Arbeit integriert. Da ich sehr gerne Sport mache, wurde ich zum „Profesor de deportes” ernannt. Seitdem gebe ich Kurse in Fußball, Basketball, Boccia und Leichtathletik. Andere Möglichkeiten wären aber auch Musik- oder Kunstunterricht.

Aktuell ist die „semana de los derechos con discapacidad“. In dessen Rahmen machen wir allerlei sportliche Aktivitäten. Dabei treten wir auch gegen andere Einrichtungen für Menschen mit Behinderung an. Die Disziplinen sind u.a. Boccia, Leichtathletik und Fußball. Das Ganze wird von dem lokalen Rathaus organisiert. Hierbei geht es aber weniger um den Wettkampf, sondern vorrangig um den Spaß und die Begeisterung der Teilnehmer:innen.

Dankbarkeit, Lebensfreude und Zuneigung

Das ist es, was ich aus meinen ersten Wochen auf der anderen Seite der Welt mitnehme.
Mein Name ist Oli, ich bin nun seit fast acht Wochen in meinem weltwärts-Projekt „El Refugio“ im Brennpunktbezirk „La Milpa“ in Heredia.

Die Einleitung lässt schon erahnen, dass ich hier mit starker Armut konfrontiert werde. In meinem ganzen bisherigen Leben hatte ich damit noch keinen Kontakt. Ich hatte nichts davon geahnt und gehofft, sie niemals erleben zu müssen.
Zehn Minuten Fußweg liegen zwischen mir und meiner Arbeit. Nach etwa der Hälfte des Weges bin ich im Stadtteil „La Milpa“, in dem sich die Armut deutlich zeigt. Kleine, unstabile „Häuser“, zugemüllte Straßen, abgemagerte Tiere, schiefe Blicke und die nahezu tägliche Frage nach Geld, sind hier mein Alltag. Wenn ich schließlich im Projekt angekommen bin, welches seinen Platz in einem kleinen Haus in einer Seitengasse hat, ist es zu Beginn noch ruhig, da die Kinder noch nicht eingetroffen sind. Diese trudeln an den Dienstagen und Donnerstagen, (meine Lieblingstage, da an diesen Tagen von den großartigen freiwilligen Küchenfrauen für alle Essen gekocht wird und deshalb viele Kinder kommen) ab 10:30 Uhr mit costa-ricanischer Pünktlichkeit natürlich, verspätet ein.

 

Ein Geben und Nehmen

Nach zwei erlebnisreichen Wochen, während derer ich einen Sprachkurs in den Bergengemacht hatte, bin ich Mitte September mit meinem Mitfreiwilligen nach Parrita an die Pazifikküste gefahren.
Dort bin ich nun schon seit fast zweieinhalb Monaten und habe bereits einiges erlebt, viele neue Orte gesehen und bin mit vielen verschiedenen Menschen in Kontakt gekommen. Bereits jetzt fühlt es sich an, als wäre ich seit einem halben Jahr hier und ich fühle mich schon gut in der Gemeinschaft integriert.

Meine Gastfamilie

Das liegt vor allem daran, dass ich seit dem ersten Tag sehr herzlich von meiner Gastfamilie aufgenommen wurde und wir schon viel zusammen unternommen und sie mich überallhin mitgenommen haben. So habe ich bereits den Geburtstag meiner Gastoma mitgefeiert sowie viele andere Familienmitglieder und Freund:innen meiner Familie besucht und kennengelernt. Außerdem haben wir schon viele Aktivitäten, wie eine Kajaktour durch Mangroven, zusammen unternommen, waren zusammen im Urlaub und haben schon viele gemeinsame Pläne für die nächste Zeit. Ich fühle mich bereits wie ein richtiges Familienmitglied, wofür ich wirklich sehr dankbar bin.
Ich arbeite von Mittwoch bis Sonntag und bin meistens den ganzen Tag beschäftigt. Meine freien Tage, Montag und Dienstag, nutze ich, um etwas mit meiner Gastfamilie zu unternehmen, die Gegend mit Freund:innen zu erkunden oder zu verreisen.

