Gerade die Weihnachtszeit ist für uns eine Zeit der Familie. Wie wird also Weihnachten gefeiert in einem Heim für Kinder, die gerade keine Familie haben?

Die Weihnachtszeit wird generell in Costa Rica, aber auch im Hogar de Vida sehr genossen und voll ausgeschöpft. Schon im November wurde die erste Weihnachtsdekoration rausgeholt und die ersten Weihnachtslieder gehört. Auch wenn wir durch das warme Wetter kaum in Weihnachtsstimmung gerieten, hat uns doch die Weihnachtseuphorie der anderen gepackt, und wir haben uns schon sehr auf das Fest zum Beginn der Weihnachtszeit gefreut.

Im Dezember gab es eigentlich jeden Samstag eine Weihnachtsfeier für die Kinder. Als der Tag der ersten Feier dann gekommen war, wurde das Rancho (unser Versammlungsort) liebevoll weihnachtlich geschmückt und auch ein riesiger Weihnachtsbaum dort aufgestellt. Dafür hat jedes Haus einen Tanz zu einem Weihnachtslied eingeübt und alle Tías haben eine Sammelbestellung für Weihnachtst-Shirts aufgegeben. Auch die Lehrerinnen des Hogars hatten einen Tanz vorbereitet. Das Team, das im Büro arbeitet, hat die Weihnachtsgeschichte erzählt und wir haben zusammen gebetet. Danach haben sich alle in einer Reihe aufgestellt und jedes Kind durfte eine Kugel an den Baum hängen.

Wir freuen uns Zuhause jedes Jahr darauf, den Weihnachtsbaum mit unseren Familien zu schmücken, deswegen war es für uns ein ganz besonderer Moment, dieses Ereignis dieses Jahr mit den Kindern und dem ganzen Hogar teilen zu dürfen. Anschließend gab es für alle Tamales (in Bananenblättern gedämpfter, mit Fleisch gefüllter Maisteig), Kuchen und Rompope (typischer Eierlikör ohne Alkohol). Wir finden es besonders schön, dass zu solchen Anlässen auch die Tías in die Mahlzeiten eingebunden werden, da so alle am Fest teilhaben können. Nach der Stärkung haben wir noch viele Fotos gemacht und zu Weihnachtsmusik getanzt. Am Abend gab es dann noch Pizza für alle.

Bereits seit drei Monaten lebe und arbeite ich in der Stadt Atenas in Costa Rica und mir gefällt es hier sehr gut.
Ich arbeite in einem Kinderheim mit Kindern im Alter zwischen drei und neun Jahren. Das Heim “Hogar de Vida” (= Heim des Lebens) besteht aus drei Häusern, in denen jeweils elf Kinder leben. Aktuell arbeite ich im “Casa dos” und bin dort auch sehr zufrieden.
Die Kinder freuen sich sehr über meine Anwesenheit und begrüßen mich freudig, wenn ich komme. Mein Arbeitsalltag beginnt um 11:00 Uhr. Zunächst beschäftige ich mich, etwa eine halbe Stunde lang, mit den Kindern, bis es dann um 11:30 Uhr Mittagessen gibt. Dort sitze ich neben den Kindern und achte darauf, dass sie die Tischmanieren lernen und genug essen.
Nach dem Mittagessen putze ich dann die Zähne der Kinder. Alternativ mache ich zusammen mit ihnen den Abwasch. Der Hauptbestandteil meiner Arbeit folgt am Nachmittag: Um etwa 15:00 Uhr beginnt die “Alleinzeit”. Mir wird jeden Tag ein Kind zugeteilt, welches dann anstatt die Arbeitsphase mit der Gruppe mitzumachen, von mir betreut wird. Die Kinder freuen sich sehr über die Abwechslung und haben so die Möglichkeit mehr alleinige Aufmerksamkeit zu bekommen, die normalerweise im Kinderheim fehlt.

