Ich steige aus dem Bus aus, welcher mich von Turrialba – einem Städtchen im wunderschönen Costa Rica – in ein kleines Nachbardorf gebracht hat. Ich biege in einen Kiesweg ein, welcher einen kleinen Hügel hinauf zu einem Haus führt. Einem Haus, in welchem viel Leben steckt. Das Waisenhaus „Hogar Infantil Turrialba“. Schon von weitem hat mich ein Kind entdeckt, schreit ganz laut: „Vanee“, und noch bevor ich das kaputte Tor geöffnet habe, kommen einige Kinder mit strahlenden Gesichtern angestürmt. Nach vielen Umarmungen, Küsschen und High Fives schaffe ich es dann auch meinen Weg fortzusetzen, durch die Küche, in welcher ich die Tias (so heißen die Mitarbeiter hier) begrüße, bis zu einem kleinen Nebenraum um meinen Rucksack abzustellen.

So beginnen die meisten meiner Arbeitstage hier im Waisenhaus „Hogar Infantil Turrialba“, in welchem zurzeit 15 Kinder von 0-12 Jahren wohnen. Kinder, welche entweder keine Eltern mehr haben, oder -und das kommt viel häufiger vor- misshandelt wurden. Zum Schutz der Kinder werden keine Informationen über ihre Vergangenheit weitergegeben und so wird auch mir, obwohl es mich sehr interessieren würde, wo manche Gewohnheiten der Kinder herkommen, wenig erzählt.

Der Alltag im Waisenhaus

Einige der Kinder gehen entweder in die Schule oder den Kindergarten. Am Nachmittag haben sie dann viel Zeit um zu spielen und sich auszutoben, ja, wie alle Kinder haben auch diese unglaublich viel Energie. Meine Zeit dort fängt meistens mit Haushaltsarbeiten an: Wäsche aufhängen, Fegen, Putzen und was eben sonst noch so alles anfällt. Damit bin ich dann oft auch den ganzen Vormittag beschäftigt. Nach dem Mittagessen, bei welchem manche der Kinder noch gefüttert werden müssen, bleibt mir aber noch sehr viel Zeit um mit den Kindern zu spielen, zu reden oder auch Hausaufgaben mit ihnen zu machen. Dadurch, dass im Waisenhaus relativ wenige Kinder leben, ist es leicht zu jedem eine gute Beziehung aufzubauen und ich habe alle schon sehr ins Herz geschlossen. Noch ein Vorteil ist, dass durch die geringe Anzahl alle (sehr gequetscht) in einen Kleinbus passen und Ausflüge gemacht werden können. Etwa alle zwei bis drei Wochen ist die Freude dann immer groß, wenn Kinder, Tias und Mittagessen in den Kleinbus gepackt werden und einen Ausflug ansteht.

Wenn die leiblichen Eltern der Kinder sich nicht bessern und keine pflegefähigen Verwandten gefunden werden, wird eine Pflegefamilie für die Kinder gesucht. Auch ich habe schon miterlebt, dass Kinder gegangen sind, da eine Familie für sie gefunden wurde. Das ist zwar einerseits traurig, da man nie weiß, ob man die Kinder wiedersehen wird, aber natürlich überwiegt die Freude. Zu sehen, dass die Kinder an liebevolle Eltern übergeben werden, ist einfach überwältigend schön. Auch wenn die Arbeit mit den Kindern sehr anstrengend sein kann, habe ich schon sehr viel gelernt und es gibt sowieso nichts, was eine Umarmung und ein „Du bist toll“ der Kinder nicht wieder gut machen kann.

Eure

Vanessa Einsiedler