Meine eigenen Projekte

Zusammen mit meinem Mitfreiwilligen arbeite ich zum Teil im „Colegio“. Dort bieten wir den Schüler:innen des Colegios einen Deutschclub an, um den Schüler:innen die Kultur Deutschlands sowie die Sprache näherzubringen, indem wir gemeinsam spielen, kochen oder Musik hören.
Zusätzlich biete ich mit meinem Mitfreiwilligen viermal die Woche Englischkurse für alle Altersklassen an. Unter anderem haben wir einmal wöchentlich nachmittags einen Englischkurs für Erwachsene. Englisch spielt, vor allem bezüglich der Jobmöglichkeiten an der Pazifikküste, eine sehr wichtige Rolle, da in dieser Region ein Großteil der Jobs im Tourismusbereich liegen.

Ferienschule – Lernen, Spaß, Gemeinschaft

Im Oktober fand mal wieder die Ferienschule statt. Für mich als Bundesfreiwilliger war es die erste Ferienschule hier bei VISIONEERS. Es ist zwar schon etwas her, aber ich erinnere mich gerne daran zurück, denn es waren echt zwei tolle Wochen hier in Berlin-Schöneberg!

All unsere „Fit für die Schule“-Teilnehmer:innen waren auch Teil der Ferienschule, was sehr schön war, denn so konnten wir unsere Bindung über die Ferien aufrechterhalten. Auch viele altbekannte Gesichter von vorherigen Ferienschulen sind wieder zahlreich bei uns erschienen. Aber wir hatten auch neue Teilnehmer:innen, was uns sehr gefreut hat, denn jede:r ist willkommen!
Es war die erste Ferienschule, die hier im Sachsendamm, in unseren neuen Workshopräumen stattgefunden hat, was zusätzlich etwas Besonderes für uns als Team war.
Vormittags konnten wir mit unseren „Fit für die Schule“-Teilnehmer:innen weiterhin Deutsch lernen und mit alt eingesessenen Ferienschul-Teilnehmer:innen haben wir sogar von Deutschunterricht bis hin zu Spielen wie „Werwolf“ viele verschiedene Aktivitäten im Unterricht gemacht.
Dadurch, dass bei VISIONEERS gut und gern auch mal zwei Projekte gleichzeitig laufen, hatten wir das Glück, in der ersten Woche im Rahmen des ESK-Projektes (Europäischer Solidaritätskorps) sehr lecker bekocht worden zu sein und uns somit in der Mittagspause gut für die Nachmittagsaktivitäten stärken zu können. In der zweiten Ferienschulwoche hatten wir 13 Ticos (Costa Ricaner:innen) zu Besuch. Dabei haben sie uns nicht nur die costa-ricanische Küche nähergebracht, wir konnten uns auch beim Thema Teamwork etwas abschauen, denn wie die Jungs und Mädels zusammen gekocht haben, fand ich persönlich sehr schön und bemerkenswert mitanzusehen.

Die Nachmittage

Täglich gingen wir nach der Mittagspause, gestärkt, verschiedenen Aktivitäten nach. Es gab jeden Tag zwei bis drei Gruppen, die gemeinsam an verschiedenen coolen Orten in Berlin eine tolle Zeit verbracht haben. Ich war zum Beispiel beim Bowling, Fußball, Volleyball und Minigolf dabei. Aber auch für die Sportmuffel war etwas dabei. Im Naturkundemuseum konnten wir Dino-Skelette oder andere Wunderwerke der Natur bestaunen, im „Little Big City“ konnten wir uns die Geschichte Berlins anschauen und darüber nachdenken, was in dieser Stadt schon alles passiert ist. Auch im Computerspielemuseum konnten sich die Jugendlichen bei diversen Videospielen aus den 80ern, 90ern oder von heute, spielerisch austoben.
Bei schlechtem Wetter sind wir in unseren Workshopräumen geblieben und haben mit Popcorn und Chips einen Film geschaut, worüber sich auch jeder gefreut hat.