Im Kinderheim Hogar de Vida werden den Kindern sensible Themen, wie zum Beispiel Abschiede anhand der Metapher „die Brücke überqueren“ erklärt. Wenn Kinder adoptiert werden oder Erzieher:innen das Heim verlassen, stehen die Kinder gemeinsam mit den Tías, den Erzieherinnen, auf der einen Seite der Brücke, auf welcher sich viele Steine und Hindernisse befinden. Die Familie, in die die Kinder gehen werden, manchmal ist es die biologische, oft aber die „Familie des Herzens“, also die Adoptivfamilie, steht auf der anderen Seite der Brücke.
Wenn die Kinder also fragen, wann sie zu ihrer Familie kämen, wird geantwortet: „dann, wenn die Hindernisse der Brücke von beiden Seiten weggeräumt wurden und der Weg frei ist. Wann das sein wird, weiß nur Gott.“ Wir finden das eine sehr schöne Art, den Kindern dieses sensible Thema zu erklären. Das Bild der Brücke spendet den Kindern Mut und Hoffnung auf ein Zuhause und eine sie liebende Familie.

Ein Tag im Hogar de Vida

Unser Projekt „Hogar de Vida“ ist ein Kinderheim in der Stadt Atenas. Das Kinderheim befindet sich auf einem großen Gelände und legt viel Wert darauf, dass die Kinder hier lernen, eigenständig ihre Aufgaben zu lösen und Verantwortung zu übernehmen.

Auf dem Gelände des Kinderheims gibt es insgesamt drei Häuser, in denen Kinder wohnen. Genannt werden diese Häuser Casa 1, 2, 3 (Haus 1, 2 und 3). Im Heim wohnen 35 Kinder, die auf die Häuser aufgeteilt sind. Sie sind im Alter zwischen 0 und 8 Jahren. Ältere Kinder werden hier auch aufgenommen, wenn sie mit Geschwistern zusammen ankommen. Aufgrund der enormen Größe des Geländes gibt es daneben noch unzählige Spielmöglichkeiten wie Spielplätze, Trampoline und sogar zwei Pools.

Alle Kinder haben eine andere Geschichte, die sie in dieses Heim geführt hat. Uns wurde erklärt, dass das jeweilige Kind im Regelfall für mindestens sechs Monate im Heim bleiben, bevor zum ersten Mal die häusliche Familiensituation der Kinder überprüft wird. Können die Kinder noch nicht nach Hause, bleiben sie länger im Heim. So kommt es vor, dass einige (wenige) Kinder schon seit mehreren Jahren hier sind.

Das Projekt versucht besonders durch einen geregelten Tagesablauf, den Kindern eine Struktur und Ordnung zu geben, die sie mit der Zeit erlernen. Dabei werden sie rund um die Uhr durch die Tías (die Erzieher:innen) mit ganz viel Liebe und Zuneigung unterstützt.

Rückblick- Meine Zeit in Costa Rica

Seit drei Tagen bin ich nun schon wieder bei meiner Familie zu Hause in Deutschland. Schon jetzt vermisse ich Atenas‘ gute Luft, die frischen Früchte, die es zum Frühstück gab, die netten Menschen auf der Arbeit und vieles mehr. Für mich war die Zeit in Costa Rica eine Zeit, die mit unglaublich vielen Erfahrungen und Erlebnissen gefüllt war und ich bin froh darüber, dass ich das erleben durfte. Leider waren es statt der geplanten 12 Monate letztendlich nur 10,5 Monate, die ich in Costa Rica verbracht habe, da sich meine Ausreise aufgrund von Corona verschoben hatte. Trotzdem war es aber genug Zeit für mich, um meinen Horizont erweitern zu können. Ich tauchte in eine andere Kultur ein, lernte eine andere Sprache und durfte ein soziales Projekt mit meinen Fähigkeiten unterstützen, was für mich von Anfang an das Wichtigste war. Inwiefern mich das Jahr aber verändert hat, möchte ich nun erläutern.

