Ein (fast) geplatzter Traum

2. Dezember 2020

Der Klang des Meeresrauschens weht durch mein Zimmer. Ich wache auf, höre mit meinen noch sehr verschlafenen Ohren die Wellen auf dem Sand hin- und herströmen. Meine innere Uhr hat mich passend geweckt, denn kurz darauf fängt auch schon der Wecker an zu klingeln. Voller Motivation und Vorfreude stehe ich auf, mache mich fertig für den Tag und esse zum Frühstück noch eine Papaya und ein bisschen Ananas. Die Costa Rica Flagge meines Nachbars zappelt im Wind, während ich die Tür schließe, und mich auf den Weg zur Arbeit mache. Auf dem Weg dorthin treffe ich viele Ticos und Ticas, die mich freundlich grüßen, und von deren „Pura Vida“-Ausstrahlung ich mich anstecken lasse. Mein Arbeitstag verfliegt in Windeseile und beflügelt von den tollen Erfahrungen laufe ich wieder nach Hause. An meinem Lieblingsessensstand nehme ich mir noch Gallo Pinto mit Avocado, Tortillas und Platanos mit. So folge ich dem Meeresrauschen bis zum Strand, setze mich auf einen umgefallenen Baumstamm und genieße den Moment…

Ich öffne die Augen. Das Meeresrauschen ist noch da, aber ich bin von einer warmen Decke eingewickelt. Ich mache meinen Wecker, der diese Töne von sich gibt, aus und realisiere, dass das doch wieder einer von vielen ähnlichen Träumen der letzten Monate war.

Mir geht es so wie vielen anderen weltwärts-Freiwilligen. Ich bin eine von den vielen deren Traum vom hart erarbeiteten und ersehnten Auslandsjahr geplatzt ist. Seit über einem Jahr ist die Vorfreude bis zum August immer weiter gestiegen, alles war geplant, Abitur ist bestanden, einige Besorgungen waren schon erledigt, Visum war schon beantragt. Meine Hoffnung ist lange geblieben, doch dann kamen die ganzen Emails und Briefe, Unterlagen wurden zurückgeschickt, der Ausreisetermin hat sich mehrere Male verschoben und die ständige Ungewissheit hat mir sehr zu schaffen gemacht.

Trotzdem weiß ich natürlich, dass es einige wesentlich härter als mich getroffen hat. Ich habe ein Dach über dem Kopf, genug zu essen und bin gesund. Alle Entscheidungen, die getroffen wurden, sind vollkommen nachvollziehbar und verständlich, aber in meiner kleinen Welt ist der Plan für das nächste Jahr geplatzt. Deswegen hat die Suche nach einem Plan B begonnen.

Von August bis Oktober habe ich mir hier in Deutschland ein Projekt gesucht, das ich unterstützen wollte. Das „Haus International“, das sich für Geflüchtete und Migrant*innen einsetzt und mehrere kleinere Projekte und Aktivitäten veranstaltet, hat mich sofort angesprochen.

In der Zeit habe ich viele neue Menschen kennengelernt, die alle sehr interessante Geschichten zu erzählen hatten und mir in der kurzen Zeit so viel beigebracht haben. Ich bin unglaublich dankbar, dass ich so warmherzig aufgenommen wurde, und den interkulturellen Austausch auch hier in Deutschland intensiv erleben durfte.

Leider stiegen die Zahlen wieder und alle Projekte wurden wieder auf Eis gelegt. Dadurch hatte ich dort keine richtige Beschäftigung mehr und mich hat die Email erreicht, dass die Ausreise nach Costa Rica frühestens Anfang nächsten Jahres stattfinden könnte. Nach langem hin und her habe ich für mich beschlossen, meinen Dienst erst ein Jahr später anzufangen, also im August 2021.

Inzwischen glaube ich, dass dieses Jahr vielleicht noch nicht der richtige Zeitpunkt gewesen wäre. Ich habe eine neue Einsatzstelle gefunden, die mir nochmal mehr zuspricht, ich habe viele neue Freiwillige kennengelernt, kenne mich schon ein bisschen besser mit allem aus und habe grundsätzlich ein besseres Gefühl.

Mein größter Wunsch ist und bleibt, dass ich mein weltwärts-Jahr in Costa Rica verbringen kann, mein Projekt dort mit aller Kraft unterstützen kann und die Zeit dort mit vielen neuen Eindrücken genießen kann.

Wir bedanken uns für die Förderung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.