Mein Arbeitsalltag im Kinderheim „Hogar de Cuna“

In meinem Projekt „Asocuna“ arbeite ich in einem Kinderheim in San José, der Hauptstadt Costa Ricas.
Jeden Morgen laufe ich eine halbe Stunde zu meiner Arbeit, die um 8:00 Uhr beginnt.
Dort werde ich immer freundlich von den „Tías“ (Erzieherinnen, wörtlich übersetzt: „Tanten“) und den 18 Kindern, die alle zwischen null und sechs Jahre alt sind und in dem Heim leben, begrüßt.
Nachdem wir den Kindern nach ihrem Frühstück ihre Zähne geputzt haben, werden sie in zwei Gruppen aufgeteilt. Die älteren Kinder gehen mit der „Maestra“ (Lehrerin) in den Klassenraum und lernen dort die Zahlen und Farben oder spielen bildungsfördernde Spiele. Die kleineren Kinder, zu denen die unter zweijährigen Babys gehören, bringen wir in den Stimulationsraum. Dort singen wir vier „Guten Morgen“-Lieder und spielen mit ihnen.

Meistens helfe ich der Maestra im Klassenraum.
Bis 9:30 Uhr singen wir mit den Kindern Lieder und basteln etwas. Danach wird die erste „Merienda“ (Snack) serviert. Diese besteht meistens aus einer Frucht wie einer Banane, etwas Papaya oder Erdbeeren.
Um 10:30 Uhr gehen alle Kinder und Babys in die Pause. Wenn gutes Wetter ist, was meistens der Fall ist, gehen wir in den Außenbereich des Hauses, wo es viele Spiel- und Fahrzeuge gibt. Dort passen die Tías und ich auf, dass sich die Kinder nicht schubsen, hinfallen oder das Spielzeug eines anderen Kindes klauen.

Vor dem Mittagessen „klatschen“ wir immer ein Gebet und danach werden die Kinder um 11:00 Uhr gefüttert. Anschließend putzen wir ihnen wieder ihre Zähne und dann beginnt auch schon die „Siesta“, der Mittagsschlaf. Dieser geht unter der Woche bis 14:00 Uhr.
Währenddessen bekommen ab 11:30 Uhr, die älteren Kinder ihr Mittagessen. Diese sind alt genug, um selbstständig zu essen, sodass man nur darauf achten muss, dass sie alles aufessen. Wenn ein Kind aufisst, bekommt es ein „Fresco“ (Erfrischungsgetränk).
Nachdem wir auch deren Zähne geputzt haben und sie schlafen, essen ich und meine Arbeitskolleginnen gemeinsam zu Mittag.
Oftmals helfe ich in der Pause meiner Chefin dabei, Spenden zu sortieren oder andere Sachen für die Kinder vorzubereiten. Manchmal kann ich mich aber auch in einem Nebenraum bis 14 Uhr ausruhen.

Der Start in mein weltwärts-Abenteuer

Jetzt geht es endlich los

Der langersehnte Abreisetag, der 26. August, kam dann doch schneller als gedacht. Schon saß ich mit meiner ganzen Familie und gepackten Koffern im Auto auf dem Weg zum Flughafen. Jetzt startete mein Abenteuer also wirklich, dachte ich, mein weltwärts-Freiwilligendienst. Das Jahr, auf das ich mich während des ganzen letzten Jahres vorbereitet hatte, das aber doch immer noch so weit weg gewesen war. Plötzlich war doch die Zeit gekommen, um Abschied zu nehmen. Es ist ein komisches Gefühl, wenn man weiß, dass man sich für so eine lange Zeit nicht mehr sehen wird. Die Vorfreude war plötzlich verschwunden und ich spürte nur noch die Nervosität und Angst vor dem, was kommen wird. Es gab so viel Ungewissheit darüber, wie das nächste Jahr aussehen wird.