Mein Anfang 

Zum ersten Mal ging es für mich für eine so lange Zeit auf einen anderen Kontinent. Doch durch die Seminare von VISIONEERS gGmbH habe ich mich gut vorbereitet gefühlt und war somit bereit für ein Abenteuer. Zunächst musste ich mich Stück für Stück an das Land und an das Klima gewöhnen, das dort herrscht. In Costa Rica gibt es zum Beispiel eine Regenzeit, während der es jeden Tag regnet, wodurch die Natur aber grün und wunderschön aussieht! In den ersten zwei Wochen hatten wir zusätzlich einen Sprachkurs, der uns den Start in Costa Rica etwas vereinfachen sollte. Bereits in dieser Zeit lebte ich in einer Gastfamilie. So durfte ich recht schnell erfahren, wie stark sich die costa-ricanische Kultur von der deutschen unterscheidet. Beispielsweise wird hier sehr oft Reis mit Bohnen gegessen, egal ob morgens, mittags oder abends!

Das Projekt

Nach den zwei Wochen kam ich in meinem Projekt, einem Kinderheim an. Meine ersten Arbeitstage waren aufregend, da ich die Kinder, die „Tías“ (Erzieherinnen; wörtlich übersetzt Tanten) und das Gelände des Projekts kennenlernte. Zum Glück wurde ich gut aufgenommen. Ich versuchte schon von Anfang an, eine gute Unterstützung zu sein, was natürlich auch ein Prozess ist, der seine Zeit brauchte, da ich mich noch nicht so gut auf Spanisch verständigen konnte und viel mit Händen und Füßen ausgleichen musste, was ich mündlich nicht mitteilen konnte. Aber ich lernte schnell. Rückblickend kann ich sagen, dass ich mich auf der Arbeit jeden Tag wohler fühlte, weil ich mich immer mehr an alles gewöhnte und mir dadurch auch mehr Verantwortung übertragen wurde. So durfte ich nach ein paar Monaten beispielsweise jeden Tag für zwei Stunden auf zwei Kinder aufpassen.

 

Die Brücke überqueren

Morgens zum Geschrei der Kinder aufwachen, mir einen Smoothie aus tropischen Früchten mixen und mit meinen Mitbewohnerinnen gemütlich frühstücken, bevor wir uns in der warmen costa-ricanischen Sonne auf den Weg zur Arbeit machen, das alles gehört für mich mittlerweile der Vergangenheit an. Und so schön es hier in Deutschland bei meiner Familie und meinen Freunden auch ist, vermisse ich dennoch die Zeit in Costa Rica sehr.
Oft gehe ich durch meine Fotobibliothek auf meinem Handy, schaue mir die Fotos aus dem Jahr an und erinnere mich wieder an die ganzen Dinge, die dieses Jahr so besonders gemacht haben. Wie ich den höchsten Berg Costa Ricas bestiegen habe oder die längste Zipline Lateinamerikas entlanggesaust bin; oder ich erinnere mich an das WG-Leben, das solch eine Nebensache zu sein scheint, die das Jahr aber trotzdem so bedeutsam für mich gemacht hat. Besonders die Bilder meiner Abschiedszeit machen mich immer noch emotional.
In meinem ehemaligen Projekt, dem Kinderheim “Hogar de Vida” sind Abschiede natürlich ein sensibles Thema. Denn einem kleinen Kind kann man natürlich nicht einfach sagen, dass es noch nicht zur Mama zurückdarf, während ein anderes Kind schon nach kürzerer Zeit das Kinderheim verlässt. Deshalb wird dort die Metapher der Brücke verwendet. Die Kinder stehen auf der einen Seite der mit Steinen und Ästen blockierten Brücke und auf der anderen Seite die Familie. Beide Seiten müssen „arbeiten“, um die Steine und Äste aus dem Weg zu räumen und die Brücke überquerbar zu machen. „Arbeiten“ bedeutet in dem Fall der Kinder, gemeinsam mit den Tias (den Betreuerinnen) an Verhaltensweisen zu arbeiten und Meilensteine in der Entwicklung zu erreichen. Aber nicht nur für die Kinder wird diese Metapher verwendet. Wenn ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin das Kinderheim verlässt, überquert er/sie auch die Brücke. Und so habe ich auch an meinem letzten Arbeitstag in Costa Rica den letzten Stein von der Brücke gehoben und habe den Weg zu meiner Familie in Deutschland freigeräumt.

Das Gott in Costa Rica viel präsenter im alltäglichen Leben ist als in Deutschland wusste ich zwar vor meiner Ausreise, aber trotzdem bin ich nach 6 Wochen immer noch überrascht, wie tief der Glauben hier verankert ist. Besonders in meinem Projekt dreht sich sehr viel um Gott, den Glauben und die Beziehung der Kinder und Tías (die Mitarbeiter, die sich um die Kinder kümmern) zu Gott.

Das fängt schon dabei an, dass auf die Frage „Cómo estás?“ (Wie geht es dir?) mit „Bien, Gracias a Dios“ (Gut, dank Gott) geantwortet wird. Auch wird in meinem Projekt vor jeder Mahlzeit gebetet, mal leiten die Tías das Gebet, aber auch oft die Kinder. Dabei wird klassischer Weise für das Essen und den Tag gedankt, aber wenn die Kinder an der Reihe sind, wird auch mal dafür gebetet nicht ins Bett zu pinkeln. Zudem gibt es jeden Tag eine Art Gebetskreis in dem zentralen Gebäude des Projekts, bei dem jedes Haus abwechselnd (vor Corona immer gemeinsam, jetzt wird aber versucht die Häuser nicht zu vermischen) dran ist. Dabei werden immer zu einem monatlichen Thema kinderrecht, z.B. durch Singen oder auch Malen, Inhalte über Gott und christliche Werte vermittelt.

Am Anfang war es für mich schon etwas befremdlich zu sehen, mit welcher Überzeugung der Glauben besonders in meinem Projekt gelebt wird, doch mit der Zeit ist mir immer deutlicher geworden, wie wichtig Gott für die Kinder ist. Alle Kinder, die hier vorrübergehend oder auch länger leben, haben in irgendeiner Form Gewalt erfahren: physisch, psychisch oder sexuell und wurden vernachlässigt. In Hogar de Vida wird ihnen beigebracht, dass Gott immer für sie da ist, dass er sie immer liebt und dass er für jede einzelne Person und jedes Lebewesen einen Plan hat. Mit Gott kann man immer reden und ihm alles anvertrauen. Dieses Wissen, dass es immer jemanden gibt, der über einen wacht und liebt, gibt den Kindern die Stabilität, die ihnen in ihrem bisherigen Leben so oft gefehlt hat.

Gott spielt auch eine wichtige Rolle, wenn den Kindern erklärt wird, wann sie zu ihrer Familie zurückkönnen. Dafür wird in Hogar de Vida die Metapher einer Brücke verwendet. Die Kinder mit den Tías stehen auf der einen Seite und die Familie, sei es die biologische oder Adoptivfamilie, auf der anderen. Doch auf der Brücke liegen ganz viele Steine und Stöcke, die durch Arbeit von beiden Seiten entfernt werden müssen, bevor die Kinder die Brücke überqueren können. Wenn die Kinder also fragen, wann sie wieder zu ihrer Familie können, antworten die Tías: „Wenn alle Steine und Stöcke aus dem Weg geräumt sind“. Doch wann die Brücke frei von Hindernissen ist und der Weg endlich frei ist, weiß nur Gott. Für diese Metapher bin ich extrem dankbar, denn ich wüsste nicht wie ich sonst erklären sollte, wann ein Kind wieder zurück zu den Eltern darf.