Ich komme in meinem neuen Zuhause an

Nachdem ich die ersten zwei Wochen in Costa Rica noch mit einigen anderen Freiwilligen gemeinsam beim Sprachkurs verbracht hatte, ging es für uns alle zu unseren Projektstandorten. Es war schön, die ersten Tage in einer großen Gruppe zu verbringen, um die ersten Erfahrungen hier gemeinsam zu machen. Schließlich ging es danach so richtig los mit unserem Freiwilligendienst.
Samstagabends machten wir, meine Mitfreiwillige Alisa und ich, uns auf den Weg nach Bandera, einem kleinen Dorf an der Pazifikküste, wo wir das Jahr über wohnen und unseren Dienst leisten. Gespannt saß ich im Auto und dachte während spannender Gespräche mit einem „VISIONEERS“ – Mitarbeiter darüber nach, wie wohl mein Leben im nächsten Jahr aussehen würde.
Wie schnell werden wir Anschluss finden und neue Leute kennenlernen? Werde ich mich bei der Arbeit mit den Kindern wohlfühlen? Habe ich dafür wirklich genug Selbstvertrauen? Wie wird meine Freizeit aussehen? Werde ich Surfen lernen? Habe ich die Chance dazu, ab und zu Tennis zu spielen, den Sport, den ich sicherlich sehr vermissen werde?
Fragen über Fragen, deren Antworten ich wohl erst im Verlauf der nächsten Monate finden werde.
Auch wenn ich noch nicht genau wusste, was mich erwarten wird, freute ich mich wirklich darauf, jetzt so richtig ankommen zu können. Ich war schon ganz gespannt auf das kleine Häuschen, in dem Alisa und ich für das nächste Jahr zusammen in einer WG wohnen werden.
Als wir im Dunkeln über den Schotterweg gebrettert sind, wo ein Schlagloch dem nächsten folgte, konnte ich mir schon mehr darunter vorstellen, was es bedeutet, in einem kleinen Dorf ohne Busanbindung zu wohnen. Als wir endlich angekommen waren, hievten wir unsere Koffer und Rücksäcke aus dem Auto und wurden herzlich von unserer Nachbarin empfangen.
Man sieht hier sehr viele einfache Wellblechhütten, die ein Zuhause für viele Familien hier sind. Deswegen wollten wir beide nicht zu viel erwarten und waren wirklich positiv von unserem kleinen Häuschen hier überrascht. Ich habe hier zwar kein eigenes Zimmer und das Haus ist sehr einfach, trotzdem fühle ich mich hier sehr wohl.
Wir wohnen direkt hinter der Pulpería – dem Dorfladen Banderas. Die Familie, welche die Pulpería betreibt, ist für uns wie eine Gastfamilie geworden. Gleich an unseren ersten Tagen wurden wir zum Essen eingeladen und von allen herzlich begrüßt. Hier, am großen Tisch und in der offenen Küche der Nachbarsfamilie, wo wir auch sehr viel Zeit verbringen, kommt das ganze Dorf zusammen. Sogar jetzt gerade, während ich diesen Blogartikel schreibe, sitze ich hier am Tisch und höre dem Regen zu, wie er auf das Wellblechdach prasselt.

Das ist das Projekt UNO+

UNO+ ist ein Bildungsprojekt mit dem Ziel einer ganzheitlichen Förderung der Kinder, um ihnen eine gute Schullaufbahn und somit einen guten Start in ihr späteres Leben zu ermöglichen. An insgesamt fünf verschiedenen Standorten werden benachteiligte Kinder zwischen 7 und 12 Jahren betreut. Ich arbeite zusammen mit meiner Mitfreiwilligen in den Orten Bandera, La Loma und Parrita. Hier betreuen wir am Nachmittag die Kinder, nachdem sie aus der Schule kommen.
Unser erster Arbeitstag bei UNO+ startete in einem kleinen Chaos. Da die Absprache etwas schiefgelaufen war, sollten wir gleich an unserem ersten Tag ca. 20 herumtobende Kinder beschäftigen, ohne etwas mitgebracht oder vorbereitet zu haben. Mit etwas Improvisation und Kreativität ist uns dies aber auch ganz gut gelungen.

Die erste Etappe meines Abenteuers „weltwärts in Costa Rica“

26. August 2022, 6 Uhr morgens, Flughafen München

Die letzten Abschiedsworte und Umarmungen werden ausgetauscht, ein paar Tränen vergossen, während mein Herz schon aufgeregt pocht. Ob wegen der utopischen Uhrzeit oder des bevorstehenden Abenteuers, kann ich nicht sagen. Vielleicht ist es auch eine Mischung aus beidem. Schnell gehe ich durch die Sicherheitskontrolle, in ein winziges Flugzeug hinein und dann geht’s auf nach Zürich. Hier finden sich dann alle Freiwillige ein, um gemeinsam in ein Flugzeug mit Kurs auf das Abenteuer „Costa Rica“ zu steigen.