Abschließend kann ich sagen, dass durch die Arbeit in meinem Projekt mein Horizont definitiv erweitert wird und mir auch Seiten von Religion gezeigt werden, die ich davor noch gar nicht kannte. Es ist zwar oft sehr anstrengend und besonders in der Anfangszeit auch schwierig, aber ich lerne jeden Tag dazu und genieße die Zeit im Projekt und mit meinen wundervollen Mitbewohnerinnen aus vollen Zügen!

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„weltwärts“ ist eine Initiative des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und unterstützt das Interesse von Jugendlichen an freiwilligem Engagement in Entwicklungsländern. Der Großteil der Kosten für das Freiwilligenjahr wird durch den Zuschuss vom BMZ übernommen. Es bleibt jedoch ein Viertel der Gesamtkosten übrig: 3.000 € müssen über VISIONEERS und jedem Freiwilligen selbst gesammelt werden. VISIONEERS ist als unabhängige und gemeinnützige GmbH auf private Spenden angewiesen, um ein umfangreiches und zukunftsfähiges weltwärts-Programm zu ermöglichen.

Helft mir und VISIONEERS, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Bitte unterstützt uns mit einer monatlichen oder einmaligen Spende.

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Paz, paciencia y amor heißt so viel wie Frieden, Geduld und Liebe. Diese drei Worte sind bei Hogar de Vida grundlegend für das Leben im Kinderheim. Hogar de Vida ist ein Übergangsheim für vernachlässigte, missbrauchte oder verlassene Kinder. Hier werden die Grundbedürfnisse der Kinder erfüllt: eine sichere häusliche Umgebung, Kleidung, Ernährung, Bildung und nicht zuletzt fürsorgliche Elternfiguren. Ich arbeite nun schon seit zwei Wochen im Heim und habe gemerkt, dass vieles auf diese drei Schlüsselwörter aufbaut. Im Folgenden möchte ich auf jedes dieser Worte näher eingehen.

Frieden ist allgemein definiert als ein heilsamer Zustand der Stille oder Ruhe und die Abwesenheit von Störung oder Beunruhigung. Genau diesen Frieden soll es für die Kinder bei Hogar de Vida geben. Sie dürfen zur Ruhe kommen und müssen keine Angst vor etwas haben. Die Kinder sollen aber auch einen friedvollen Umgang zu anderen Kindern und zu Erwachsenen lernen, in dem Gewalt keinen Platz hat.

Geduld bezeichnet die Fähigkeit zu warten oder etwas zu ertragen. Bei Hogar de Vida hat Geduld einen hohen Stellenwert. Die Kinder sollen einen geduldigen Umgang zu ihren Mitmenschen lernen. Beispielsweise darf ein Kind erst mit dem Essen beginnen, wenn alle soweit sind und das Tischgebet gesprochen wurde.

Liebe ist eine Bezeichnung für die stärkste Zuneigung und Wertschätzung. Viele Kinder kennen diese Wertschätzung und Zuneigung aus ihrem Zuhause nicht. Bei Hogar de Vida dürfen sie erleben was es heißt geliebt und wertgeschätzt zu werden. Jedes Kind wird von den Mitarbeitern gleich behandelt und wird außerdem bedingungslos wertgeschätzt. Somit spüren die Kinder, dass sie respektiert und wahrgenommen werden.

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Allen, die noch nie in Costa Rica waren, würde ich sagen: Packt eure Taschen und kommt her! Denn hier ist es einfach nur großartig! Und grün!!

Nach unserem Einführungsseminar kam ich hier an diesem tollen Ort an. Es sind nicht nur die Menschen hier die einen derartig beeindrucken, sondern die Stimmung, die Liebe, der Elan, der einem entgegenschwingt. Die Personen die hier arbeiten, arbeiten aus dem Herzen heraus.

Mit jeweils 10-14 Kindern pro eines der drei Casas (Häuser) besteht das Waisenhaus aus einem riesigen Grundstück. Die Ältesten, also 4 bis 10-Jährigen sind in Casa 1 zu finden. Die meisten gehen hier zur Schule. In Casa 2 wohnen, genauso wie in Casa 3, die Jüngeren, also 1 bis 5-jährige. Ich selbst arbeite in Casa 3.

Habe ich eigentlich schon das gigantische Grundstück erwähnt? Neben den Casas von den Kindern befindet sich hier noch ein Büro, eine Vorschule, kleinere Häuser zum Wohnen für Freiwillige wie mich, 6, wenn nicht sogar mehr, Spielplätze, ein Spielschloss mit Sandkasten, viele kleinere Sitzmöglichkeiten, ein zentraler überdachter Pavillon, zwei Schwimmbecken und neben all diesem Zeug auch noch super viel Platz in der Natur. Es ist wie ein einziger, riesiger Park! Die bereits angesprochenen Spielplätze sind entweder groß mit Rutschen, Schaukeln und insgesamt 2 Trampolinen, oder bestehen aus selbstgebauten Schaukeln aus Reifen, Kisten und Quergelegten Tonnen. Mich inspirieren gerade diese selbstgebauten Orte sehr viel mehr als die gekauften Superspielplätze. Denn das ist es, was meiner Meinung nach die Kreativität bei den Kindern weckt, was ihnen Inspiration gibt. Das ist es, was sie in ihrem Leben sehr viel glücklicher machen wird. Was denkt ihr?

Es mag die Liebe sein, die Freude oder die Spielplätze, aber diese Kinder hier sind einfach unglaublich. Klar. Sie sind teilweise durch Situationen gegangen, die man sich nicht träumen mag. Sie haben Dinge erlebt, die die meisten nie in ihrem

Leben erfahren. Sie mussten sich mit so vielen unschönen Dingen herumschlagen, dass man meinen könnte, dass sie das auf ihren kleinen, unschuldigen Schultern nicht tragen können. Und ja, diese Kinder haben mit Gedanken zu kämpfen, diese Kinder haben mit Verhaltensmustern zu kämpfen, aber dennoch, trotz alledem, haben sie die Freude am Leben nicht verloren. Trotz alledem sind sie offen, rennen auf dich zu, obwohl sie dich noch gar nicht kennen, umarmen dich, lachen bis sie am Boden liegen und sind einfach… Kinder.

Einen geregelten Tagesablauf zu haben hilft dabei dennoch extrem. Der sieht hier in Casa 2 und 3 wie folgt aus:

Nach dem Aufstehen wird gebadet, man zieht sich an, es gibt Frühstück. Im Anschluss wird einem nach dem anderen die Zähne geputzt, während sich die anderen entweder vor dem Fernseher oder draußen in der Spieleecke aufhalten.

Um 8.30 Uhr verlassen alle das Haus. Im Pavillon beginnt jetzt der Bibelkreis. Früher waren hier anscheinend immer alle Kinder aus allen Häusern zusammen, wegen Corona teilen sich die Häuser aber die Tage auf. Ein Haus ist also nur alle 3 Tage für diese Zusammenkunft vorgesehen. Hier wird gebetet, gesungen, getanzt, Spiele gespielt und Gottes Liebe für jeden Einzelnen verdeutlicht.

Die Kinder teilen sich danach oder, sollte der Bibelkreis für das Haus an dem Tag nicht stattgefunden haben, direkt in zwei gleichmäßigen Gruppen auf die 2 Tías auf, meistens sind die Jüngeren in einer und die Älteren in der anderen Gruppe. Natürlich darf auch der Vormittagssnack (Merienda) nicht fehlen!! Der wird auf dem Weg selbstverständlich bei der Küche abgeholt und sofort in Form eines Picknicks verschmaust.

Seit meiner zweiten Woche habe ich immer mit 2 Kindern eine eigene Gruppe aufgemacht und konnte allein mit ihnen arbeiten. Ab jetzt wird gespielt, gebastelt, gemalt, gesungen, getanzt. Je nachdem was sich die Tía für den Tag ausgedacht hat.