Ankunft

Nach einem 12-stündigen Flug wurden wir am Flughafen abgeholt, von wo aus die eine Hälfte der Gruppe zum Sprachkurs an den Strand chauffiert wurde und die andere Hälfte zur Finca.
Der Sprachkurs für die Anfänger fand am Strand statt, wo wir zwei unvergessliche Wochen voller Spanischunterricht, Sonne, Strand und Meer genießen durften.
Schon dort lernten wir herzliche und liebenswerte Ticos kennen, welche uns die Sprache, die Kultur und die Küche näherbrachten. So lernte ich dort schon das köstliche Gericht „Platanos“ kennen, welches aus Kochbananen besteht, die in der Pfanne gebraten werden.
Am 11. September waren diese ersten zwei Wochen unseres Costa Rica-Aufenthalts vorbei und wir wurden in einer abenteuerlichen Fahrt über Schotterwege in den Bergen auf die Finca gefahren.

Ankunft auf der Finca

Dort wurden Svenja, eine andere Freiwillige und ich in unser Haus gebracht, wo wir für ca. einen Monat wohnen sollten, bis unser Teil der Finca fertig gebaut sein würde. Es war schon ein eigenartiges Gefühl, an diesem Abend ins Bett zu gehen mit dem Wissen, nicht nur von zu Hause aus- und in eine WG eingezogen zu sein, sondern dies in Costa Rica, am anderen Ende der Welt, getan zu haben. Doch schnell gewöhnten wir uns daran und genossen unsere neu gewonnenen Freiheiten, wie etwa nur noch Essen zu essen, welches uns auch wirklich schmeckt, sehr. Natürlich lernten wir auch schnell die Kehrseite der Medaille kennen. Beim wöchentlichen Einkauf mussten wir nun selbst die Finanzen im Auge behalten. Dies war die erste große Erfahrung, die meine Mitfreiwilligen und ich machen durften, an welche wir uns sicher noch lange gemeinsam erinnern werden.

Über den Wolken

Während meines Auslandsjahres in Costa Rica hatte ich das Glück, viele Orte sehen zu können. Ich bin von Provinz zu Provinz gereist und habe dort jede Menge costa-ricanische Kultur kennenlernen dürfen. Doch meine Reisen waren überwiegend von Städten, Stränden und Nationalparks geprägt gewesen, weshalb es mir wichtig war, noch einmal eine ganz andere Reiseerfahrung zu machen und von der möchte ich in diesem Blog berichten.

Der höchste Berg Costa Ricas

Es handelt sich dabei um das Besteigen des „Cerro Chirripos“, der mit stolzen 3821 Höhenmetern der höchste Berg Costa Ricas ist. Diese Wanderung stand schon lange fest, weil zum einen eine Übernachtung oben auf dem Gipfel bereits Monate vor der geplanten Wanderung reserviert werden musste, da die Hütte nur über begrenzten Platz verfügt. Zum anderen sollte man sich aber auch auf diese Art von Unternehmen körperlich vorbereiten. Greta (meine Mitbewohnerin) und ich hatten das Glück, bereits ein Gespür für die Höhenmeter bekommen zu haben, da wir eine Gruppe von Ticos bei ihrem Besteigen des Berges „Pico Blanco“ begleitet haben, der vor allem für seine enorme Steigung bekannt ist und deshalb auch nur von wenigen Reisegruppen jährlich bestiegen wird. Aber kommen wir zum Chirripo zurück. Noch vor unserer Wanderung haben wir von allen Seiten gehört, dass ein Guide unbedingt notwendig sei, insbesondere da sich die Wetterverhältnisse innerhalb weniger Minuten komplett verändern können. Trotzdem haben wir uns aber gegen einen Guide entschieden, weil wir uns als Vierergruppe doch recht sicher gefühlt haben! Jedoch hat mir diese Schilderung der Einheimischen Angst eingejagt und ich hatte die Befürchtung, dass wir die ganze Wanderung vielleicht doch zu sehr auf die leichte Schulter genommen haben. Doch glücklicherweise war diese Befürchtung in unserem Fall völlig unbegründet. So habe ich die Wanderung in vollsten Zügen genießen und die atemberaubende Natur auf 3800 Höhenmetern bestaunen können.

Die zwei Seiten des einsamen San Andrés

Nachdem ich meine ersten zwei Wochen im Sprachkurs am Pazifik mit gutem Wetter und leben in einer Gated Community, inklusive Tennisplatz und Pool verbracht habe, wurde es Zeit für eine Abkühlung. Nicht nur hinsichtlich der Temperaturen, welche in den Bergen 15 Grad (gefühlt) niedriger liegen werden als am Meer, sondern auch hinsichtlich meiner eigenen Erwartungen und der Realität.