Mittagsessenszeit ist gegen 11/11.30 Uhr. Es finden sich also alle Gruppen wieder in ihrem Haus zusammen. Hände werden gewaschen, Die Kleinen werden mit Lätzchen in die Hochstühle gesetzt, die anderen an den Tisch. Das Essen wird aufgefahren. Wer fertig ist bekommt sein „Refresco“, ein Erfrischungsgetränk, wer leer gegessen hat, bekommt einen Nachtisch.

Nach dem Essen sollst du ruhen, oder tausend Schritte tun.

Hier wird sich natürlich fürs Ruhen entschieden! Der Fernseher wird wieder angemacht, egal, ob Paw Patrol, PJMasks, oder irgendwas anderes, YouTube und Netflix gibt es her. Während dieser Fernsehrunde werden hier auch wieder alle Zähnchen geputzt.

Nun werden die Decken auf dem Boden ausgebreitet, und auf Sofa und Boden schlafen einer nach dem anderen fast alle ein (Jep, auch die Tías müssen hin und wieder mal ein Nickerchen machen :))

Habt ihr auch gerade gedacht, dass schon lange nicht mehr gegessen wurde??? Das ist nämlich der nächste Step des Tages. Gegen 13/13.30 Uhr gibt es den Nachmittagssnack (ebenfalls Merienda genannt), der am Tisch draußen hinter

dem Haus eingenommen wird. Der Zucker weckt auch noch das letzte Kind auf, sodass alle mit vollem Magen und happy zum nächsten Spielplatz über dem Haus rennen, sollte es nicht schon wieder angefangen haben zu regnen. Wenn das noch nicht der Fall ist, wird es das aber in den nächst 10 Minuten sein. Der Regen fängt an und meine bisherige Arbeitsschicht endet um 15.00 Uhr.

Himmel morgens, wenn ich mit Regenschirm zur Arbeit laufe, weil ich weiß, dass es nachher schüttet…

Für mich geht es so weiter, dass ich mit Regenschirm zu meinem Häuschen laufe, und mir denke, wie gerne ich doch da raus gehen würde, einkaufen, shoppen, die Stadt erkunden… aber der Regen vermiest mir diese Ideen komischerweise ein bisschen.

Auch mit telefonieren ist aufgrund der 8h Zeitverschiebung ein wenig problematisch.

Seit meine Mitbewohnerinnen da sind, habe ich jedoch sehr viel mehr zu tun, wir kochen, gehen auch im Regen mal raus und leben uns hier sehr gut ein!

Vor allem die Wochenenden geben sehr viel her. Ob Putzen und Waschen oder neue Leute treffen und Kontakte knüpfen oder mit in die Kirche gehen und spontan zu Mittagessen eingeladen werden, so viele Verabredungen für die Zukunft habe ich schon lange nicht mehr gehabt!

Falls ihr mehr über mein Jahr erfahren wollt, schaut gerne mal auf meinem Blog vorbei: https://neuhauspaula.wixsite.com/paulasneueshauscr

Viele Grüße nach Deutschland!!!

!PURA VIDA!

Über elf Monate in Costa Rica sind vergangen. Ich kann es noch gar nicht glauben. Mir bleiben nur noch drei Wochen und ein ganzes Jahr ist rum.

Ich höre die Uhr schon ticken…Tick Tack..Tick Tack..

Ich glaube, was dieses Jahr alles mit mir gemacht hat, werde ich erst begreifen, wenn ich wieder zurück in Deutschland bin. Auch wenn ich versuche im Hier und Jetzt zu sein, bin ich in Gedanken schon oft in Deutschland. Ich glaube, es ist also ein guter Zeitpunkt zurückzublicken, Erlebnisse und Eindrücke Revue passieren zu lassen, zu reflektieren und sich zu fragen, ob Erwartungen erfüllt, übertroffen oder enttäuscht wurden.