Es geht los

Als ich und meine Mitfreiwilligen am 10.09. in San Andrés de León Cortés bei unserem Projekt ankamen, wurden wir nett von unseren Chefs begrüßt und aßen gemeinsam zu Mittag. Da das Haus auf der Finca, in welchem wir mittlerweile wohnen, bei unserer Ankunft noch einer Baustelle glich, wurden wir für die ersten drei Wochen jeweils zu zweit in unterschiedlichen Häusern im Dorf untergebracht. Als wir das erste Mal durchs Dorf fuhren, wurde mir erst richtig bewusst, was ich mir für einen Ort ausgesucht hatte und was das in der Realität für mein Jahr hier bedeutete.

Inzwischen lebe ich auf der Finca in einer WG mit drei anderen Freiwilligen. Das hat sowohl Vor- als auch Nachteile. Einerseits haben wir viele Freiheiten, können kochen was wir wollen und müssen uns nicht an die Strukturen und Regeln einer Gastfamilie halten. Andererseits haben wir es schwerer, uns in die Dorfgemeinschaft zu integrieren und Menschen kennenzulernen. Mittlerweile habe ich aber guten Anschluss zu Leuten in meinem Alter gefunden und gehe unter anderem zweimal die Woche Fußballspielen oder bestelle mit den anderen Pizza und verbringe den Abend mit ihnen zusammen.

Meine Arbeit hier

Unsere Arbeit besteht zurzeit im Wesentlichen darin, auf der Baustelle des dritten Gebäudes der Finca mitzuhelfen. Hier erledigen wir Aufgaben wie das Streichen von Wänden und Balken oder Vorbereitungs- und Aufräumaufgaben, wie das Mischen von Beton oder das Ausheben von Löchern für das Fundament. Außerdem errichten wir ein Gewächshaus und später kommt noch ein Hühnerstall dazu. Es bleibt aber auch oft Zeit, um einfach einen Spaziergang, die Kaffeeplantage hinunter, zum Wasserfall zu machen. Da die Kaffeebohnen noch nicht reif sind, können wir noch nicht auf der Kaffeeplantage arbeiten, da es dort zurzeit keine Aufgaben gibt. Ende November beginnt dann aber die Kaffeeernte, bei welcher wir auch tatkräftig unterstützen werden.

Mein Projekt bietet zurzeit zwar noch nicht so viele Aufgaben, wenn es aber etwas zu tun gibt, sind dies meistens körperliche Tätigkeiten, sodass ich am Abend froh darüber bin, früh ins Bett zu gehen.

 

Zwei Frauen, Zwei Leben, ein Land: Costa Rica

In meinen bisherigen Newslettern habe ich hauptsächlich über mich und mein Leben als Freiwillige in Costa Rica geschrieben. Ich habe euch von meinen Reisen, meiner Arbeit und anderweitigen Erfahrungen berichtet. In diesem Newsletter möchte ich aber das Gegenteil tun. Wie ist es eigentlich, in Costa Rica aufzuwachsen und zu leben? Da diese Frage natürlich nicht pauschal beantwortet werden kann, habe ich mich dazu entschieden, beispielhaft zwei Geschichten von zwei unterschiedlichen Frauen zu erzählen. Die eine ist die von Estefania (20), meiner Arbeitskollegin, die andere die von María (16), meiner Nachbarin.