Vor meiner Abreise habe ich es mir zum Ziel gemacht, in Costa Rica ein zweites zu Hause zu finden. Einen Ort, an dem mir die Türen offenstehen und an den ich immer wieder zurückkehren kann. Etwas, das ich in diesem Jahr geschafft habe und etwas, das den Abschied besonders schwierig macht.

Ich muss sagen, dass die letzten Tage und Wochen ein Wechselbad der Gefühle für mich waren:

Einerseits freue ich mich so sehr darauf meine Familie und Freunde wieder in die Arme schließen zu können, dass es Momente gibt, in denen ich vor Vorfreude explodieren könnte. Endlich wieder Currywurst Pommes im Bochumer Bermudadreieck essen oder einen der langen Sommerabende bei einem kühlen frisch gezapften Bierchen am See genießen.

Andererseits liegt auch immer ein bisschen Traurigkeit in der Luft. Der Abschied von den anderen Freiwilligen, den Mentoren und eigentlich allen, die einen das Jahr über in Costa Rica begleitet haben wird nicht leicht.

Sich verabschieden von Reis und Bohnen, Kochbananen, tropischen Früchten und den daraus gemachten Batidos… Adiós Tropen, Adiós tropische Regenfälle und Hitze, Adiós Strand, Adiós Pipa Fría, Adiós Sodas, Adios Reggeaton, Adiós Playa und noch viele Dinge mehr, von denen man sich verabschieden muss.

Der Abschied von Hogar de Vida (dem zu Hause des Lebens) wird wohl der schwierigste – Der Abschied von 35 Kindern und Babies, die man ins Herz geschlossen hat und für die man fast ein Jahr lang Mamaersatz gespielt hat – Der Abschied von Freunden und Arbeitskolleginnen.

Ich habe in diesem besonderen Ort mit all seinen wunderbaren Menschen ein zweites Zuhause gefunden.

Besonders hart wird der Abschied von den Kindern. Viele der Kinder werde ich wohl nicht wiedersehen. Diese Vorstellung versetzt mir einen Stich ins Herz, aber andererseits freue ich mich auch, da das wohl bedeutet, dass sie eine Herzensfamilie gefunden haben.

Aber so ist das wohl. Ich glaube, dass ich traurig bin, ist auch ein gutes Zeichen und bedeutet, dass dieses Jahr ein voller Erfolg war. Etwas, das uns zum einen zwar schwerfällt, aber zum anderen auch etwas Positives beinhaltet.

Mein soziales Engagement hier, hat mich jeden Tag glücklich gemacht. Es gab Tage, da bin ich schlecht gelaunt zur Arbeit gegangen, aber es gab keinen Tag, an dem ich schlecht gelaunt wieder nach Hause gekommen bin. Ich liebe Costa Rica, seien es die paradiesische Landschaft, die traumhaften Sonnenuntergänge, der Sound der Geckos, wenn es dunkel wird.

Mich fasziniert es, in einer anderen Kultur zu leben. Ich würde mich jederzeit noch einmal in das Flugzeug setzen. Ich habe hier so unfassbar viel gelernt. Dieses Jahr hat mich geprägt und meine Perspektiven verändert, hat mich gelehrt meine Privilegien in Deutschland schätzen zu lernen und mir den hohen Wert einer intakten, liebevollen Familie jeden Tag vor Augen geführt.

Für die letzten Wochen habe ich mir vorgenommen, jeden einzelnen Moment mit den Kindern zu genießen und so viel wie es geht aufzusaugen. Ich möchte Erinnerungen schaffen, an die ich in Deutschland immer wieder gerne zurückdenken kann. Und eins kann ich auch mit absoluter Sicherheit sagen: Costa Rica- nos vemos pronto.

Ganz viel Liebe,

Clarissa M. Rosenbaum

Atenas, 15/07/19