Estefanias Geschichte

Um die Geschichte Estefanias besser verstehen und nachvollziehen zu können, ist es erst einmal wichtig zu wissen, dass Costa Rica durch seine zentrale Lage innerhalb Mittelamerikas und seiner vergleichsweise hohen Sicherheit von Migration geprägt ist. So kamen bereits früh Migranten aus dem Norden, vor allem aus Nicaragua. Dies hat sich in den letzten Jahren verstärkt. Im Jahr 2018 kam es in Nicaragua zu landesweiten Unruhen, weshalb viele Menschen nach Costa Rica flüchten mussten. Zwei Jahre später flohen fast zehntausend Menschen aus Nicaragua nach Costa Rica, was bei fünf Millionen Einwohnern nicht unerheblich ist.
In La Milpa, dem Stattteil von Heredia, in dem sich mein Projekt befindet, lebt Estefania mit ihrer Familie. Sie kam vor vielen Jahren, als sie selbst noch ganz jung war aus Nicaragua nach Costa Rica. Ihre Mutter konnte in ihrer Heimat keine Arbeit finden und so ihr Leben dort nicht mehr finanzieren. Als die Familie in Costa Rica ankam, baute sie sich illegal eine Blechhütte, in der sie noch heute mit sieben Familienmitgliedern lebt, zu denen neben Estefanias Eltern auch noch ihre drei Geschwister und ihre beiden Großeltern gehören. Allerdings besitzen sie weder Stühle noch einen Tisch oder ein Sofa. Lediglich ein paar Betten und einen Kleiderschrank konnten sie in die Hütte stellen. Estefania ist, als das älteste Kind, für alle Lebensbereiche verantwortlich. Sie muss sich um ihre Geschwister kümmern und täglich das Essen auf den Tisch bringen, wobei allein das Kochen bis zu vier Stunden dauern kann. Zusätzlich begleitet sie ihre Großmutter zu Arztterminen, da diese an Krebs erkrankt ist.

Es gibt viele solcher Familien, die illegal in Costa Rica leben, da es sehr schwer und sehr teuer ist, die Staatsbürgerschaft zu erlangen. Aus diesem Grund finden viele Migranten keinen richtigen Job. Auch das Recht zu studieren, ist an die Staatsbürgerschaft gekoppelt. Estefania würde gerne Grundschullehrerin werden, da sie aber noch keine Staatsbürgerschaft besitzt, darf sie das erst einmal nicht. Solange arbeitet sie freiwillig in dem „Refugio“, in dem Programm in dem auch ihre Geschwister aufgenommen worden sind. Estefania und ihre kleinen Geschwister haben dort die Gelegenheit, Perspektiven für ihr späteres Leben zu entwickeln.

Das Schicksal anderer Kinder

Dennoch gibt es viele Kinder, die dieses Privileg nicht haben. Denn obwohl die Kinder in die Schule gehen könnten, sind ihre Eltern oftmals aufgrund psychischer Erkrankungen oder einer Drogenabhängigkeit nicht dazu in der Lage, ihre Kinder regelmäßig in die Schule zu schicken. Daher verbringen die Kinder oft den ganzen Tag auf der Straße. Sie lernen zu stehlen, müssen sich häufig unter Anwendung von Gewalt behaupten und geraten auf diese Weise schnell in ein kriminelles Milieu. Ihre einzige Möglichkeit, Geld zu verdienen, besteht dann darin, „unter der Hand“ zu arbeiten, was Korruption beinhaltet oder sie gehen in die Selbstständigkeit. Viele verkaufen in diesem Rahmen Lebensmittel oder handgemachte Artikel an den Haustüren.

Der Drogenhandel

Zudem ist der Handel mit Drogen eine sehr lukrative Möglichkeit, schnell an Geld zu kommen. In La Milpa entwickelte sich das über viele Jahre zu einem riesigen Problem. Gerade in bildungsfernen Familien steigt die Drogenabhängigkeitsrate stark an, womit sich der Teufelskreis fortschreibt, in den die Kinder hineingeboren werden.
Denn mit dem Drogenhandel ist eine Gewaltbereitschaft verbunden, die von der Rivalität zwischen den Drogendealern und deren Gangs ausgeht. Sie begehen Überfälle und misshandeln und entführen Kinder. Häufig sind es auch die Eltern, die für ihre Kinder zu einer Gefahr werden, weil sie sich an ihnen vergehen und das schon in frühen Jahren. Bereits Kinder im Vorschulalter müssen dieses Leid und Unrecht ertragen. Für mich ist es schockierend, das mitanzusehen. Doch auch wenn ich diesen Einblick in das Leben der Kinder durch das „Refugio“ bekomme, kann ich sicherlich nicht wirklich nachempfinden, wie es diesen Menschen wirklich gehen muss und wie ausweglos ihre Situation für sie oftmals zu sein scheint.
Nun möchte ich eine ganz andere Art des Lebens in Costa Rica vorstellen, die von deutlich mehr Wohlstand geprägt ist.